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AFRIKA/1238: Der Westen versucht Chinas Einfluss in Afrika unter Kontrolle zu bringen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 35 vom 30. August 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Das große Schachspiel
Der Westen versucht Chinas Einfluss in Afrika unter Kontrolle zu bringen

von Marcel de Jong



Was steckt hinter den Interventionen des Westens? Soll tatsächlich Al-Kaida bekämpft werden oder geht es in Wirklichkeit um die Konkurrenz zwischen dem Westen und China in Bezug auf den Zugang zu den Rohstoffen Afrikas?

Das militärische Eingreifen Frankreichs in Mali scheint auf den ersten Blick unabhängig zu sein von der Außenpolitik Washingtons, die sich neu auf Asien richtet. Aber die (militärische) Kontrolle des Westens über Teile Afrikas sollte als zweite Klinge der Schere gesehen werden, die die chinesischen Entwicklungen beschneiden will. In Asien trachtet man danach, mit den Ländern, die in einem Disput mit China liegen, neue (militärische) Bande zu knüpfen, in Afrika wird versucht, China vom Zugang zu den Rohstoffen abzuschneiden.

Frankreich begründet sein Auftreten in Mali damit, dass es sich um eine von der UNO gedeckte Operation zusammen mit den Nachbarn Malis handelt. Präsident Hollande warnte bereits, dass diese Intervention länger andauern könnte, da es darum gehe, das gesamte Staatsgebiet Malis zu kontrollieren. Frankreich wird von seinen Freunden in EU und NATO unterstützt. Schließlich geht es im Mali-Konflikt um gewaltige strategische Belange, um die Kontrolle der afrikanischen Rohstoffe und um den Erhalt der Hegemonie der USA und der früheren europäischen Kolonialmächte. Letztere (Frankreich und Großbritannien) haben Differenzen untereinander, doch sie wollen in erster Linie gemeinsam dort der zukünftig größten Wirtschaftsmacht der Welt den Weg abschneiden.


Intervention ohne Grenzen?

Auf den geopolitischen Aspekt der französischen Intervention in Mali legen auch London und Washington Wert. Der britische Premier Cameron erklärte, dass eine Lösung der Krise in Mali mehrere Jahre dauern werde. Großbritannien erklärt sich daher auch bereit, die französischen Kommandos mit Spionageflugzeugen zu unterstützen. In Armee- und Regierungskreisen in Washington wird ebenfalls seit geraumer Zeit über einen langanhaltenden Krieg gesprochen, der sich über die gesamte Sahelzone ausbreiten könne. Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, dass der Konflikt zu einer ernsthaften und lange andauernden Bedrohung werden könne, da der Norden Malis sehr ausgedehnt ist, von seiner Topographie her aus Wüste besteht, die reich an natürlichen Höhlen ist, die den Aufständischen als Versteck dienen können. Dies erinnert, so Clinton, an Afghanistan, "wo es sich erwiesen hat, dass wir vor einem langwierigen und notwendigen Kampf standen". Mali dürfe den verschiedenen US-Wortführern zufolge nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen werden.

Nach einem Beitrag in der "Los Angeles Times" ist der "sichere Hafen" ein viel besprochenes Thema im Pentagon. Einige höhere Verantwortliche und Offiziere im Pentagon warnen, dass ohne massives Eingreifen der USA Mali zu einer Basis für die islamistischen Rebellen würde, wie Afghanistan es zur Zeit der Anschläge vom 11. September 2001 war. Mit solchen Behauptungen wollen sie die veröffentlichte Meinung der USA auf eine neue Front im "Krieg gegen den Terrorismus" vorbereiten.


Terrorismus

Der "Washington Post" zufolge haben die USA den Franzosen Luftbetankungsflugzeuge für deren Kampfjets sowie Transportflugzeuge zur Beförderung von Truppen aus den Nachbarstaaten angeboten. Die CIA habe bereits entsprechende Pläne ausgearbeitet, wie die französischen Kampfflugzeuge mit besserer und effizienterer Information für ihre Angriffe unterstützt werden können. In der "New York Times" war zu lesen, dass die US-Strategen überlegen, eine Drohnenbasis in Nordwestafrika anzulegen, um die Al-Kaida vor Ort und andere extremistische Gruppen besser kontrollieren zu können. Diese Basis könnte, so die "New York Times", in Nigeria gebaut werden. Das Pentagon schließt auch den Einsatz bewaffneter Drohnen nicht aus, wenn die Bedrohung zunimmt. Einem hohen Offizier des Pentagon zufolge steht der Entschluss in Nordwestafrika eine ständige Drohnenbasis einzurichten, in direktem Zusammenhang mit dem Mali-Konflikt. Sie soll zugleich auch das Regionalkommando von Africom absichern.

Ob die angeblichen "Al-Kaida"-Aktivitäten im Norden Malis tatsächlich so bedrohlich sind, dass sie ein militärisches Eingreifen des Westens und eine dauerhafte Anwesenheit von US-Militär notwendig machen und rechtfertigen, ist nicht bewiesen. Blake Hounshell, Chefredakteur des Magazins "US Foreign Policy", stellt fest, dass es noch nicht deutlich ist, welche Bedrohung die "Al-Kaida des islamischen Maghreb" (AQIM) eigentlich für die USA bilden. Der "Foreign Policy"-Mitarbeiter Stephen Walt stellt viele Fragen: "Ist die Furcht der USA, dass die Extremisten in Mali ihre Kräfte vereinigen könnten, um Frankreich, die USA und andere westliche Mächte anzugreifen, wirklich realistisch? Haben diese, sofern sie es tatsächlich beabsichtigen, die Kapazität und Möglichkeit, solche Angriffe auszuführen, nun, da Frankreich mit logistischer Unterstützung befreundeter EU-Staaten und den USA versucht, diese potentiellen Terroristen auszurotten? Wird hier das Gewicht vom inneren Kampf gegen die malische Regierung abgezogen und stattdessen mehr auf die französische und ausländische Militärinvasion gerichtet?" Eine Intervention hat immer vorhersehbare Folgen. Es entstehen zusätzliche Probleme und Krisen, die dann als erneute Rechtfertigung für weitere umfangreichere Interventionen genutzt werden. Anders gesagt, eine Intervention öffnet stets die Möglichkeit für eine nächste Intervention.


Die nützliche Bedrohung

Während sich die westlichen Politiker alle Mühe geben, ihr militärisches Eingreifen zu rechtfertigen, sind große Zweifel über die Kompetenz der malischen Truppen entstanden. Der "New York Times" zufolge hat die malische Armee trotz umfangreicher Unterstützung der Ausbilder aus den USA gezeigt, dass sie für die Lösung der Krise zu schwach und unbrauchbar ist.

In der Zeitung "The Economist" wird die Meinung vertreten, dass der Westen hofft, in Mali viele fanatische Dschihad-Kämpfer zu töten und die Städte des Nordens mit Soldaten aus Mali und den Nachbarländern zu sichern und unter Kontrolle zu halten, bevor es den Aufständischen gelingt, sich erneut zu gruppieren oder sich mit neuen Rekruten zu verstärken. Mit ihrer Rhetorik der Hoffnung wollen sie die die westliche Bevölkerung auf einen lang anhaltenden Kampf mit hohen Kosten vorbereiten. Zu Jahresanfang erklärte General Carter Ham, Chef von Africom: "Bestenfalls können wir Al-Kaida zurückdrängen und ihren Aufstieg erschweren, indem wir die Kämpfer in dem Gebiet daran hindern, intensive Operationen auszuführen."

Es steht fest, dass Washington die so genannte Bedrohung, die von Al-Kaida ausgeht, jetzt ganz oben auf die Tagesordnung setzt. 2011 erklärte der damalige Verteidigungsminister Panetta jedoch, dass die USA kurz vor dem Sieg über Al-Kaida stünden. Doch nach dem guten Ergebnis der vom Westen unterstützten islamistischen Kämpfer in Libyen und Syrien darf das nützliche Gespenst Al-Kaida wieder herumspuken, damit die Bevölkerung des Westens wieder um ihre Sicherheit bangt. Es ging den US-Eliten noch nie darum, Al-Kaida wirklich auszuschalten. Dafür ist diese zu nützlich. Sollte das terroristische Netzwerk tatsächlich besiegt werden, wäre das für Washington ein strategischer Verlust. Die USA würden dann unersetzbare Infanteristen verlieren, die sie für ihre Kriege benötigen. Auch würde es ihnen die Rechtfertigung ihrer Interventionskriege erschweren. Die vermeintliche Bedrohung durch Al-Kaida ist für die USA ein Geschenk des Herrn, das zu nützlich ist, um es verschwinden zu lassen.


Zurückdrängen Chinas

Die scheinbar von Al-Kaida ausgehende Bedrohung wird genutzt, um die westliche Militärintervention in jedem Land zu rechtfertigen. Die Bekämpfung der terroristischen Gruppen im Norden Malis ist eine perfekte Verschleierung der strategischen Intention der USA und ihrer treuen europäischen Partner, die in Wahrheit darauf abzielt, China aus ganz Afrika zu verdrängen. Weil China auf dem afrikanischen Kontinent ein ernsthafter Konkurrent zu werden beginnt, setzt der Westen alles daran, Afrika erneut zu kolonisieren, um so die afrikanischen Rohstoffe in ihrem Griff halten zu können.

Razia Khan, der Afrika-Verantwortliche der britischen Standard Chartered Bank, teilte vor kurzem mit, dass der bilaterale Handel zwischen Afrika und China sich einem Gesamtwert von 200 Milliarden Dollar im Jahr nähert. Dieser Handel wuchs in der letzten Dekade um durchschnittlich 33,6 Prozent pro Jahr. In den kommenden Jahren kann China der größte Handelspartner Afrikas werden und die USA und die EU übertreffen.

Washington ist sich dieser Entwicklung durchaus bewusst. Während einer Anhörung im US-Senat meinte Außenminister John Kerry, dass die USA sich gegen die Entwicklung wehren müssten, da China schon in allen afrikanischen Staaten vertreten sei. "China hat langfristige Verträge für den Abbau von Mineralien und andere Abkommen geschlossen", erklärte Kerry. "Die USA haben in einigen Ländern noch die Hand auf dem Handel, aber wir müssen uns hier sicher mehr Mühe geben."

In der von Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Korrespondenz von 2010 des US-Staatssekretärs für afrikanische Angelegenheiten, Johnnie Carson, ergibt sich, dass China als sehr aggressiver und bösartiger wirtschaftlicher Konkurrent ohne Moral abgestempelt wird.

Den Ärger der USA über die wachsenden chinesischen Investitionen in Afrika unterstreicht auch eine Äußerung von Hillary Clinton im August letzten Jahres - es handle sich um eine Art Dolchstoß unter Wasser. Sie betonte, dass die USA mehr als andere Staaten ein Vorkämpfer von Demokratie und Menschenrechten seien, sogar wenn es einfacher sei, in die andere Richtung zu sehen. Die jüngsten Verletzungen der Menschenrechte seitens der in den USA ausgebildeten malischen Soldaten zeigen ein weiteres Mal, wie lügenhaft diese Erklärungen sind. Als Antwort auf Clintons "Dolchstoß unter Wasser" gab die chinesische Presseagentur Xinhua folgenden Kommentar ab: "Die Reise von Frau Clinton soll vor allem dazu dienen, das chinesische Engagement in Afrika in Misskredit zu bringen und seinen wachsenden Einfluss einzudämmen."

China erwartet, dass noch mehr Versuche unternommen werden seinen Einfluss in Afrika zu beschränken. Es ist der Auffassung, dass das militärische Auftreten Frankreichs in Mali das Vorspiel für weitere westliche Interventionen ist. He Wenping von der chinesischen Akademie für soziale Wissenschaften warnt, dass mit der militärischen Einmischung Frankreichs ein neuer Interventionismus in Afrika legalisiert wird. Durch die westliche Intervention in Libyen verlor China Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Dollar. Zudem wurde so der Weg für die heutige Intervention in Mali freigemacht.


Fazit

Wenn die USA von einem dynamischen asiatischen Wachstum profitieren wollen, um dieses Jahrhundert als das "amerikanische Jahrhundert" im Pazifik zu gestalten, müssen sie auch das dynamische asiatische Wachstum in Afrika kontrollieren. Wenn die USA China aufhalten wollen, müssen sie sich auch für Afrika interessieren und müssen die Interventionen in Afrika unter dem Mantel des "Kriegs gegen den Terrorismus" verdecken.


Quellen:
  • Was steckt hinter den US-Interventionen in Afrika? - Ben Schreiner
  • China Daily
  • UPI: Kerrry - relations China
  • Guardian (GB): Hillary Clinton - Africa & China
  • News yahoo com: rights-group warns executions malian army
  • Wikileaks: US embassy documents 250144

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 35 vom 30. August 2013, Seite 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2013