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AFRIKA/1439: Tauziehen um eine dritte Amtszeit für Sambias Präsident Lungu (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2018

Lex Lungu
Tauziehen um eine dritte Amtszeit für Sambias Präsident Lungu

von Peter Meyns


Streit um die Verlängerung der Amtszeiten von afrikanischen Präsidenten, auch wenn Verfassungsregelungen dem entgegenstehen, sind verbreitet. Länder wie Burundi, Ruanda oder Uganda sind Beispiele dafür. Im südlichen Afrika gibt es auch positive Erfahrungen, so in Botswana, Mosambik oder Tansania, wo die Begrenzung von Amtszeiten eingehalten wurde. Auch in Sambia konnte 2001 der Versuch des damaligen Präsidenten Frederick Chiluba, seine Amtszeit zu verlängern, durch den Widerstand seiner eigenen Partei, zivilgesellschaftlicher Kräfte und der internationalen Gemeinschaft verhindert werden. 2017 entbrannte erneut ein Streit über das Bestreben des amtierenden Präsidenten Edgar Lungu, 2021 für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, der Anfang Dezember 2018 vom Verfassungsgericht zugunsten von Lungu entschieden wurde.

Bereits im Januar 2017, nur wenige Monate nachdem er seine zweite Amtszeit angetreten hatte, hat Lungu erklärt, dass er 2021 erneut kandidieren wolle, wenn ihn seine Partei, die Patriotic Front (PF), vorschlagen würde, und dass er dazu berechtigt sei. Er fügte hinzu, wer Zweifel daran habe, könne ja das Verfassungsgericht anrufen. Genau das taten die Vertreter von vier kleinen, politisch unbedeutenden, aber als PF-nah geltenden Parteien postwendend mit dem Ziel, Lungus Berechtigung, erneut zu kandidieren, feststellen zu lassen. Ihre - und auch Lungus - Zuversicht schien angesichts der Tatsache, dass das Verfassungsgericht erst kurz zuvor die Beschwerde des Oppositionskandidaten gegen Lungus Wahl im August 2016 in einem höchst umstrittenen Urteil ohne Anhörung in der Sache abgewiesen hatte, durchaus begründet zu sein.


Komplexe Verfassungslage

Obwohl die Verfassung Sambias festlegt, dass, wer zweimal das Amt des Präsidenten innegehabt hat, nicht erneut gewählt werden kann, argumentierte Lungu, dass seine erste Amtszeit, die er nach der Wahl nach dem vorzeitigen Tod seines Vorgängers Sata angetreten hat, nur 18 Monate gedauert habe und daher nicht zählen würde. Er berief sich dabei auf einen Passus in der Verfassung, der besagt, dass die Amtszeit eines Präsidenten, der weniger als drei Jahre das Amt innegehabt hat, nicht als Amtszeit zählt.

Was als eindeutige Regelung erscheint, ist es jedoch nicht, denn Sambia hat Anfang 2016 eine Verfassungsreform in Kraft gesetzt. Infolgedessen wurde Lungu 2015 nach der seit 1996 gültigen Verfassung gewählt und 2016 nach der reformierten Verfassung (Constitution of Zambia (Amendment) Act No. 2 of 2016), die wesentliche Unterschiede zur alten Verfassung aufweist.

Übereinstimmend schließen beide Verfassungen die Wahl eines Staatspräsidenten zu einer dritten Amtszeit aus. Verschieden sind jedoch die Regelungen, wenn ein Präsident während seiner Amtszeit stirbt. Nach der Verfassung von 1996 musste eine Nachwahl durchgeführt werden. Eine Regelung bezüglich der Dauer der Amtszeit des neuen Präsidenten bis zum Ende der regulären Wahlperiode gab es nicht. Danach gilt die Wahl Lungus von 2015 als seine erste Amtszeit als Präsident.

Anders als nach der alten Verfassung wird nach der reformierten Verfassung der Vize-Präsident zusammen mit dem Präsidenten gewählt (wie in den USA). Stirbt der Präsident während seiner Amtszeit, tritt der Vize-Präsident, der ja bereits gewählt wurde, unmittelbar die Nachfolge an. Für den Fall, dass der Vize-Präsident das Amt nicht antreten kann, wird eine Nachwahl durchgeführt. Für diese beiden Fälle ist der Passus in der reformierten Verfassung, auf die sich Lungu berief, vorgesehen, nach der eine Laufzeit von unter drei Jahren einer durch diese Umstände zustande gekommenen Amtsübernahme nicht als Amtszeit gilt.

Ob dieser Passus, der auf den Fall einer automatischen Amtsübernahme durch den Vize-Präsidenten zugeschnitten ist, rückwirkend auf die erste Wahl von Lungu unter den Voraussetzungen der alten Verfassung übertragen werden kann, darüber hatte das Verfassungsgericht zu befinden. Es ließ sich dabei viel Zeit.

Im Mai 2018 hielt das Verfassungsgericht eine Anhörung ab, bei der die Anwälte der beteiligten Parteien ihre Argumente vortrugen. Wohl wissend, dass die Regelung der reformierten Verfassung auf die erste Amtszeit von Lungu nicht anwendbar ist, argumentierten die Vertreter der Kläger, dass der entsprechende Passus (Art. 106) der Verfassung "absurd, unfair und eine Diskriminierung von Herrn Lungu ist, da er seine Umstände außer Acht lässt" (Times of Zambia, 8.5.2018). Dem hielt der Anwalt der "Law Association of Zambia", der gegen eine dritte Amtszeit für Lungu plädierte, entgegen, dass die Argumentation der Befürworter moralisch sei "und nicht auf dem Gesetz beruhe". Die Verfassung gelte für jeden, auch Lungu könne sich nicht darüber hinwegsetzen. Nach der Anhörung zog sich das Gericht zur Beratung zurück und gab erst Monate später den 7. Dezember als Tag der Urteilsverkündung bekannt.


Lungu droht dem Verfassungsgericht

Der Verlauf der Anhörung legte nahe, dass die Befürworter einer dritten Amtszeit für Lungu vom Verfassungsgericht ein politisches Urteil erwarteten. Bereits nach dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts zugunsten von Lungu zur Wahlbeschwerde des Oppositionskandidaten hatte der angesehene sambische Verfassungsrechtler Muna Ndulo von einer "schädlichen Politisierung des Rechtssystems" gesprochen (afrika süd, 5/2017).

Unterdessen betrieb Lungu seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit weiter, ungeachtet des schwebenden Verfahrens, ob er dazu berechtigt ist. Mitte 2017 nominierte ihn das Zentralkomitee seiner PF-Partei als ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2021. Diese Entscheidung muss von der Generalkonferenz der Partei bestätigt werden, das gilt aber als Formsache. Im November 2017 machte Lungu seine Entschlossenheit, an der Macht zu bleiben, in einer fragwürdigen Weise deutlich.

Aufgeschreckt durch das - über die Landesgrenzen hinaus begrüßte - Gerichtsurteil in Kenia, das die dortige Wahl des Staatspräsidenten wegen Unregelmäßigkeiten annulliert hatte, drohte er dem Verfassungsgericht in Sambia, sich an dem Beispiel zu orientieren und das Land, wie er sagte, "ins Chaos" zu stürzen. Der zu erwartenden Kritik an dieser Drohung des Gerichts versuchte er zu unterlaufen, indem er hinzufügte, er schüchtere seine Kollegen (Lungu ist selbst Jurist) in der Justiz nicht ein, warne sie bloß, weil er gehört habe, einige von ihnen seien abenteuerlustig. "Ihr Abenteuer sollte uns nicht ins Chaos stürzen." Damit machte er seine Intention nur noch deutlicher.

Die Kritik an Lungus Einschüchterung der Mitglieder des Verfassungsgerichts, die er selbst ernannt hat, bezog sich nicht auf das zu dem Zeitpunkt noch ausstehende Urteil des Gerichts, das Lungu beeinflussen wollte, sondern auf seine Missachtung der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gerichte. Muna Ndulo sah darin eine Verletzung des Amtseids, den der Staatspräsident auf die Verfassung geleistet hat, und einen weiteren Beweis für die "schleichende Diktatur" in Sambia. Der Politikwissenschaftler Sishuwa Sishuwa sprach von einem erneuten Ausdruck der Geringschätzung Lungus für die Rechtsstaatlichkeit, "insbesondere, wenn sie seinen persönlichen Ambitionen im Wege steht".


Machtpolitik und die Verfassung

Wenige Tage nach seinem Ausfall gegen das Verfassungsgericht versuchte Lungu, die Wogen zu glätten, indem er erklärte, er amtiere bis 2021 und werde dem Urteil des Gerichts folgen. Unverzüglich machte der Generalsekretär seiner PF-Partei klar, dass Lungu 2021 kandidieren werde, das habe die Partei so beschlossen. Einmal abgesehen von der erneuten Missachtung des Verfassungsgerichts, galt diese Klarstellung auch Mitgliedern der eigenen Partei, die selbst Ambitionen auf die Nachfolge von Lungu haben und von denen einige die Berechtigung Lungus, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, in Frage stellten. Um ihre Entschlossenheit zu bekunden, hat die PF-Partei in den letzten Monaten bereits Wahlplakate mit der Losung "Lungu 2021" drucken lassen.

Am 7. Dezember 2018 hat das Verfassungsgericht sein lange erwartetes Urteil gesprochen. Bemerkenswert war, dass die Vorsitzende des Gerichts noch vor der Urteilsverkündung sich gegen ungerechtfertigte Kritik am Gericht und seinen Richtern, um seine Entscheidungen zu beeinflussen, verwahrte. Sie drohte solchen Personen, das Gericht werde nicht zögern, sie wegen Missachtung der Justiz zu belangen. Die Absicht, die Unabhängigkeit des Gerichts zu bekräftigen und sein angeschlagenes Image wiederherzustellen, war deutlich erkennbar. Denn Präsident Lungu mit seiner Einschüchterung des Gerichts hätte zuerst belangt werden müssen. Die folgende Urteilsverkündung erfüllte dann - wenig überraschend - in vollem Umfang die Erwartung Lungus.

Das Verfassungsgericht verkündete, dass die erste Amtszeit von Lungu nicht als volle Amtszeit anzusehen sei, und bezog sich dabei auf die Regelungen der reformierten Verfassung. Die Unterschiede zwischen der Verfassung von 1996, nach der Lungu das erste Mal gewählt wurde, und der reformierten Verfassung überbrückte das Gericht mit juristischer Finesse. Es konstatierte, dass die reformierte Verfassung keine "ausdrückliche Übergangsregelung" für eine verkürzte Amtszeit des Präsidenten nach der alten Verfassung - also eine "Lex Lungu" - enthielt. Es sei daher die Aufgabe des Gerichts, diese Lücke zu schließen, indem es sich eine Meinung bilde, was die Intention des Parlaments war, als es die reformierte Verfassung verabschiedete. Das Gericht befand, es sei seine "feste Überzeugung", dass es nicht die Absicht des Parlaments war, die Frage einer verkürzten Amtszeit nicht zu regeln, und daher sei der Art. 106 der reformierten Verfassung analog anzuwenden. Da Lungus erste Amtszeit weniger als drei Jahre dauerte, zähle sie daher nicht als volle Amtszeit.

Das Urteil des Verfassungsgerichts kann nicht angefochten werden. Das Tauziehen um eine dritte Amtszeit für Lungu ist damit juristisch beendet. Der Anschein der Legalität wurde gewahrt mit einem politisch gefärbten Urteil. Die Anhänger Lungus, die am Tag der Urteilsverkündung mit lautstarker Drohgebärde vor das Gerichtsgebäude aufmarschiert waren, konnten jubelnd durch die Stadt marschieren. Lungu beeilte sich zu erklären, er stehe 2021 als PF-Kandidat zur Verfügung - als habe er nicht bereits zwei Jahre vorher seine Absicht bekannt gemacht. Er begrüßte zudem, dass das Urteil auch Klarheit für die Interessenten - auch aus seiner PF-Partei -, die frühzeitig ihre Ambitionen auf seine Nachfolge angemeldet hätten, gebracht habe - ohne zu erwähnen, dass er selbst den Machtkampf für die Wahl 2021 eröffnet hat.


Der Autor ist Professor i.R. für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2019

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