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AFRIKA/881: Mauritius - Alle Millenniumsziele in Reichweite, doch nicht alles Gold, was glänzt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Oktober 2010

Mauritius:
Alle Millenniumsziele in Reichweite - Doch nicht alles Gold, was glänzt

Von Nasseem Ackburally


Port Louis, 21. Oktober (IPS) - Die kleine Insel Mauritius im Indischen Ozean ist wahrscheinlich der einzige afrikanische Staat, der die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) zur Armutsbekämpfung bis 2015 erreichen wird. Nach Ansicht der Zivilgesellschaft könnte die Regierung aber deutlich mehr für die Verbesserung der Lebensbedingungen, die Gleichberechtigung der Geschlechter und ökologische Nachhaltigkeit tun.

Die MDG-Zahlen für 2009, vom nationalen Statistikamt im September vorgelegt, bescheinigen dem Inselstaat, mit den MDGs auf Kurs zu sein: Weniger als ein Prozent der 1,2 Millionen Einwohner lebt in extremer Armut (Ziel 1). Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt mehr als 4.000 US-Dollar.

Ziel 2 hatte Mauritius bereits in den 90er Jahren erreicht: einen allgemeinen Zugang zu Grundschulbildung. Die Sterblichkeit von Kindern im Alter von unter fünf Jahren wurde um zwei Drittel verringert (Ziel 4). Bei Ziel 5, der Senkung der Müttersterblichkeit, konnte die Zahl der Todesfälle von 2007 bis 2009 konstant niedrig gehalten werden. HIV, Malaria und Tuberkulose sind auf Mauritius kaum verbreitet (Ziel 6). Die Insel wurde zudem zu einem Malaria-risikofreien Gebiet erklärt.

Mauritianische Schulkinder - © Nasseem Ackburally/IPS

Mauritianische Schulkinder
© Nasseem Ackburally/IPS

Was die Frage der ökologischen Nachhaltigkeit (Ziel 7) betrifft, wurde die Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen von 65 Tonnen 1993 auf ein unbedeutendes Maß reduziert. MDG 8, der Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens, richtet sich in erster Linie an die reichen Industriestaaten.

Die Bürger von Mauritius erhalten vom Staat ein breites Spektrum an kostenlosen sozialen Dienstleistungen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich und beim öffentlichen Transport von Schülern, Studenten und älteren Menschen. Auch Grundnahrungsmittel werden subventioniert.

Getrübt wird die MDG-Bilanz von Mauritius beim dritten Ziel: der Gleichberechtigung der Geschlechter. Diese sei am Arbeitsplatz, aber auch in der Politik nicht gewährleistet, so Vidya Charan von der Vereinigung für Familienplanung und Wohlfahrt (MFPWA). Mauritius sei eine Gesellschaft, in der nach wie vor die Männer das Sagen hätten.

Charan moniert ferner, dass zur Bewertung der Fortschritte bei den MDGs im Allgemeinen nur ausgewählte Problemgebiete beleuchtet, andere wichtige Fragen aber ausgeklammert worden seien. "Themen wie Schulden, nichtansteckende Krankheiten, der Mangel an öffentlicher Sicherheit, Gewalt und vieles mehr müssten ebenfalls angesprochen werden - kurz: +++ Vieles mehr? alles, was negativen Einfluss auf unsere Gesellschaft hat", sagt sie.

Charan befürchtet, dass die positiven MDG-Zahlen dazu führen werden, dass andere soziale Probleme ausgeblendet werden. Hierzu zählt sie zum Beispiel den starken Verlust von Arbeitsplätzen in der Textilindustrie und im verarbeitenden Gewerbe, aber auch die Umweltzerstörung, die vom ständig zunehmenden Tourismus auf der kleinen Insel ebenso verursacht wird wie von der wuchernden Bauindustrie.


Diabetes-Problem

Ein wichtiges Problem, das auf dem Radarschirm der MDGs nicht auftaucht, ist die Verbreitung von Diabetes. 25 Prozent der Bevölkerung von Mauritius leiden an der Zuckerkrankheit. Die Arbeitslosigkeit ist mit acht Prozent im afrikanischen Vergleich zwar niedrig, dennoch geht auf der Insel die Sorge um, dass für die Textilindustrie und das verarbeitende Gewerbe immer mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden müssen.

Kritiker der offiziellen MDG-Statistik vermissen bei der Bewertung der Aktivitäten im Kampf gegen Umweltverschmutzung Fortschritte im Kampf gegen die klimaschädlichen Treibhausgase. Stattdessen haben sich die Pro-Kopf-CO2-Emissionen von 1990 bis 2009 fast verdreifacht.

Außerdem werden für den Tourismus Schneisen in die Natur der Insel geschlagen - mit kräftiger Förderung der Regierung. Es wird wie wild gebaut, um es den Urlaubern recht zu machen, die die ersehnten Devisen nach Mauritius bringen. Die nachhaltigen Auswirkungen sind zweitrangig.

Obwohl die Insel bei der Bekämpfung der absoluten Armut sehr gut abschneidet, haben die Menschen in Mauritius mit sehr hohen Preisen zu kämpfen, da 75 Prozent der Lebensmittel importiert werden. Da stöhnt sogar die Mittelklasse. Kritiker fordern daher, die einheimische Lebensmittelproduktion auszubauen. (Ende/IPS/bs/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2010