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AFRIKA/1349: Mosambik - Aufschwung oder Ausverkauf (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli/August 2015

Aufschwung oder Ausverkauf

von Christian Selbherr


Jahrzehnte lag die Hafenstadt Beira am Boden. Bürgerkrieg und Misswirtschaft wirkten lange nach. Jetzt verspricht ein Konsortium aus Regierung und Konzernen den Neuanfang. Der "Entwicklungskorridor von Beira" soll allen Menschen in Mosambik Wohlstand bringen - wie ihn chinesische Geschäftsleute bereits genießen.


Nichts weniger als eine Revolution soll es sein - für eine Stadt und eine Region, die am Boden liegen. Noch bis in die 70er-Jahre war Beira an der Ostküste von Mosambik ein Paradies für reiche Portugiesen und weiße Farmer aus dem Nachbarland Simbabwe, die hier Urlaub machten. Das gewaltige "Grand Hotel" zeugt von dieser Zeit - aber auch vom Niedergang. Heute leben bis zu 3000 Menschen darin. Das Gebäude hat sich in einen Slum verwandelt. Kinder spielen in Pfützen, in den Aufzugsschächten stapelt sich der Müll, Männer sitzen herum und warten auf bessere Zeiten.

Und die sollen nun endlich kommen. Denn die Region ist einer von sechs sogenannten "Entwicklungskorridoren", die die mosambikanische Regierung ausgewiesen hat.

Der Beira-Korridor hat ungefähr dieselbe Fläche wie Großbritannien. Er führt von Beira nach Westen ins Landesinnere, in Richtung der Stadt Chimoio. Wer immer geradeaus fährt, kommt irgendwann nach Simbabwe, wer rechts abbiegt und sich nach Norden wendet, erreicht Malawi und Sambia.

"Es ist das Tor nach Südostafrika", heißt es in einem offiziellen Dokument. "Und auch ein Gebiet mit riesigem Potenzial. Allein in Mosambik gibt es zehn Millionen Hektar Land mit guten Böden, geeignetem Klima und Zugang zu Wasser. Doch die Flächen werden bisher kaum genutzt." Das soll sich nun ändern - mit kommerzieller Landwirtschaft im großen Stil. Neue Anbaumethoden, anderes Saatgut und bessere Düngemittel. Aber wie realistisch sind diese Pläne? Schon wächst die Angst, dass am Ende wieder nur die Ausländer Profite machen und für die Einheimischen nichts übrig bleibt.

Die relativ neuen Straßen sind dicht befahren, vor allem mit LKWs, die wertvolle Baumstämme transportieren. Am Steuer sitzen Chinesen. "Die Chinesen nehmen das Holz, aber unsere Schulkinder müssen auf dem Boden sitzen, weil sie nicht mal Tische und Stühle haben", beschreibt Richard Ujwigowa die Zerreißprobe, vor der Mosambik steht. Der gebürtige Kongolese gehört zur katholischen Gemeinschaft der Afrika-Missionare und engagiert sich in der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden.


Mit billigen Geschenken gefügig gemacht

Fast täglich berichten ihm die Menschen, was mit ihnen, ihren Dörfern und ihrem Land geschieht. "Vertreter von Firmen kommen ins Dorf und zeigen Papiere vor, die sie von der Regierung in Maputo oder von der Bezirksverwaltung erhalten haben", sagt Richard Ujwigowa. Und sie bringen die Dorfchefs mit kleinen Geschenken dazu, ihnen ihr Land abzutreten. "Einer wurde von Holzfällern bedrängt. Sie haben ihm ein Motorrad geschenkt und neue Kleider für seine Frau. Dann hat er zugestimmt." Die Kirche versucht, die Leute zu informieren, ihnen zu erklären, welche Rechte sie besitzen und was es bedeuten kann, wenn sie ihr Land verlieren. Doch das ist nicht so einfach. Denn nicht alle sind der gleichen Meinung. Vor allem Jüngere sagen: "Es ist doch gut, wenn etwas Neues kommt. Oder wollt ihr ewig so weitermachen, mit bloßen Händen und unseren alten Werkzeugen auf dem Feld schuften?"


Hoffnung auf Wachstum

Der Beira-Korridor verspricht Wohlstand und Aufstieg. Cariton H. ist Ende 20, er arbeitet auf der Zuckerrohrplantage von Lomega Nord, nahe Beira. Sein Arbeitgeber ist der Konzern Tongaat Hulett aus Südafrika. "Vier Jahre habe ich in Maputo Agrarwirtschaft studiert", sagt Carlton H., während er den Feldweg entlanggeht, der links und rechts von mannshohen Zuckerpflanzen gesäumt wird. Seit zwei Jahren arbeitet er hier und beaufsichtigt die Produktion.

Die Erntezeit ist gerade vorbei, "wir haben begonnen, die neuen Pflanzen zu bewässern", sagt er. Eine riesige Maschine aus den USA übernimmt die Bewässerung, mit einem Arm von 450 Metern Länge, der sich kreisförmig über dem Feld bewegt und so eine Fläche von 65 Hektar mit Wasser versorgt. Bis die Maschine einmal einen Kreis vollzogen hat, vergehen exakt 24 Stunden. "Pro Stunde pumpen wir 200 Kubikmeter Wasser durch das Rohr", sagt der junge Agraringenieur. Er möchte seinen vollen Namen lieber nicht nennen. "Ich will weiterkommen", sagt er. "Als nächstes will ich Englisch lernen."

Hoffnungen, Erwartungen und viele Versprechungen für die Zukunft. So lesen sich auch die Broschüren, die das Konsortium aus Regierung, Konzernen und Investoren über den Beira-Korridor veröffentlicht. Von einer Vision für das Jahr 2030 ist die Rede, vom "geduldigen Kapital", das nötig sei, um die geplanten Projekte zu finanzieren.


Konzerne wollen nicht mehr die Bösen sein

Vor allem wollen die beteiligten Konzerne nicht länger die Rolle des Bösewichtes spielen. Der Düngemittelhersteller Yara aus Norwegen etwa ist eine der treibenden Kräfte hinter dem "Beira-Korridor". Auf der Suche nach neuen Märkten für seine Produkte propagiert das Unternehmen "Partnerschaften zwischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelfirmen" und es will die "Kleinbauern einschließen statt ausschließen", wie es in einem von Yara in Auftrag gegebenen Papier heißt. "Ungewöhnlich, aber möglicherweise revolutionär" sei dieser Ansatz, der von fast 30 Firmen aus aller Welt, von staatlichen Geldgebern aus Norwegen, Brasilien, Japan, den USA und Großbritannien unterstützt und von der Weltbank finanziert wird.

Fest steht jedoch, dass eine Reihe von Projekten schon jetzt gescheitert sind. Zum Beispiel die Plantagen in Mosambik, die nachwachsende Rohstoffe für Bio-Sprit liefern sollten. Nahe Chimoio erstrecken sich lange Felderreihen mit grünen Büschen. Jatropha, auch "Brechnuss" genannt, galt vor etwa zehn Jahren als Wunderpflanze, oder zumindest als ernst zunehmende Alternative für das knapper werdende Erdöl. Aus der ölhaltigen Nuss sollte Kraftstoff entstehen, selbst Firmen wie die Deutsche Lufthansa beteiligten sich. Etwa 2000 Hektar Jatropha wurden in der Gegend von Chimoio gepflanzt. Die englische Firma SunBiofuels nutzte brachliegende Tabak- und Baumwollfelder, die noch aus der Kolonialzeit stammten.


Gescheiterte Projekte

Und da stehen die Büsche nun, genauso wie die alte Kolonialvilla mit Swimming-Pool, in dem der portugiesische Plantagengründer einst badete. Zwei Wachleute passen auf das Gelände auf. SunBiofuels meldete 2011 Insolvenz an, das hoffnungsvoll gestartete Jatropha-Projekt von Chimoio war gescheitert. "Das ist es, was die Menschen hier nicht verstehen", sagt Missionar Richard Ujwigowa. "Dass Pflanzen angebaut werden, die nur für den Export bestimmt sind, wie Jatropha, Zuckerrohr, oder auch Eucalyptus, wo doch die Menschen vor allem Nahrungsmittel bräuchten."

Die Kleinbäuerin Anoria Vurande lebt neben der verlassenen Plantage: "Wir haben gehört, dass nun wieder neue Weiße kommen, mit einem neuen Projekt", sagt sie. Erst pflückten ihr Vater und die anderen aus ihrem Dorf Tabak für die Portugiesen. Dann bauten sie Jatropha an. "Jetzt soll es Mais sein", sagt Frau Vurande, während sie zwischen den brach liegenden Stauden ein eigenes kleines Maisfeld umgräbt. Ihre zwölf Jahre alte Tochter hilft ihr, lässt Maiskörner auf den tiefbraunen Boden fallen und bedeckt sie mit Erde. "Dort drüben sind sie", sagt sie und zeigt auf einen Lastwagen. "Es sind Arbeiter, die Markierungen für neue Straßen setzen."


Angst vor Landverlust

Im Dorf hat das für Aufregung gesorgt. "Es wird erzählt, dass eine Plantage kommt und wir unser Land hergeben müssen. Aber dagegen haben wir protestiert", sagt Anoria Vurande. Die Behörden lenkten offenbar ein. "Sie haben versprochen, dass es eine Versammlung geben wird, auf der das Land unter uns allen aufgeteilt wird." Ob das wirklich passieren wird? Sie zuckt mit den Schultern.

Für diejenigen mit Unternehmergeist, mit guter Ausbildung und vor allem mit etwas Startkapital bieten sich große Chancen im Korridor von Beira. Manche Firmen verbuchen Erfolge, etwa der Geflügelzüchter Abilio Antunes. Auf der Hühnerfarm nahe Chimoio begrüßt der Juniorchef seine Besucher und sagt: "Wir schlachten jeden Tag 100.000 Hühner und beliefern Märkte im ganzen Land." Allein im Schlachthaus finden 100 Männer einen Arbeitsplatz, dazu kommen Ställe und Legebatterien.

Es wird Abend in Chimoio. Noch immer liefern sich die wuchtigen LKWs ihr Wettrennen in Richtung Beira. In drei Stunden werden sie den Hafen erreicht haben, beladen mit Holz aus den Wäldern, das nach China gehen wird, Kupfer aus den Minen von Sambia, Öl und Benzin aus den Raffinerien. In der Stadt kaufen gut gekleidete Menschen bei "Shoprite" ein, eine Supermarktkette aus Südafrika. Auch die tiefgekühlten Hähnchen von Abilio Antunes gibt es hier.

Während die Kunden prall gefüllte Plastiktüten in ihre Autos laden, warten draußen vor dem Markt ein paar ältere Frauen auf Kunden. Sie bieten kleine Bananen an, mit braunen Flecken, aus dem eigenen Garten. Eine Frau beugt sich über ein kleines Feuer. Sie hat eine Schüssel Öl heiß gemacht und brät etwas zum Essen. Es sind gerade aufgetaute Hühnerköpfe. Die Reste von dem, was der neue Wohlstand der Anderen für sie übrig lässt.


Der Autor ist Redakteur beim missio magazin, der Zeitschrift des katholischen Hilfswerks missio in München (www.missio.com)

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
44. Jahrgang, Nr. 4, Juli/August 2015, S. 17-18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2015

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