afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2017
Was für ein Zirkus!
Lesotho kommt nicht zur Ruhe
von Brigitte Reinhardt
Um ihre Machtambitionen zu untermauern, gründen Politiker neue Parteien. Zuletzt hat Monyane Moleleki die Alliance of Democrats ins Leben gerufen.
Monyane Moleleki tanzt verzückt zu den Gesängen seiner Anhänger. Eine
neue Partei ist geboren, die Alliance of Democrats (AD), die Farben
weiß, schwarz und rot, das Motto "Pele Fela" ("Immer vorwärts"), das
Symbol ein Baum, unter dem die Basotho Schutz finden. Ehemalige
Minister und mehrere Abgeordnete der Fraktion des Democratic Congress
(DC) haben sich angeschlossen. Die Begeisterung ist groß, besonders
unter jungen Leuten, Moleleki sieht sich als Freund der Jugend.
Seine politische Karriere begann Moleleki in der Basotho Congress Party (BCP) unter dem legendären Ntsu Mokhehle. Später schloss er sich der Abspaltung Lesotho Congress of Democrats (LCD) an und folgte Bethuel Pakalitha Mosisili 2012 in die erneute Abspaltung, den Democratic Congress (DC). Nun also Partei Nummer vier, diesmal seine eigene.
Parteispaltungen sind in Lesotho keine Seltenheit. Kaum eine der größeren Parteien bleibt davon verschont. Dabei geht es nicht um politische Positionen. Wer sich in seinem persönlichen Ehrgeiz nicht angemessen berücksichtigt fühlt, verlässt die Partei und gründet eine neue. Allein in den vergangenen Monaten sind drei weitere Parteien entstanden. Inzwischen gibt es in Lesotho 26 Parteien - und dies bei einer Bevölkerung von knapp zwei Millionen.
Monyane Moleleki ist einer der schillerndsten Politiker des Landes. Der 66-jährige war seit 1993 Minister in verschiedenen Regierungen. Er leitete die Ressorts Natürliche Ressourcen, Auswärtige Angelegenheiten und, ab 2015, Polizei und öffentliche Sicherheit. Im Rahmen einer Kabinettsumbildung im November 2016 wurde er zum Minister im Büro des Premierministers ernannt, eine untergeordnete Position, für ihn als einem der erfahrensten Politiker des Landes eine Degradierung. Sie ist Ausdruck einer politischen Abrechnung, die Quittung für seine Auseinandersetzungen mit Premierminister Mosisili im Democratic Congress und seine Annäherung an Tom Thabane und dessen Oppositionspartei All Basotho Convention (ABC). Kurz nach seiner Ernennung trat er zurück und verließ die Regierung.
Wiederholt hatte er beteuert, es sei nicht seine Absicht, den von ihm hochgeschätzten Pakalitha Mosisili zu stürzen, um selbst Premierminister zu werden. Mosisili solle sich jedoch von seinen korrupten Koalitionspartnern lösen und sich einer neuen Allianz zwischen DC und ABC anschließen. Andere kleine Parteien könnten dazu stoßen und daraus würde dann eine stabile "Regierung der Nationalen Einheit" entstehen.
Seine Beteuerungen waren jedoch wenig glaubwürdig. Für ihn als zweitem Vorsitzenden des DC war es bereits eine Erniedrigung, dass er nach den Wahlen 2015 nicht stellvertretender Premierminister in der Koalitionsregierung wurde, sondern Mothetjoa Metsing vom Lesotho Congress of Democrats. Moleleki ist persönlich davon überzeugt, einen Anspruch auf die Position des Premierministers zu haben. Dies zeigt sich auch in seiner Absprache mit Tom Thabane: Nach dem Sturz der Regierung durch ein Misstrauensvotum und der Machtübernahme durch die Allianz zwischen AD und ABC würden sich beide zeitlich den Posten des Premierministers teilen, 18 Monate Moleleki als Premier und Thabane als sein Stellvertreter, 18 Monate in umgekehrten Positionen. Damit hätten sie sich darüber hinaus für die Zeit danach das umfangreiche staatliche Versorgungspaket gesichert.
Im Fall eines Misstrauensvotums drohte Premierminister Mosisili mit der Ankündigung von Neuwahlen. Er kann davon ausgehen, dass manche Abgeordnete gegen das Votum stimmen werden, weil sie befürchten müssen, bei Neuwahlen ihre Posten und damit ihre Einkünfte zu verlieren - schließlich ist Politik in Lesotho für viele im Wesentlichen eine "einkommenschaffende Maßnahme".
Angesichts dieser Entwicklungen, die nicht zur Stabilisierung der Lage beitragen werden, hat sich selbst unter politisch interessierten Basotho Resignation breit gemacht. "Unsere Politiker sind machtgeil und nur an ihren eigenen materiellen Interessen orientiert", ist häufig zu hören. "Wenn es nicht so deprimierend wäre, könnte man über diesen Zirkus nur lachen."
Wiederholt gab es in der jüngeren Geschichte Lesothos Versuche, die Streitkräfte zu entpolitisieren und auf ihre Rolle in einer Demokratie einzuschwören. Dies ist jedoch bisher gründlich misslungen. Machtkämpfe innerhalb der Armee, persönliche Abrechnungen mit internen Gegnern, aber auch mit Politikern und Journalisten, haben in den vergangenen zwei Jahren zeitweilig zu einer äußerst angespannten Lage geführt. Soldaten wurden von anderen Soldaten entführt und misshandelt, um Informationen über eine angebliche Meuterei zu erpressen. Oppositionspolitiker und prominente Journalisten flohen über die Grenze nach Südafrika, weil sie auf Todeslisten standen. Thabiso Tosane, einer der Mitbegründer der All Basotho Convention (ABC) von Ex-Premier Thabane, wurde vor seinem Haus von einem Soldaten erschossen, ein Soldat, der Zeuge der Erschießung Maaparankoe Mahaos war, wurde ermordet. Der katholische Erzbischof Tlali Lerotholi, der für den Kirchenrat Lesothos mehrfach Krisengespräche moderiert hat, erhielt Todesdrohungen über Facebook.
Vorläufiger Höhepunkt war die Erschießung des ehemaligen Generalstabschefs Maaparankoe Mahao am 25. Juni 2015 durch Soldaten der Lesotho Defence Force (LDF). Wie von Regierungsseite verlautete, war es zu einem Schusswechsel gekommen, da Mahao sich seiner Verhaftung wegen angeblicher Meuterei widersetzte. Für die Gegner von Premierminister Mosisili war von vornherein klar, dass es Mord war, mit Mosisili als Auftraggeber.
Wie konnte es so weit kommen? Im August 2014 war der damalige Chef der Armee, Tlali Kamoli, von Premierminister Tom Thabane entlassen und durch Mahao ersetzt worden, angeblich weil er sich geweigert hatte, Soldaten, denen man Verbrechen zur Last legte, der Polizei zu übergeben. Zur Überwindung der damals bereits manifesten politischen Krise (vgl. afrika süd 2/15) wurden - nach intensiven Vermittlungsbemühungen Südafrikas - vorgezogene Wahlen für Februar 2015 festgesetzt, in deren Folge der frühere Regierungschef Pakalitha Mosisili erneut die Macht übernahm. Tlali Kamoli bekam seinen alten Posten zurück, Mahao musste gehen. Von da an hatten alle, die nicht zum Lager von Armeechef Kamoli gezählt wurden, schlechte Karten. Wie es hieß, hatte er gedroht, es allen, die seine Entlassung 2014 begrüßt hatten, heimzuzahlen.
Licht ins Dunkel sollte eine Untersuchungskommission der SADC, der Entwicklungsgemeinschaft im Südlichen Afrika, bringen, die auf Ersuchen von Premierminister Mosisili Ende August 2016 ihre Arbeit aufnahm. Sie bestand aus zwölf hochrangigen Militärs und Juristen aus verschiedenen SADC-Ländern, unter Vorsitz des botswanischen Richters Mpaphi Phumaphi. Ihr Auftrag war es, die Umstände zu untersuchen, die zum Tod von Brigadier Mahao geführt hatten.
Nach zweimonatigen schwierigen Verhandlungen und der Anhörung von 70 Zeugen aus Politik, Militär und Zivilgesellschaft legte die Kommission Anfang November 2016 ihren Bericht vor. Zu ihren Empfehlungen gehört die Aufforderung an die Regierung sicherzustellen, dass unverzüglich polizeiliche Ermittlungen eingeleitet werden, um die für den Tod Mahaos Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Darüber hinaus sollte Generalleutnant Kamoli, der als Drahtzieher der Machtkämpfe in der Armee angesehen wurde, entlassen werden. Offiziere, denen die Verwicklung in Fälle von Mord und versuchtem Mord zu Last gelegt wurden, sollten vor Gericht gestellt werden. Reformen der Verfassung und des Sicherheitsapparates sollten zu Frieden und Stabilität im Land beitragen.
Premierminister Mosisili nahm den Bericht entgegen, machte jedoch keine Anstalten, die Empfehlungen umzusetzen. Er widersetzte sich dem Drängen der SADC und pochte auf die Souveränität Lesothos. Doch auch von Seiten der internationalen Geber wurde Druck aufgebaut. Die US-Regierung machte einen neuen Vertrag der Millennium Challenge Corporation (MCC), die in den vorangegangenen Jahren Infrastrukturmaßnahmen in Höhe von 362,6 Mio. US-Dollar finanziert hatte, von der Umsetzung der Empfehlungen abhängig, ebenso die Verlängerung des AGOA-Abkommens, das es Lesotho ermöglicht, Waren - konkret vor allem Textilien - in die USA einzuführen. Die EU und die Afrikanische Union schlossen sich an. Schließlich gab Mosisili zumindest in einem Punkt nach und versetzte Generalleutnant Kamoli in den Ruhestand. Ein Bruder des ermordeten Brigadiers Mahao kommentierte das Zögern der Regierung gegenüber der Autorin mit der Bemerkung, "alle" hätten schließlich Dreck am Stecken.
Mitte Februar 2017 hat das Parlament nach langer Pause seine Arbeit wieder aufgenommen. Tom Thabane und zwei weitere Oppositionspolitiker sind aus dem Exil in Südafrika, wohin sie aus Angst vor dem Militär geflohen waren, zurückgekehrt. Erneut hat das Tauziehen um die Macht begonnen. Es ist zu befürchten, dass Lesotho so schnell nicht zur Ruhe kommen wird.
ABC - All Basotho Convention
AD - Alliance of Democrats
BCP - Basotho Congress Party
DC - Democratic Congress
LCD - Lesotho Congress of Democrats
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REZENSIONEN
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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2017, S. 26-27
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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