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AFRIKA/839: Südafrika - Nachwuchsförderung à la ANC (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, April / Mai / Juni 2010

Nachwuchsförderung à la ANC
Julius Malemas laute Öffentlichkeitsarbeit

Von Ringo Raupach


Jacob Zuma hat es schwer in diesen Tagen. Beim amtierenden südafrikanischen Präsidenten muss es schon eine neue Hochzeit, eine Verlobung oder mal wieder ein außereheliches Kind sein, um Schlagzeilen zu machen. Julius Malema, Präsident der ANC-Jugendliga ANCYL, muss dafür nur den Mund auftun. Dann entschlüpft ihm wahlweise ein etwas zu stark geratenes politisches Statement (man sei bereit, "für Jacob Zuma zu töten", eines seiner bekanntesten, verkündete er 2008 nach seiner Wahl zum ANCYL-Präsidenten), die Beschimpfung eines ihm nicht genehmen Journalisten, oder aber er beschäftigt nicht nur die Zeitungen, sondern gleich das Verfassungsgericht, was passieren kann, wenn der 1981 Geborene sich wehmütig der Zeiten des Antiapartheidkampfes entsinnt und alte Kampflieder intoniert.

Nicht, dass daran prinzipiell etwas Falsches wäre. 16 Jahre nach dem Ende der letzten weißen Regierung und unter dem vierten ANC-Präsidenten ist Südafrika in vielen Bereichen noch weit davon entfernt, die Ziele der Kämpfer gegen die Apartheid erreicht zu haben. Die politische Macht liegt beim ANC, gewiss, und auch an der Wirtschaftsspitze des Landes fassen immer mehr Schwarze Fuß (siehe nachfolgenden Kommentar von Zackie Ahmat). Doch wer durch das Land reist, kann mancherorts noch leicht die alten Homelandgrenzen erahnen: einigermaßen ergiebiges Weideland auf der einen, Bodenerosion und übergroße Viehbestände auf der anderen Seite der nicht mehr existierenden Grenze.


Der die Hassrede pflegt

Julius Malema hat daraus seine eigenen Schlüsse gezogen. 2008 zum Präsidenten der ANCYL gewählt, machte er in der Zeit danach das Lied "Shoot the boer" zu einem seiner Markenzeichen. Dass die Mörder von Eugène Terre'Blanche, des alt gewordenen Führers der Afrikaner Weerstandsbeweging (AWB), sich Malemas Kampflied zu eigen gemacht haben könnten, als sie ihn wegen Lohnstreitigkeiten auf seiner Farm erschlugen, ist eine unbewiesene Behauptung und mehr als nur leicht übertrieben. Aber dennoch: Wer "Shoot the boer" singend durch die Straßen zieht und dies als Teil eines politischen Kampfes begreift, muss damit rechnen, dass ein Zusammenhang zu den Morden an 3000 weißen Farmern und ihren Angehörigen im Postapartheid-Südafrika hergestellt wird. Dem Zusammenhalt zwischen den Bevölkerungsgruppen dient Malema damit nicht.

So war es ein Zeichen der politischen Vernunft, als das Verfassungsgericht, das die Einhaltung einer der liberalsten Verfassungen der Welt überwacht, Malema im März bescheinigte, sich der Hassrede schuldig zu machen. Akzeptiert wurde dieses Urteil damals jedoch weder von Malema noch von der ANCYL, die Berufung ein legte.

Überhaupt die Musik: "Shoot the boer" der eine; "Bring me my machine gun" der andere: Jacob Zuma, Malemas Mentor, sang das Lied bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit in seinem Wahlkampf, an dessen Ende er das Amt des Staatspräsidenten errang. Beides, Zumas Griff nach der Macht und Malemas Aufstieg, fällt in die gleiche Zeit. Während Zuma, durch Betrugs- und Korruptionsvorwürfe und eine Anklage wegen Vergewaltigung eben noch am Boden liegend, alle Gerichtsverfahren von sich abschüttelte, seinen Vorgänger als ANC-Präsidenten, Thabo Mbeki, wegmobbte und erst den Parteivorsitz und dann das Präsidentenamt an sich riss, ging auch der Stern des Julius Malema auf.

Bis zu seiner Wahl zum ANCYL-Präsidenten im April 2008 war er vor allem in seiner Heimatprovinz Limpopo in Erscheinung getreten. 1981 wurde er dort im Township Masakeng Zone 1 in Seshogo geboren. Sein Vater hielt sich anderswo auf. So waren es seine Mutter, die als Hausangestellte arbeitete, und seine Großmutter, die ihn aufzogen. Mit neun Jahren soll er von zu Hause fortgerannt sein, um sich in einen Bus zu schleichen, der ANC-Mitglieder nach Johannesburg brachte. Das Ziel war es, Nelson Mandela zu sehen, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war. Mit 14 wurde er Vorsitzender der ANCYL in seiner Heimatstadt Seshogo. Mit 16 wurde er Präsident des Congress of South African Students (Cosas) in der Provinz Limpopo, und vier Jahre später wurde er zum nationalen Präsidenten dieser Organisation gewählt. Das Abitur schloss er erst mit 21 Jahren ab; stattdessen waren bereits seine jungen Jahre dem ANC gewidmet. Der Politik gab er den Vorrang vor allem anderen. Während südafrikanische Medien berichteten, er habe seinen Schulabschluss nur mit Ach und Krach bestanden, verpasste sich Malema selbst durch seine Statements einen antiintellektuellen, wenn nicht sogar bildungsfeindlichen Anstrich und feuerte beispielsweise gegen Thabo Mbekis "Intellektualismus". Im Gegensatz dazu erklärte er seine Bewunderung für Jacob Zuma, der zwar keine nennenswerte formale Bildung genossen habe, aber dafür durch sein eigenes Volk gebildet worden sei.

Als er schließlich 2008 die nationale politische Bühne betrat und in Bloemfontein zum Präsidenten der ANCYL gewählt wurde, war dies eine denkwürdige Veranstaltung. Delegierte, die seine Kandidatur unterstützten, erschienen betrunken, unterbrachen die Redebeiträge anderer und stellten sicher, dass keine richtige Diskussion zustande kam. Die Konferenz endete schließlich im Tumult und wurde vertagt, doch Malema setzte sich vorher noch in der Wahl zum ANCYL-Präsidenten durch. Die Bestechungsvorwürfe, denen er sich nach der Wahl ausgesetzt sah, verhinderten nicht, dass seine politische Karriere im Anschluss an die Konferenz durchstartete.


Simbabwe als Vorbild

Zuma und Malema bildeten von da an ein kongeniales Paar im Wahlkampf um das Präsidentenamt: Hier der populäre ANC-Präsident Zuma, Hoffnungsträger der Armen, dabei hinreichend vage in seinen Äußerungen, um keine Angst vor einer tatsächlichen Kehrtwende nach links aufkommen zu lassen. An seiner Seite der junge Malema, Verfechter einer Politik der Nationalisierung, der Simbabwe als Vorbild preist. Widersprüche gehörten dabei von Anfang an dazu: So passt sein eher unbedeutendes Amt nicht annähernd zu der Aufmerksamkeit, die er in den südafrikanischen Medien mit seinen Statements erregt. Allerdings sichert es ihm auch den Zugriff auf loyale Fußtruppen. Mit seinem äußeren Erscheinen, gern mit Designerkleidung und schnellen Autos, fügt er sich gut in das Bild der nationalen ANC-Riege. Dafür passt es weniger gut zu seinen erklärtermaßen linken Aussagen.

Seine Ausfälle sind dabei Legion: Ein Vorfall im Luthuli-Haus, der ANC-Zentrale in Johannesburg, brachte ihn schließlich auch international in die Schlagzeilen. Ein Reporter der britischen BBC brachte Malema so in Rage, dass er dessen Rausschmiss aus einer Pressekonferenz verkündete. Malema berichtete gerade nach seiner Rückkehr von einer Simbabwe-Reise der ANCYL von den Erfolgen der Politik Mugabes und der hoffnungsvollen Zukunft des Landes. Während er die Politiker des ehemals oppositionellen, jetzt mit Mugabe in einer Koalitionsregierung verbundenen Movement for Democratic Change (MDC) beschimpfte, statt beim simbabwischen Volk zu sein, ihrer Arbeit vom reichen südafrikanischen Sandton aus nachzugehen, unterbrach ihn der Journalist mit der Bemerkung: "Aber Sie selbst leben in Sandton". Malema unterbrach daraufhin seine Rede, nannte den Reporter einen "Bastard" und "Agenten" und wies schließlich den Sicherheitsdienst an, den Reporter aus dem Saal zu entfernen. Keiner der anwesenden Journalisten schloss sich dem BBC-Reporter an, als dieser die Pressekonferenz verlassen musste.

Mit seinen Maßlosigkeiten ist julius Malema fast täglich eine Meldung in den lokalen Medien wert. Wenn er die Nationalisierung des Bergbausektors fordert oder begeistert von einer Venezuela-Reise zurückkommt, weckt er unzweifelhaft Hoffnungen bei Benachteiligten, die sich von ihm eine dezidiert an den sozialen Bedürfnissen orientierte Politik erhoffen, die nicht vor Märkten und Unternehmen kniet. Solange dies gut geht, lenkt er damit auch von Zumas Politik als Staatspräsident ab, die bislang kaum Unterschiede zu der seiner Vorgänger aufweist. Doch ist Malema ein Werkzeug Zumas oder hat er das Potenzial, Zuma und den ANC eines Tages selbst vor sich her zu treiben? Malema fällt auf durch seine Statements. Dass sich diese bislang in praktische Politik übersetzt hätten, ist nicht bekannt. Er mag die politischen Hoffnungen von Teilen der Regierungskoalition verkörpern, politisch einflussreich ist er gegenwärtig nicht.


Wird sich Malema ausbremsen lassen?

Beeinflusst er durch seine Medienpräsenz die politische Kultur Südafrikas? Eher findet sie in Malema ihren gewandelten Ausdruck. Krawall und Lagerbildung, Malemas Stilmittel in der politischen Diskussion, sind keine Alleinstellungsmerkmale des ANCYL-Führers. Sie ersticken bei Treffen der Parteigliederungen des ANC immer häufiger die offene Debatte. Malema, der, bei spärlich eingesetzter Mimik und Gestik, kaum die Stimme erhebt, wenn er zu seinen Tiraden ansetzt, steckt mit seinem Auftreten seine Anhänger an, das sichert ihm seine Basis.

Er mag in manchen seiner Äußerungen den Parteilinken nahe stehen zu scheinen, doch sein Auftreten erinnert an jene ANC-Provinzführer in vielen ländlichen Regionen und Townships, die sich längst mehr an der Sicherung von Macht und Einfluss orientieren, der Verteilung politischer und finanzieller Privilegien, als Politik für das eigene Wahlvolk zu betreiben. Während für viele Berufsfunktionäre antikapitalistische Forderungen jedoch vor allem ein Mittel zu sein scheinen, um die eigene Basis zu sichern (was Repressionen gegen protestierende Arme durchaus einschließen kann), bringt Malema dem Weg, den Robert Mugabe in Simbabwe beschritten hat, offene Bewunderung entgegen. Unter den jungen ANC-Politikern, die kaum bewusst die Apartheidszeit erlebt haben, ist Malema zweifellos derjenige, der am deutlichsten wahrgenommen wird. Ob er repräsentativ ist für diese Generation oder auch nur für den Teil dieser Generation, der politisch aktiv ist, muss die Zukunft zeigen.

Während Zumas Macht im ANC, nach gerade einem Jahr im Staatspräsidentenamt, schon wieder zu bröckeln scheint, wird es insbesondere interessant werden zu sehen, wie sich Malema von seinem Mentor in Zukunft wird emanzipieren können.

Zunächst einmal gilt es für ihn jedoch, die Gegenwart zu überstehen. Seine Machtbasis in der ANCYL ist nicht ungefährdet, seitdem seine Gegner sich neu formieren.

Auch Jacob Zuma sah sich schließlich gezwungen, einige von Malemas Äußerungen als der Kultur des ANC "völlig fremd" zu bezeichnen. Malemas Simbabwe-Begeisterung wich schließlich zu weit selbst von der konzilianten Regierungspolitik gegenüber dem Nachbarland ab. Als sichtbares Zeichen nach außen leitete die Partei auch ein Disziplinarverfahren ein. Spekulationen über einen Karriereknick der Nachwuchshoffnung, ja sogar über einen Parteiausschluss, wurden laut. Doch am Ende wurde die Angelegenheit diskreter gelöst. Keine Berichte über den Ausgang des Verfahrens gelangten nach draußen. Malema wird weiter kämpfen.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 2, April / Mai / Juni 2010, S. 10 - 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2010