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AFRIKA/859: Ganz legal - Wie sich tansanische Beamte an der Staatskasse bereichern (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, April / Mai / Juni 2010

Ganz legal
Wie sich tansanische Beamte an der Staatskasse bereichern

Von Helmut Zell


Während der große Teil der Bevölkerung nahe am Existenzminimum lebt, hat sich in Tansania in den letzten Jahren eine Oberschicht mit rasch wachsendem Vermögen etabliert. Viele der Neureichen sind zu ihrem Wohlstand durch ihre Tätigkeit im Staatsdienst gekommen, einige möglicherweise durch Unterschlagung und Korruption. Doch es gibt auch legale Wege zum Reichtum. Ein großzügiges Zulagensystem erlaubt den Zugriff auf üppige Geldzuwendungen (Tage- und Sitzungsgelder, Reisekosten pauschalen, etc.). Während Geberorganisationen diese langjährige Praxis nur gelegentlich und nur diplomatisch höflich als Verstoß gegen "good governance" beanstanden, nutzen tansanische Journalisten die Pressefreiheit, um in den Tageszeitungen diese Praktiken zunehmend kritisch anzuprangern.


In den vergangenen Jahren gingen zahlreiche spektakuläre Korruptionsfälle im öffentlichen Dienst durch die tansanische Presse. Der Schaden für die Staatskasse ging in die Millionen US-Dollar. Groß war auch der Schaden für das Ansehen der Regierung. Heftige Kritik kam auch von internationalen Gebern, die aufgrund dieser Vorfälle schon mal mit der Einstellung ihrer Hilfezahlungen drohten. Regierung und Justiz gehen heute zunehmend schärfer gegen korrupte Praktiken in der staatlichen Verwaltung vor. Doch während Korruption im Kreuzfeuer der Kritik und der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, gibt es einen blinden Fleck gegenüber anderen bedenklichen Praktiken. Die Rede ist von dem Zulagen- und Vergünstigungssystem (Allowances), das es insbesondere den oberen Rängen der Staatsdiener erlaubt, für die Teilnahme an Seminaren, Sitzungen und für Dienstreisen großzügige Allowances zu kassieren. Der besondere Pfiff daran: Es ist völlig legal. Dabei handelt es sich durchaus nicht um "peanuts", sondern der findige Staatsdiener kann damit sein Gehalt vervielfachen und richtig reich werden. Während Korruption schwierig zu bekämpfen ist, hätte es die tansanische Regierung in der Hand, dieses System in relativer kurzer Zeit zu stoppen oder grundlegend zu reformieren. Doch diese zentrale Reformkomponente wird seit vielen Jahren konsequent verzögert.


Der unschuldige Betrug

Diese legale Selbstbereicherung führt zu einem erheblichen Aderlass für die Staatsfinanzen. Nach einer Studie der in Daressalam ansässigen Nichtregierungsorganisation Policy Forum vom September 2009 haben sich die Ausgaben für Allowances vom Haushaltsjahr 2001/02 bis 2006/07 verdreifacht. Für 2009/10 hat die tansanische Regierung 560 Mrd. Tansanische Shilling (TShs oder umgerechnet 390 Mill. US-Dollar) für Allowances bereitgestellt. Diese Summe entspricht dem Grundgehalt von 109.000 Lehrern oder zwei Dritteln aller Lehrer an tansanischen Schulen. Die Ausgaben für die Allowances betragen 59 Prozent der gesamten Gehalts- und Lohnkosten des öffentlichen Sektors.

Besonders bedacht werden die Beamten in Daressalam: 70 Prozent der Summe geht an die Beamten in den Ministerien und in den zentralen Behörden, nur 30 Prozent an die weit höhere Zahl an die Mitarbeiter auf Distrikt- und kommunaler Ebene. Doch auch innerhalb der Daressalamer Beamtenschaft gibt es eine Schieflage: Allein das Präsidentenbüro und das Kabinett-Sekretariat erhalten mit 149 Mrd. TShs rund ein Drittel der Gesamtsumme. Die globale Finanzkrise mit ihren negativen Auswirkungen für das Land konnte den Geldsegen nicht stoppen: Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Zulagen in 2009/10 für die zehn der am meisten bedachten Institutionen von rund 185 Millionen auf 280 Millionen US-Dollar. Doch da dieses Allowance-System sehr intransparent ist, sind diese Zahlen eher als Schätzungen zu betrachten.

Kenia ist nicht gerade berühmt für gute Regierungsführung. Deshalb ist der Kommentar eines kenianischen Seminarteilnehmers besonders bemerkenswert: "Mir wurde gesagt, dass die tansanischen Teilnehmer an dem Seminar eine Zulage bekommen, einfach nur für ihre Anwesenheit. So etwas kennen wir in Kenia nicht." Besonders lukrativ werden die Allowances dann, wenn Übernachtung und Mahlzeiten von der einladenden Organisation übernommen werden.

Die Zulagen sind hierarchisch gestaffelt. So erhält ein Direktor beispielsweise für eine Dienstreise in eine Stadt einen Tagessatz von 62 US-Dollar, während ein Mitarbeiter auf niedrigerer Ebene nur 32 US-Dollar bekommt. Reisen ins Ausland sind besonders attraktiv. Ein Direktor erhält dafür einen Tagessatz von 420 US-Dollar, während ein Beamter auf einer Stufe niedriger immerhin noch 310 US-Dollar pro Tag erhält.

Überhaupt profitieren die oberen Chargen, die Permanent Secretaries und die Direktoren, am meisten von den Allowances. Die üppigen Reisekostenpauschalen fördern die Reiselust der tansanischen Beamten. Tansania gehört zu den Ländern, die bei internationalen Konferenzen durch große Delegationen auffallen. Die oben zitierte Studie des Policy Forums stellt das Beispiel eines IWF- und Weltbank-Meetings in der Türkei im Oktober 2009 dar. Die Delegationen aus den ostafrikanischen Ländern waren daran mit den folgenden Teilnehmerzahlen beteiligt: Ruanda 5; Burundi 5, Uganda 7; Kenia 9; Tansania 25.

Ende 2009 unternahm die Ministerin für Natur und Tourismus, Shamsa Mwangunga, einen Vorstoß zur Eindämmung der ausufernden Dienstreisen. In einem Erlass verbot sie ihren Beamten Auslandsreisen, wenn sie nicht unmittelbar dienstlich begründet seien. Es sei beobachtet worden, dass Beschäftigte diese zum Vergnügen und zum Einkaufen nutzten. Sollte dieses Verbot befolgt werden, wäre dies der erste Versuch eines Ministers, diesen verschwenderischen Praktiken zu Lasten der Qualität des öffentlichen Dienstes, von Bildung und Gesundheit Einhalt zu gebieten.

Verständlich der Unmut der ausländischen Entwicklungsexperten, der etwa in der Aussage des Direktors einer deutschen Entwicklungsorganisation zum Ausdruck kommt: "Wissen Sie, wenn ich nach Deutschland fliege, kann ich in meiner Reisekostenabrechnung einen Tagessatz von 46 Euro ansetzen. Mein tansanischer Kollege sitzt in der Business-Class und bekommt einen Tagessatz von 300 US-Dollar. Und wenn wir das bei den Development-Partners-Besprechungen kritisieren, wird uns gesagt, das entspräche den Richtlinien der tansanischen Regierung, die wir zu akzeptieren hätten."

Auch ausländische Geberorganisationen und Consulting-Firmen vergeben an Beamte Ausbildungs- und Sitzungs-Allowances. Sonst laufen sie Gefahr, keine Teilnehmer für ihre Maßnahmen zu bekommen. Dabei führt die Konkurrenz unter den Organisationen tendenziell dazu, dass nicht die sinnvollsten Maßnahmen Priorität erfahren, sondern für welche die höchsten Zulagen bezahlt werden. "In unserem Seminar zahlen wir ein Tagegeld von 20 Dollar." Ein nachdenklicher Blick des Kollegen der anderen Organisation, der gerade ein Seminar im IT-Bereich leitet: "Wir zahlen 50 Dollar. Aber wir haben auch wirklich die guten Leute von den entscheidenden Stellen." Es ist an der Zeit, dass sich alle Entwicklungsorganisation im Lande darauf verständigen, in Zukunft keine Allowances mehr an staatliche Mitarbeiter zu bezahlen. Dies wäre ein wichtiges Signal an die Regierung, diese unsinnige Praxis endlich einzustellen.


Unnötige Sitzungen und Verzögerungen

Würde die gegenwärtige Praxis der Allowances eingestellt oder zumindest auf ein angemessenes Niveau reduziert, würden Mittel für die notwendigen staatlichen Aufgaben frei werden. Allerdings würden die Personalkosten des öffentlichen Dienstes nicht in gleichem Umfang sinken, denn notwendigerweise müssten die Grundgehälter angehoben werden.

Doch nicht nur, dass dieses Allowance-System die Staatskasse belastet, sondern es setzt auch falsche Anreize und beeinträchtigt damit die bereits jetzt schon geringe Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Jede Maßnahme wird durch eine ganze Zahl an Workshops vorbereitet und begleitet und damit verzögert. Der rational handelnde Beamte wird lieber für seine Präsenz in einem Seminar im Fünf-Sterne-Hotel eine großzügige Sitting-Allowance kassieren, als in seinem Büro mühsame Umsetzungsarbeit erledigen. Denn dafür bekommt er keine Zulage.

Selbst aus Parlamentskreisen kommt Kritik. So berichtet die Daily News am 6. Februar 2010, dass die Abgeordnete Gertrude Mongella die Regierung aufforderte, die Zahl Seminare und Workshops zu reduzieren. Bemerkenswerterweise gehört auch Premierminister Mizingo Pinda zu den Kritikern dieser Inflation an Reisen, Seminaren und Workshops.

Die Allowances haben dazu beigetragen, dass die größten Entwicklungserfolge der letzten Jahre beim Bau neuer Hotels und Konferenzzentren zu verzeichnen sind. In den Luxushotels der Stadt finden fast täglich hochrangige Konferenzen meist mit internationaler Beteiligung zu allen möglichen Themen statt. Mal ist es HIV/Aids, mal Industrie, mal Landwirtschaft, mal Kultur, IT, Export, Energie.

Ausländische Geberorganisationen sind an dieser Inflation an Symposien, Konferenzen und Seminaren nicht unschuldig. Auch die Wissenschaftler, Politiker und Entwicklungsexperten aus Europa und Nordamerika wollen sich auf internationaler Ebene profilieren. Derartige Veranstaltungen können nützlich sein. Wenn jedoch die Konferenzen vorwiegend veranstaltet werden, um den ausländischen Teilnehmern eine Auslandsreise und den tansanischen Teilnehmern üppige Allowances zu ermöglichen, ist das bedenklich. Bemerkenswert auch der Hotelbau-Boom im 70 km von Daressalam entfernten Bagamoyo. Fast alle der dortigen Hotels bieten nicht nur Unterkunft, sondern auch Tagungsmöglichkeiten. Und warum so weit außerhalb von Daressalam? Ganz einfach, weil gemäß den geltenden Bestimmungen die Allowances außerhalb des Dienstorts Daressalam höher sind bzw. überhaupt erst dann bezahlt werden dürfen.


Die Parlamentarier sind selbst Nutznießer

Das tansanische Parlament hätte die Möglichkeit, dem ausufernden Allowance-System einen Riegel vorzuschieben. Zwar hört man gelegentlich kritische Stimmen aus den Reihen der Parlamentarier, aber energische Vorstöße fehlen. Denn auch sie profitieren vom Zulagensystem. Viele MPs kommen aus dem Staatsapparat und sind mit ihm verflochten. Nicht alle Mitglieder des Parlaments nehmen es selbst mit den bisherigen großzügigen Regelungen ernst. So wurden in jüngerer Vergangenheit einige Parlamentarier beschuldigt, für ihre Teilnahme an Meetings doppelt zu kassieren. Zusätzlich zu den Tagegeldern, die ihnen als MPs zustanden, hatten sie für den gleichen Zweck weitere Allowances in Höhe von etwa 150 US-Dollar von privaten und staatlichen Organisationen in Anspruch genommen. Als das Prevention and Control of Corruption Bureau (PCCB) diese Praxis untersuchen wollte, reagierte der Sprecher des Hauses Samuel Sitta darauf mit der Bemerkung, dies sei Ausdruck traditioneller tansanischer Gastfreundschaft und verbat eine weitere Untersuchung.

Die Medien beginnen sich in Tansania erst ganz langsam als vierte Macht im Staat zu etablieren. Doch bei der Berichterstattung über die Korruptionsfälle in der jüngeren Vergangenheit haben sie bereits eine bedeutende Rolle gespielt. Die Zeitungen berichten sehr kritisch über Missstände in Staat und Regierung. Zwar stehen dabei die Korruptionsskandale im Kreuzfeuer der Kritik, allerdings mehren sich die Berichte und Kommentare über die Allowance-Praxis.

Bemerkenswerterweise wird auch in der staatlichen Tageszeitung Daily News sowohl über Korruptionsvorfälle als auch über den Missbrauch mit den Allowances sehr kritisch berichtet. Allerdings existiert ein umfassendes Zeitungsangebot nur in Daressalam und in den größeren Städten, während auf dem Lande das stärker staatlich kontrollierte Radio oft die einzige Informationsquelle ist. Beim Wahlkampf zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Herbst wird das Allowance-System vermutlich keine große Rolle spielen.

Wenn der einfache Tansanier von dem Umfang der Allowances erfährt, ärgert er sich. Doch sein nächster Gedanke ist, dass er auch an solche Pfründe ran will. So berichten Entwicklungsorganisationen, dass die Projektarbeit in den Dörfern zusehends schwieriger wird, weil die Leute für die Teilnahme an Seminaren und Meetings Sitzungsgelder fordern.


Die verzögerte Gehaltsstrukturreform

Mit Unterstützung der Weltbank und anderer Geber läuft in Tansania schon seit Jahren das Programm zur Reform der staatlichen Verwaltung, das Public Sector Reform Program (PSRP). Angesichts der aufgewendeten Mittel in Hunderten von Millionen US-Dollar sind die Fortschritte hinsichtlich besserer Dienstleistungen, höherer Effektivität und Effizienz der Arbeitsabläufe bescheiden. Eine Ursache: Die am Reformprozess beteiligten Beamten sind an organisatorischen Verbesserungen wenig, an den begleitenden Seminaren aber viel interessiert - aus den erwähnten Gründen. So wird die übergeordnete Zielsetzung des Reformprogramms konterkariert.

Die Gehaltsstrukturreform als eine zentrale Komponente hat das Ziel, die Allowances zu reduzieren und dafür die Grundgehälter anzuheben. Bisher wurde damit noch nicht mal begonnen.

Im Februar 2010 meldet sich die Weltbank in dieser Sache öffentlich zu Wort. Ihr Vertreter in Tansania fordert die Regierung auf, das Ausufern der Allowances zu begrenzen und mehr Mittel im Sinne der Nationalen Strategie für Wachstum und Armutsbekämpfung (NSGRP) einzusetzen. Insbesondere sollten die Allowances für Besprechungen und Trainings reduziert werden. Kritisiert wird auch die Schieflage, dass der Großteil dieser Zuwendungen vorwiegend den Beamten in Daressalam zugute kommt und nur ein geringer Teil für die in den Distrikten.

Zweifellos ist eine Reform des Gehaltssystems im öffentlichen Dienst ein schwieriges und auch in anderen Ländern ein langwieriges Unterfangen. Allerdings ist es schon erstaunlich, dass es im öffentlichen Sektor in Tansania über Jahre hinweg überhaupt keine Fortschritte gibt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die höheren Beamten als Hauptnutznießer der bisherigen Praktiken diese Reform absichtlich verzögern. Denn für sie bringt das System nicht nur Geld, sondern hat den weiteren Vorteil, dass sie sich damit von ihren Untergebenen Wohlverhalten und Loyalität erkaufen können. Mit dem Wegfall der Allowances würden sie diese Machtposition verlieren.

Bei großen Korruptionsfällen zögern die Geber nicht, Sanktionen anzudrohen. Als bei der Bank of Tanzania 2008 vom so genannten External Payment Arrears Account über 100 Mio. US-Dollar verschwanden, drohten die vierzehn Geber, die allgemeine Haushaltszuschüsse leisten, ihre schon für das Haushaltsjahr zugesagten Gelder in Höhe von umgerechnet 677 Mio. US-Dollar zurück zu halten. Sie verlangten von der Regierung eine ernsthafte Antwort, wie Sie mit diesem Diebstahl öffentlicher Gelder umzugehen gedenke. Der Niederländer Pieter Dorst, Vorsitzender der Development Partners Group, sagte Ende 2009 im jährlichen Policy Meeting, dass es den Partnerorganisationen zunehmend schwer fällt, das hohe Maß an Zuschüssen aufrecht zu erhalten, wenn die Sorge um Korruption zunimmt. Die Menschen in Tansania verdienten das Vertrauen, dass die Ressourcen des Landes zur Steigerung der Wohlfahrt verwendet werden und nicht durch Korruption verloren gehen.

Zwar beklagen die internationalen Geber in ihren Berichten, dass die Allowance-Praktiken die produktive Arbeit im öffentlichen Dienst behindern. Doch der ausbleibende Fortschritt bei der so wichtigen Gehaltsstrukturreform wird von den Gebern weitgehend toleriert. Im Zentrum der Geberkritik stehen die Korruptionsfälle und nicht das Allowance-System.


Geber finanzieren Haushalt

Der tansanische Haushalt wird im Haushaltsjahr 2009/10 (Juli 2009-Juni 2010) mit einem Gesamtvolumen von rund 9.513 Milliarden TShs (rund 4,5 Mrd. Euro) zu einem Drittel durch bi- und multilaterale Geber finanziert. Während die Steuereinnahmen im Haushaltsjahr 2008/09 noch 60 Prozent des tansanischen Budgets finanzierten, sind es in 2009/10 nur noch 55 Prozent. Die gesamte ausländische Budgethilfe - bestehend aus allgemeinem Haushaltszuschuss, multilateraler Schuldenerleichterung und Basket and Project Funds - wird für das Jahr auf 3.182 Mrd. TShs (etwa 1,5 Mrd. Euro) geschätzt. Davon sind 2.090 Mrd. TShs Zuschüsse und 1.091 Mrd. TShs Kredite.

Da ein Drittel des tansanischen Haushalts vom 4,5 Mrd. US-Dollar geberfinanziert ist, haben die Geber die Berechtigung, good governance und zweckentsprechende Mittelverwendung einzufordern. Der kluge tansanische Beamte wird argumentieren: "Die Allowances werden nicht mit Entwicklungshilfegeldern, sondern aus eigenen Steuereinnahmen finanziert. Darüber entscheidet der tansanische Staat souverän."


Allowances verschärfen Kluft zwischen Arm und Reich

Die Vergünstigungen und Zulagen von rund einer halben Milliarde US-Dollar werden sichtbar. Besonders ins Auge fallen die zahlreichen Regierungsfahrzeuge auf den Straßen in Daressalam, häufig klimatisierte großräumige Geländewagen mit Stereoanlage und weißen Lederbezügen, natürlich mit Fahrer. "Solche benötigen wir", sagt der darauf angesprochene Direktor. "Denn unsere Straßen sind schlecht, nur mit diesen Fahrzeugen kommen wir überall durch." Dabei fällt auf, dass die meisten dieser Luxuskarossen die Stadt nur selten verlassen, und die klapprigen Taxis auch die schlechten Straßenabschnitte bewältigen können. Nein, es geht den Beamten um Prestige und Status. Ein Luxus, den sich eines der ärmsten Länder dieser Welt angesichts der dringenden anderweitigen Aufgaben nicht leisten kann. Jeder erfahrene Taxifahrer kann die Wohnviertel zeigen, in denen die hohen Beamten ihre Wohnhäuser haben. Den mondänen Häusern ist allerdings nicht anzusehen, ob sie durch legale Geschäfte, Korruption oder Allowances finanziert wurden.

Der Reichtum konzentriert sich in den wenigen Städten, zu allererst in Daressalam. Doch selbst dort leben Millionen Menschen am Existenzminimum. Bittere Armut und opulenter Reichtum koexistieren in Tansania friedlich Seite an Seite - noch. Die Allowances verschärfen die Kluft zwischen Arm und Reich. Wenn diese Kluft weiterhin zunimmt und es der Staatsbürokratie nicht gelingt, ihre fundamentalen Aufgaben zu erfüllen, läuft sie langfristig Gefahr, nicht nur ihre Legitimation in der Bevölkerung, sondern auch das Vertrauen der internationalen Geber zu verlieren.


Der Autor ist Entwicklungsökonom und war mehrere Jahre in Tansania sowie Botswana beruflich tätig. Er wohnt in Remagen.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 2, April / Mai / Juni 2010, S. 33 - 35
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2010