Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/649: Sorge um Datenschutz in Indien - biometrische Daten aller Einwohner werden gesammelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2010

Indien: Sorge um den Datenschutz - Biometrische Daten aller Einwohner werden gesammelt

Von Ranjit Devraj


Neu-Delhi, 9. September (IPS) - Die indische Regierung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie will die biometrischen Merkmale aller 1,2 Milliarden Einwohner des Subkontinents erfassen. Die Pläne stoßen auf vehementen Widerstand.

Noch in diesem Monat soll im südlichen Bundesstaat Andhra Pradesh die erste Phase der biometrischen Erkennung beginnen. Beamte der Identifizierungsbehörde UIDAI werden in Städten und Dörfern Fingerabdrücke nehmen und Iris-Scans erstellen. Jeder Inder soll außerdem eine lebenslang gültige Kennnummer (UID) erhalten.

"Die UID ist wie die Mobiltelefonie in der Lage, einzelne Personen mit größeren Wirtschaftszusammenhängen in Verbindung zu bringen", erläuterte der UIDAI-Direktor Nandan Nilekani. Der Unternehmer, den das 'Time Magazine' 2009 zu den hundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt rechnete, ist der Mitbegründer der Nationalen Vereinigung der Softwarefirmen und war Chef des großen IT-Unternehmens 'Infosys Technologies'.

Nilekani vertritt die Ansicht, dass die UID vor allem den Armen im Land Vorteile bringen wird. Da diese Menschen keine Ausweispapiere besäßen, hätten sie bisher auch keine staatlichen Leistungen in Anspruch nehmen können, erklärte er.


Gegner schließen sich zusammen

Menschenrechtsorganisationen wie die 'People's Union for Civil Liberties, das 'Alternative Law Forum', 'Citizen Actor Forum', 'Indian Social Action Forum' und 'Centre for Internet and Society' kritisierten jedoch, dass die biometrische Erfassung ein "zutiefst undemokratisches und teures Unterfangen" sei. Die Konsequenzen seien nicht überschaubar.

Die Kritiker haben sich deshalb zur Anti-UID-Kampagne gegen zusammenschlossen. Wie sie auf einem Treffen in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi Ende August erläuterten, nützt die zwölfstellige Identifikationsnummer den Menschen wenig. Die gravierende Korruption innerhalb der Behörden, die für die Verteilung von Nahrungsmitteln an arme Familien zuständig seien, lasse sich damit kaum beseitigen.

Der IT-Experte J.T. D'Souza warnte vor kostspieligen Pannen, da eine biometrische Erkennung in dieser Form noch nicht erprobt worden sei. Andere Gegner des Projekts äußerten Sicherheitsbedenken und warnten davor, dass sich Hacker den Zugriff auf vertrauliche Daten beschaffen und an Unbefugte und sogar Kriminelle weiterleiten könnten.


Missbrauch allerorten befürchtet

Nilekani warb derweil im Fernsehen für sein Projekt. Der Nutzen sei weit höher als die Risiken, betonte er im Interview mit CNN-IBN. Doch nach Ansicht der Gegner besteht die Gefahr, dass die erfassten Daten dazu missbraucht werden könnten, die gesellschaftlichen Kasten stärker voneinander abzugrenzen. Ebenso sehen sie das Risiko, dass die Behörden der einzelnen Bundesstaaten ihre Bürger nach Religionszugehörigkeit klassifizieren werden.

Auch die prominente Rechtswissenschaftlerin Usha Ramanathan misstraut den Zusicherungen der UIDAI. Die Angabe der Kennnummer ist zwar freiwillig, dennoch befürchtet sie, dass staatliche und private Dienstleister sehr bald ihren Kunden die Nummer abverlangen werden.

Tatsächlich hat UDAI bereits Abkommen mit regionalen Regierungen, Banken und Krankenhäusern geschlossen, die autorisiert sein sollen, Bürger nach ihrer Identifikationsnummern zu fragen. Schon in wenigen Jahren", so Ramanathan, die mit dem 'Centre for the Study of Developing Societies' zusammenarbeitet, "könnte es unmöglich sein, ohne die Nummer das Land zu bereisen".


Daten auch für Terrorbekämpfung benötigt

UIDAI wird mit dem Nationalen Einwohnermeldeamt (NPR) zusammenarbeiten, das die Herausgabe von persönlichen Informationen unter Androhung von Strafen erzwingen kann. Auf einer Website der Regierung ist zu lesen, dass von NPR erhobene Daten in Wahlregistern oder in Telefonbüchern veröffentlicht werden können.

Hinzu kommt die Gefahr, dass die Daten zur Rasterfahndung verwendet werden könnten. Innenminister P. Chidambaram erklärte im vergangenen Februar, dass der Geheimdienst diejenigen ausfindig machen werde, "die überwacht, überführt und ausgeschaltet werden müssen". (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://uidai.gov.in/
http://www.pucl.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52733

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010