Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/962: Südafrikas neuer Plan für mehr Wachstum und Beschäftigung (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5/6, November/Dezember 2010

Mit Zinssenkung zu Wachstum?
Südafrikas neuer Plan für mehr Wachstum und Beschäftigung

Von Armin Osmanovic


Südafrikas Wirtschaft ächzt unter dem starken Rand. Im dritten Quartal wuchs die Wirtschaft nur noch um 2,6 Prozent. Die Exporte, die unter der Aufwertung der süd-afrikanischen Währung gegenüber US-Dollar und Euro leiden, gingen im Oktober um 6,3 Prozent zurück. Um die Wirtschaft zu beleben, hat die Zentralbank im November die Zinsen weiter gesenkt. Bislang blieb dieses Mittel ohne erkennbare Wirkung.


Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hatte auch Südafrikas Wirtschaft in eine Rezession gestoßen. Mehr als eine Million Arbeitsplätze gingen seit Ende 2008 verloren. Die Regierung reagierte mit kreditfinanzierten Ausgaben u.a. in die Infrastruktur und die Zentralbank senkte die Zinsen auf ein historisch niedriges Niveau, um den Konsum der privaten Haushalte und die Investitionen der Unternehmen zu unterstützen.

Ende 2009 begann sich Südafrikas Wirtschaft langsam zu erholen, doch im Vergleich zu den anderen aufstrebenden Ländern, wie Brasilien, China, Indien oder der Türkei, zu denen sich Südafrika gerne zählt, bleibt Südafrikas Wirtschaftswachstum schwach. Für die Gewerkschaften, aber auch für viele unabhängige Wirtschaftsexperten ist die Aufwertung des Rand seit Anfang 2010 für die Wirtschaftsschwäche des Landes verantwortlich, da sie die Exporte der Industrie verteuert.

Im dritten Quartal ging die Industrieproduktion um 5 Prozent zurück, nachdem sie im vorangegangenen Quartal noch um die gleiche Prozentzahl zugelegt hatte. Bergbau (+28,1%) und Landwirtschaft (+16,3%) setzten hingegen ihre Erholung im dritten Quartal fort. Doch beide Wirtschaftsbereiche machen nur 8,5 Prozent der gesamten Wirtschaft des Landes aus. Zu wenig, um die Wirtschaft Südafrikas deutlich anzutreiben und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Im dritten Quartal ging denn auch die Zahl der Arbeitsplätze im formalen Sektor um 45.000 und im informellen Sektor um 14.000 weiter zurück, so dass sich Südafrikas Arbeitslosenrate nach offiziellen Angaben leicht von 25,2 auf 25,3 Prozent erhöht hat.

Cosatu, Südafrikas Gewerkschaftsdachverband, plädiert seit geraumer Zeit für einen schwächeren Rand und will daher den Außenwert der südafrikanischen Währung gegebenenfalls staatlich festsetzen. Auch die wechselkursbedingten billigeren Importe aus China und anderen asiatischen Ländern, deren Währung häufig an den US-Dollar gekoppelt sind, machen den Gewerkschaftern Sorgen. Südafrikas Textilindustrie, sowieso nur noch ein Schatten früherer Tage, droht das Aus. Auch deshalb, weil die staatlichen Mindestlöhne angesichts der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit südafrikanischer Textilfabriken in den Augen der chinesischen Textilunternehmer im Land zu hoch sind. Bislang haben sich die chinesischen Unternehmen geweigert, Mindestlöhne zu bezahlen. Nun macht Cosatu Druck auf deren Einhaltung. Die chinesischen Unternehmen drohen mit einem Ende der Produktion in Südafrika.

Mehr und mehr Beobachter sind sich einig: Südafrikas Währung Rand muss gegenüber Dollar und Euro an Wert verlieren, soll die Wirtschaft endlich wieder so stark wachsen, wie vor der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, als durchaus neue Arbeitsplätze entstanden und die Arbeitslosigkeit zurückging.

Ein Mittel, das viele befürworten, wären weitere Zinssenkungen, damit der Zufluss von Kapital nach Südafrika aus den Industriestaaten, wo die Renditen deutlich geringer sind, eingedämmt wird. Südafrikas Zinsniveau ist im internationalen Vergleich mit 5,5 Prozent immer noch sehr attraktiv, so dass die Nachfrage nach Anlagen in Rand (Staats-, Unternehmensanleihen und Aktien) hoch ist, was den Wert des südafrikanischen Rand nach oben treibt.

Angesichts der gegenwärtigen Inflationsrate von etwas mehr als drei Prozent ist eine deutlichere Zinssenkung als bislang geschehen möglich, ohne dass die Preisstabilität gefährdet wird. Kevin Wakeford, Wirtschaftsberater für First Uranium, einem südafrikanischen Bergbauunternehmen, plädiert in der gegenwärtigen Situation, wo Regierungen Wechselkurse für wirtschaftspolitische Zwecke zu beeinflussen suchen, so dass manche sogar von einem "Weltwährungskrieg" sprechen, für eine Änderung des Inflationsziels der südafrikanischen Zentralbank von 3 bis 6 Prozent auf 5 bis 8 Prozent (The Times, 24.11.2010). Die Inflation, so Wakeford, dürfe in dieser Situation gegenwärtig nicht die Geldpolitik bestimmen.

Die Gewerkschaften, die die Fixierung der Zentralbank auf die Preisstabilität seit geraumer Zeit kritisieren, fordern einen Wechselkurs von neun oder sogar zehn Rand für einen US-Dollar, damit die einheimische Industrie wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen kann.

Die Zentralbank äußert sich gegenüber weiteren Zinssenkungen sehr zurückhaltend. Nach der letzten Zinssenkung im November sehe man kaum noch Raum für weitere Zinsschritte nach unten. Auch glaubt die Zentralbank nun erste Anzeichen für eine Belebung des lnlandskonsums erkennen zu können. Der Verlauf des Weihnachtsgeschäfts wird mehr Aufschluss darüber erbringen, ob die Haushalte unterstützt von gesunkenen Dispositionskrediten wieder mehr konsumieren.


Der neue Wachstumspfad der Regierung

Im November hat die südafrikanische Regierung ihren "Neuen Wachstumspfad" vorgestellt. Südafrikas Wirtschaft soll in den nächsten Jahren zwischen 4 bis 7 Prozent pro Jahr wachsen und bis 2020 sollen 5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ebrahim Patel, Südafrikas Wirtschaftsminister, hat den Plan federführend für die Regierung von Präsident Jacob Zuma erarbeitet. Eine lockerere Geldpolitik, die dazu beitragen soll, dass Südafrikas Währung Rand nicht weiter die Exportwirtschaft belastet, ist, so Patel gegenüber der Presse, notwendig.

Für mehr Wachstum und Beschäftigung im Kampf gegen Armut und soziale Ungleichheit setzt die Regierung aus ANC (African National Congress), SACP (South African Communist Party) und Cosatu (Congress of South African Trade Unions) in Pretoria auch auf eine Kontrolle der Gehaltszuwächse, damit bei einer lockereren Geldpolitik die Preisstabilität gewahrt werden soll. Die Regierung schlägt vor, dass Gehälter über 550.000 ZAR pro Jahr (59.000 Euro) auf weiteres nicht weiter ansteigen sollen. Gehälter von 20.000 ZAR (2100 Euro) pro Monat und mehr sollen nach Willen der Regierung nur noch um die Höhe der Inflation wachsen dürfen. Gewerkschaften und Unternehmensverbände haben auf diesen Vorschlag sehr zurückhaltend bis ablehnend reagiert. Cosatu weist die Idee von Gehaltsobergrenzen zurück, da dies zu mehr Ungleichheit führen würde.

Insgesamt steht Cosatu im Gegensatz zu dem anderen Allianzpartner SACP, der den Plan willkommen hieß, ablehnend gegenüber. Zwar wird anerkannt, dass eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft nun vorgesehen ist, doch in den Augen der Gewerkschaften ist die Regierung mit ihrem neuen Plan nicht weit genug vom Ziel der Preisstabilität und damit Haushaltskonsolidierung abgerückt. Nach Meinung der Gewerkschaften ist diese Fixierung Ursache für das schwache Wachstum und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit. Gewerkschafter beklagen, dass die eigene Regierung weiterhin zu marktorthodox agiert, wohingegen die US-Regierung nicht vor großen Eingriffen, wie die Verstaatlichung von Banken und Unternehmen zurückschreckte.

Durchaus positiv dürfte der Plan der Regierung aufgenommen werden, die Infrastruktur weiter ausbauen zu wollen. Auch soll die "Grüne-Industrie", wie die erneuerbaren Energien, stärker gefördert werden. In diesem Bereich erhofft sich die Regierung 380.000 neue Arbeitsplätze.


Hilfe von außen

Zur Hilfe kommt Südafrika der Umstand, dass durch den reichlichen Zufluss von Auslandskapital und die niedrigen Zinsen der Staat "billig" auf Einkaufstour gehen kann. Günstig wie nie kann die Regierung die Infrastruktur des Landes erneuern und ausbauen.

Es vergeht kaum eine neue Woche, ohne dass nicht Megaprojekte, wie eine neue Eisenbahn-Schnellbahn zwischen Johannesburg und Durban, welche den existierenden Abschnitt in Johannesburg und den Mitte nächsten Jahres in Betrieb gehenden Teil zwischen Johannesburg und Pretoria ergänzen soll, bekannt gegeben werden. Geplant ist auch die Erneuerung von vielen staatlichen Krankenhäusern, die mehr Geld als die WM-Stadien kosten werden. Im Energiebereich wird ebenfalls massiv investiert, da sich die Nachfrage, so Berechnungen, in wenigen Jahren verdoppeln wird. Neben den Investitionen in erneuerbare Energien und Projekte im benachbarten Ausland sind aber auch Atomkraftwerke in Südafrika geplant, um den Energiehunger der wachsenden schwarzen Mittelschicht und der Wirtschaft zu stillen.

Das Wachstumsziel der Regierung scheint trotz der gegenwärtigen Wachstumsschwäche erreichbar, auch deshalb, weil Südafrikas Wirtschaft Impulse von Unternehmen aus dem Ausland erhalten konnte, da diese das Land weiter als Sprungbrett in den stark wachsenden afrikanischen Markt sehen, der sich schneller von der globalen Krise erholt und dieses Jahr um 5 Prozent wachsen wird. Die Absicht des US-Handelsriesens Wal-Mart, die südafrikanische Einzelhandelskette Massmart, die in weiteren afrikanischen Ländern operiert, für 4,2 Mrd. US-Dollar kaufen zu wollen, kann als Indiz für das ausländische Interesse an Afrikas Marktpotenzial gesehen werden.


Der Autor ist Vertreter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Südafrika.


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 5/6, November/Dezember 2010


Reset-Taste nicht gefunden
Kommentar von Hein Möllers zum EU-Afrika-Gipfel in Tripolis.

aktuell

südafrika
Reinigen und Versöhnen
Einmal ganz anders: Versöhnung in KwaZulu-Natal heute. Von Ben Khumalo-Seegelken.

Zuma sorgt für Burgfrieden im ANC
Axel Schmidt zum kleinen Parteitag des ANC.

Verlegenheitsbündnis oder Vernunftehe?
DA und ID wollen fusionieren. Von Nontando Ngamlana.

Hauen und Stechen
Der "Congress of the People" ist vor dem ersten Wahlkongress zerstritten. Von Nontando Ngamlana und Hein Möllers.

Mit Zinssenkung zu Wachstum?
Südafrikas neuer Plan für mehr Wachstum und Beschäftigung. Von Armin Osmanovic.

Wille und Vorstellung
Andries du Toit reflektiert über eine Konferenz zu Ungleichheit in Südafrika.

namibia
Leben am Rande von Okahandja
Magreth Nunuhe beschreibt, was die Leute an einem Wahltag denken.

simbabwe
"Fortschritte - mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte"
Frank Gries spricht mit Golden Maunganidze über die Situation der Presse in Simbabwe.

"Offene Kritik war schwierig"
Interview mit Itai Rusike von der "Community Working Group of Health".

malawi
Kleines Land ganz groß
Mutharika setzt Malawi seinen Stempel auf. Von Heiko Meinhardt.

malawi: literatur
Lesen und Schreiben als Chance
Ein Beitrag von Steve Sharra zur Lesekultur in Malawi.

Jive Talker
Von Samson Kambalu.

lesotho
Nebensachen aus Maseru
Von Brigitte Reinhardt.

botswana
Mehr Demokratie wagen
Botswanas Parteienlandschaft in Bewegung. Von Helmut Elischer und Stefan Vogt.

tansania
Wie immer - doch anders
CCM einmal mehr Wahlsieger in Tansania. Von Richard Whitehead.

angola
Hunger nach Atom und Macht
Angolas Vorbereitungen für den Aufstieg zur Nuklearmacht im Südwesten Afrikas. Von Emanuel Matondo.

Pervertierte Demokratie
Interview mit dem Journalisten Rafael Marques.

dr kongo
Völkermordverdacht
Helmut Strizek stellt den Pillay-Bericht zu Menschenrechtsverbrechen in der DR Kongo zwischen 1993 und 2003 vor.

Patrice Lumumba
Den ersten ermordeten Politiker des nachkolonialen Afrika stellt Frank Kürschner-Pelkmann vor.

Lumumba
Von Ryszard Kapuscinski.

Stimme der Stimmlosen Dave Peterson erinnert an den im Juni ermordeten Menschenrechtsaktivisten Floribert Chebeya.

südliches afrika: regionale kooperation
30 Jahre SADC
Von Martin Adelmann.

Kooperation statt Freihandel
Gottfried Wellmer fragt, ob die SACU sich zur handelspolitischen Alternative entwickelt.

afrika: epa-verhandlungen
"Afrikas Lage würde verschlimmert"
Rolf-Henning Hintze interviewt den kamerunischen Handelsexperten Offah Obale.

afrika-china
Die Stimme Afrikas im Reich der Mitte
Zivilgesellschaftlicher Austausch zwischen China und Afrika. Von Xiao Yuhua.

afrika
Neues Spielfeld - veränderte Regeln
Hein Möllers zum Unctad-Bericht zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas.

service
Nord-Süd-Infos, Rezensionen


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5/6, November/Dezember 2010, S. 20 - 21
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2011