Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/624: Pakistan - Landbesitz für Frauen, kleine Schritte mit großer Wirkung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Juli 2010

Pakistan: Landbesitz für Frauen - Kleine Schritte mit großer Wirkung

Von Zofeen Ebrahim


Badin, Pakistan, 20. Juli (IPS) - Landbesitz verschafft Respekt - diese Erfahrung hat Jannat Gul buchstäblich am eigenen Leib erfahren. Seit sechs Monaten ist sie Eigentümerin einer 1,6 Hektar großen Parzelle in der südpakistanischen Sindh-Provinz, und seit sechs Monaten wurde sie nicht mehr von ihrem Mann geschlagen.

"Ich habe ihn davor gewarnt, noch einmal die Hand gegen mich zu erheben. Dann nämlich werde ich zu meinen Eltern ziehen und er das Land, das ich bekommen habe, verlieren", berichtet sie. Jannat Gul profitiert von einem 2008 angelaufenen Landreformprojekt, das 80.000 Landlosen einschließlich Frauen zu kleinen Grundstücken verhilft.

21.000 Hektar der bereitstehenden 91.000 Hektar hat Staatspräsident Asif Ali Zardari den Frauen per Dekret reserviert. Ihnen, denen in der Regel jeder Zugriff auf ein eigenes Grundstück verwehrt ist, wolle man zu mehr Einfluss verhelfen, erläuterte der Programmkoordinator Faisal Ahmed Uqaili.

Nach den letzten vorliegenden Zahlen aus dem vergangenen November sind bereits 17.400 Hektar Land in 17 der 23 Sindh-Bezirke in den Besitz von 4.200 Bauern übergangen. In 70 Prozent gingen die bis höchsten zehn Hektar großen Grundstücke an die ärmsten Frauen der Region. Ihnen brachte Landbesitz nicht nur eine Verbesserung des Lebensstandards, sondern Anerkennung und Selbstbewusstsein.

Zar Bibi (Bildmitte) auf ihrem Land - Bild: Zofeen Ebrahim/IPS.

Zar Bibi (Bildmitte) auf ihrem Land - Bild: Zofeen Ebrahim/IPS.

"Ich konnte nach der ersten Ernte unsere Schulden beim Lebensmittelhändler bezahlen, mich und meine Enkelkinder neu einkleiden und den Rest in die Felder investieren", berichtet Zar Bibi, eine 60-jährige Witwe, stolz. Die erste Reisernte hatte ihre Einnahmen auf 45.000 Rupien hochklettern lassen. Das sind umgerechnet etwa 525 US-Dollar.


"Unser Schicksal hat sich gewandelt"

"Nicht im Traum hätte ich mir vorstellen können, einmal 1,6 Hektar Land zu besitzen", sagt die 42-jährige Hema Mai, eine ehemalige Landarbeiterin aus der mehrheitlich von Mitgliedern der Hindu- Minderheit in der 4.000-Seelen-Gemeinde Begna Mori, im Sindh-Bezirk Jaati. "Unser Schicksal hat sich gewandelt."

Da die Landwirtschaft für 42 Prozent aller Vollzeitstellen gut ist und 23 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet, gilt der Besitz von Land als der wichtigste Schutz vor Armut im ländlichen Pakistan, der Heimat von zwei Dritteln der Bevölkerung.

Doch die Zahl der Frauen, die von diesem Sicherheitsnetz Gebrauch machen können, ist gering. "Grundsätzlich dürfen Frauen Land besitzen, werden aber bei staatlichen Landzuweisungen übergangen", bemängelt Haris Gazdar, ein in Karatschi angesiedelter Wirtschaftswissenschaftler. "In Betracht kommen meist Personen, die als Bauern anerkannt sind. Und das sind ausschließlich Männer."


Der Benazir-Effekt

Allerdings ist das neue Landvergabeprogramm das erste, das Frauen direkt begünstigt. Gazdar spricht in Anspielung auf die 2007 ermordete ehemalige Ministerpräsidentin und Frauenrechtlerin Benazir Bhutto gern vom 'Benazir-Effekt'.

Doch der Landbesitz der Frauen stößt auch auf Kritik. So berichtet Jalil Khokhar, Koordinator des unabhängigen Nationalprogramms für ländliche Förderung, dass etliche Männer über eine zunehmende Aufmüpfigkeit ihrer Frauen klagen.

"Sozialgesellschaftlich ist es die Norm, dass Frauen auf ihre Erbrechte verzichten und Land, das sie besitzen, ihren Männern, Söhnen und Brüdern überlassen", sagt Gazdar. Zudem erheben Männer Besitzansprüche auf das Land, das ihren weiblichen Angehörigen gehört.

Das Programm in Sindh soll dafür sorgen, dass genau dies nicht geschieht und Frauen im Besitz ihrer Landtitel bleiben. Es schreibt vor, dass Grundstücke nicht vor Ablauf von mindestens 15 Jahren verkauft werden dürfen. Darüber hinaus kann es nur an die weibliche Linie vererbt werden.

Allerdings hat das Programm einige Schwachpunkte, wie eine Studie der Nichtregierungsorganisation 'Participatory Development Initiatives' (PDI) herausfand. Demnach hatte die Hälfte der begünstigten Frauen bis Ende 2009 noch keine Besitztitel erhalten.

Diesen Anteil hält Uqaili jedoch für eine Übertreibung. Bisher hätten von den 4.200 Nutznießern lediglich 150 Frauen keine Besitztitel erhalten. Allerdings räumte er ein, dass trotz aller Bemühungen etliche Hindernisse beseitigt werden müssten.

In einigen Fällen wird die Landvergabe durch einflussreiche Persönlichkeiten oder deren Verwandten verzögert, die sich Staatsland illegal angeeignet haben. Laut PDI werden aufgrund der vielen Ansprüche hunderte Fälle rechtlich geprüft werden müssen. (Ende/IPS/kb/2010)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52134

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Juli 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2010