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AFRIKA/897: Sierra Leone - Chinesen als kompetente Lehrmeister, Musterbetriebe für Kleinbauern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. November 2010

Sierra Leone: Chinesen als kompetente Lehrmeister - Musterbetriebe für Kleinbauern

Von Mohamed Fofanah


Freetown, 9. November (IPS) - "Ich glaube, ich habe es geschafft", freut sich Fanta Jabbah. "Jetzt kann ich für meine drei Kinder sorgen und meinen Mann unterstützen, und ich darf mitreden", berichtet die Kleinbäuerin aus Sierra Leone. Dank praxisorientierter chinesischer Entwicklungshilfe übertrifft die Reisernte auf ihren Feldern inzwischen den Eigenbedarf ihrer Familie. Jetzt kann sie einen Teil der Ernte an die Vorratslager der Regierung verkaufen.

Jabbah ist Vorsitzende einer Gruppe von 26 Bauern, die sich in Lumley vor den Toren der Hauptstadt Freetown zusammengeschlossen und mit Hilfe einer Entwicklungsinitiative der zentralchinesischen Stadt Wuhan (WMFC) ihren bislang traditionellen Reisanbau modernisiert hat. In Sierra Leone ist Reis ein Grundnahrungsmittel. Die mehr als 5,3 Millionen Einwohner des westafrikanischen Landes leben überwiegend von der Landwirtschaft.

WMFC ist ein Programm der staatlichen chinesischen Entwicklungshilfe, das vor Ort ankommt. Wie in Lumley nahe Freetown zielt das Projekt in Sierra Leone auf die landwirtschaftliche Ertragsverbesserung im Umland von Großstädten. Auch in Bo im Osten und im südlichen Kenema haben sich einheimische Kleinbauern dem Pilotprojekt angeschlossen. Die Bauern erhalten als Saatgut eine neue Reissorte und Dünger. Landmaschinen und Mähdrescher erleichtern die Feldarbeit, und eine Reismühle zur Weiterverarbeitung der Ernte ergänzt die moderne Ausstattung der Kooperativen.

Damit die sprachliche Kommunikation zwischen Einheimischen und den Entwicklungshelfern aus dem Reich der Mitte funktioniert, sorgt Sierra Leones Regierung für Übersetzer, die die agrartechnischen Erläuterungen in die jeweilige lokale Sprache übertragen. Anfangs begegnete die Bauerngruppe von Lumley dem chinesischen Pilotprojekt mit Skepsis. Doch ihre Vorbehalte und Anfangsschwierigkeiten waren schon nach einer Erntesaison verschwunden.

"Wir waren es gewohnt, die Reiskörner in viele kleine Erdhügel zu versenken anstatt sie, wie es uns die Chinesen vormachten, auf dem flachen Boden auszusäen und sie einfach wachsen zu lassen. Tatsächlich fiel die Reisernte nach dieser neuen Methode besser aus", berichtete Jabbah.


Nachhaltige Agrarprojekte

Xie Yu Fei, der in Freetown das WMFC-Projekt koordiniert, erklärte gegenüber IPS: "Uns geht es um die ständige Unterstützung der Gruppen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir kümmern uns während der gesamten Saison und auch nach der Ernte um sie. Wir bringen ihnen zeitgemäßes technisches Know-how bei und zeigen ihnen, wie Dünger eingesetzt wird, wie groß die Anbauflächen vor allem für Reis sein sollen und wie sie Unrat entfernen und ihre Farmen vor Bakterien schützen, die die Ernte vernichten kann." Außerhalb der Pilotkooperativen beraten die chinesischen Agrarexperten auch andere lokale Bauern über den effizienten Anbau verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugnisse.

Claudius Farnnel, der für das Umland von Freetown zuständige Vertreter des Landwirtschaftsministeriums, weiß die Arbeit der Entwicklungshelfer aus dem fernen Wuhan zu schätzen. "Ihre Projekte zeigen, dass sie langfristig angelegt sind und darauf setzen, dass lokale Kleinbauern auf Dauer zusammenarbeiten."

Weniger gute Erfahrungen habe er mit anderen ausländischen Entwicklungshilfepartnern gemacht, fügte der Regierungsbeamte hinzu. "Deren Projekte waren bei relativ bescheidenen Investitionen nur von kurzer Dauer. Drei, vier Monate lang bemühten sie sich um interessierte Bauern und danach war Schluss", kritisierte Farnnel.


Mit mehr Reis von heimischen Feldern teure Devisen sparen

Nach seinen Angaben hat WFMC knapp 800.000 US-Dollar in das Programm investiert. Es werde hoffentlich dazu beitragen, die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu verbessern und Sierra Leones Abhängigkeit von teuren Reisimporten zu verringern, betonte Farnnel. Auch der Reispreis von derzeit umgerechnet rund 45 Dollar pro Zentner könnte sinken.

Ein Problem bestehe weiter, klagte er. Rund um Freetown gebe es zuwenig Land, das sich für den großflächigen Reisanbau nutzen lässt, bedauerte er. Allerdings habe man in Freetown auf der Versuchsfarm Ogoo in der vergangenen Erntesaison mit der Reissorte Yanshualuohao 4,5 Tonnen Reis pro Hektar geerntet, zwei- bis dreimal mehr als früher. Jetzt würden die Bauern in der Umgebung mit dieser Reissorte beliefert.

Damit die künftig zu erwartenden ergiebigeren Reisernten nicht teilweise verderben, brauchen die Bauern zur Weiterverarbeitung des Erntesegens eine Reismühle in der Nähe. "Zum Glück haben die Chinesen unseren Reis gegen Erstattung der Unkosten geschält, damit er sich auf dem Markt leichter verkaufen lässt", berichtete Aminata Mandowa, eine andere Bäuerin aus der Lumley-Gruppe.

Das chinesische Entwicklungsprojekt sei nicht auf Bauerngruppen beschränkt, sagte Fei. Seit 2005 könnten jährlich mindestens 30 Bauern und Beamte aus dem Agrarministerium in China Landwirtschaft studieren und sich auch praktisch weiterbilden. Mohamed Conteh, der Pressesprecher des Agrarministeriums, betonte, die chinesischen Experten seien für Sierra Leons Landwirtschaft eine große Hilfe.

Das findet auch die Bäuerin Jabbah, die angesichts größerer Ernten jetzt mehr Land für den Reisanbau kaufen möchte. "Dass ich jetzt auf eigenen Beinen stehe, verdanke ich den Chinesen", erklärte sie. "Ich hoffe, sie bleiben hier und helfen noch mehr Menschen in Sierra Leone." (Ende/IPS/mp/2010)

Link:
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6204


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2010