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AFRIKA/1341: Somaliland - Nur eine Frau im Parlament, Quotenregelung gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. August 2015

Somaliland: Nur eine Frau im Parlament - Quotenregelung gefordert

von Katie Riordan


Bild: © Katie Riordan/IPS

Frauen bei den Feierlichkeiten am Unabhängigkeitstag von Somaliland (18. Mai). International wird der Staat aber nach wie vor nicht anerkannt
Bild: © Katie Riordan/IPS

HARGEISA, SOMALILAND (IPS) - Bar Seed ist zurzeit die einzige Frau im Parlament der selbsterklärten Republik Somaliland. Damit dies anders wird, fordert sie wie viele andere die Einführung einer Frauenquote.

Die ehemalige britische Kolonie Somaliland hatte sich 1991 von Somalia losgesagt, wird jedoch international nicht als selbständiger Staat anerkannt. In dem 82-köpfigen Parlament, das von dem De-Facto-Regime nach der Ausrufung der Republik eingesetzt wurde, spielen Frauen bisher nur eine untergeordnete Rolle. "Die öffentliche Meinung beginnt sich aber zu verändern", sagt Seed hoffnungsvoll.

Somaliland, das auch über einen eigenen Staatspräsidenten verfügt, wird oft als Erfolgsmodell gepriesen. Denn anders als der als 'gescheitert' geltende Staat Somalia ist es weitgehend politisch stabil. Zivilgesellschaftlichen Organisationen zufolge liegt es im Interesse der nationalen Entwicklung, Frauen an den politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.


Großteil der politischen Ämter in Männerhand

Während Seed als einziges weibliches Parlamentsmitglied amtiert, ist im Oberhaus der Älteren ('Guurti') keine Frau vertreten. Dem Kabinett gehören zwei Ministerinnen an, deren Stellvertreterinnen ebenfalls weiblich sind. Die übrigen Posten sind fest in Männerhand.

Viele Aktivisten erachten die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für dringend erforderlich. "Uns Frauen wird nichts auf dem Silbertablett serviert. Wir haben unsere Scheu abgelegt. Wer unsere Stimme haben will, muss sie sich erst mal verdienen", versichert Edna Adan, ehemals Außenministerin von Somaliland und Gründerin der Edna-Adan-Universitätsklinik, in der sich Frauen unter anderem wegen Genitalverstümmelungen behandeln lassen können.

Adan beobachtet seit Jahren, wie sich die Debatte über Frauen in der Regierung verändert hat. Versprechen, mehr Frauen Zugang zu Machtpositionen zu gewähren, wurden jedoch nicht eingehalten. Ein Gesetzentwurf, der die Einführung einer politischen Frauenquote vorsah, fand weder im Parlament noch im 'Guurti' die erforderliche Mehrheit. Dennoch ist Adan überzeugt, dass sich die Rahmenbedingungen für Frauen verbessert haben. Frauen seien inzwischen organisiert und würden stärker unterstützt.

Befürworter der Frauenquote fordern für Parlamentarierinnen eine Zehn-Prozent-Regelung, die manchen Aktivisten zu niedrig erscheint. Adan hält es momentan jedoch für unrealistisch, die Latte höher zu legen. Die Quote soll Teil einer Wahlreform werden, über die das Parlament in den kommenden Monaten beraten wird. Politische Parteien werden zudem dazu angehalten, eine zusätzliche freiwillige Frauenquote bei der Aufstellung ihrer Kandidaten zu berücksichtigen.

Im Mai war durch eine umstrittene Entscheidung die Wahl des nächsten Staatspräsidenten, des Parlaments und der lokalen Räte mindestens bis Ende 2016 verschoben worden. Kritiker warnen davor, dass dieser Aufschub die demokratische Entwicklung des Landes in Frage stellen könnte.

Für die Befürworter einer Frauenquote bedeutet die Verschiebung jedoch einen Silberstreif am Horizont. Sie können nun mehr Druck auf die Politiker ausüben, damit sie ihr Versprechen einer inklusiven Regierung einhalten, indem sie mehr Frauen den Zugang zu offiziellen Ämtern ermöglichen.


Leere Versprechen

"Wir Frauen haben den Parteien damit gedroht, dass wir sie nicht mehr unterstützen, wenn sie uns nicht unterstützen", sagt Seed, die der Waddani-Partei, einer der beiden Oppositionsparteien in Somaliland, angehört. Häufig werben Parteien öffentlich für die Gleichstellung der Geschlechter. Umgesetzt würden die Versprechen jedoch nicht.

Einer Aufwertung der öffentlichen Rolle von Frauen stehen auch die tief verwurzelten Stammes- und Clantraditionen des Landes entgegen. Um eine Wahl gewinnen zu können, sind die Kandidaten auf den Rückhalt von Clanführern angewiesen, die Einfluss auf das Abstimmungsverhalten in ihrer Gruppe ausüben, wie Seed erläutert. Da Männer als die aussichtsreicheren Bewerber gelten, werden Frauen selten von ihren Clans unterstützt. Viele Frauen versuchen sich deshalb auf zwei Clans zu stützen: auf den, in den sie hineingeboren wurden und den, in den sie eingeheiratet haben. Vorteile können sie daraus aber kaum ziehen.

Das unabhängige Netzwerk 'Nagaad', das sich für mehr politische, wirtschaftliche und soziale Rechte von Frauen einsetzt, gehört zu den größten Vorkämpfern für eine Frauenquote. Seine Direktorin Nafisa Mohamed hält es für äußerst wichtig, Frauen davon zu überzeugen, bei Wahlen für ihre Geschlechtsgenossinnen zu stimmen. Immerhin machen Frauen in Somaliland etwa 60 Prozent der Wählerschaft aus. Angesichts der hohen kulturellen und religiösen Barrieren hält es Mohamed jedoch für schwierig, den Status quo zu ändern.


Religion hält Frauen von politischen Ämtern fern

Der Einfluss der Religion auf die öffentliche Meinung ist nach wie vor deutlich spürbar. Der Abgeordnete Mohamed Ali sitzt seit 2005 im Parlament und unterstützt die Initiative für eine Frauenquote in der Regierung. Eine Frau als Staatspräsidentin könne er sich aber nicht vorstellen, weil das dem Koran widerspreche, meint er.

Viele Kritiker lehnen eine Quote als 'Import aus dem Westen' ab und sehen Somaliland für eine solche Veränderung nicht bereit. Die Unternehmerin Amina Faran Arshe ist hingegen der Ansicht, dass eine größere Anerkennung von Frauen im Wirtschaftsleben auch eine Aufwertung ihrer politischen Rolle nach sich ziehen würde. "Eigentlich mag ich eine solche Quote nicht", betont sie. "In der gegenwärtigen Situation brauchen wir sie aber." (Ende/IPS/ck/28.08.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/08/winning-women-a-greater-say-in-somalilands-policy-making/

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IPS-Tagesdienst vom 28. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2015

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