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AFRIKA/1194: Namibia - Die Swapo hat ihren nächsten Präsidentschaftskandidaten gekürt (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2013

Politische Zäsur: Team Hage
Die Swapo hat ihren nächsten Präsidentschaftskandidaten gekürt.

von Henning Melber



Zum Jahresende 2012 stellte sie die politischen Weichen für die Ära nach Präsident Hifikepunye Pohamba. Mit "Team Hage" formierte sich die kommende Führungsriege. Damit werden die Weichen für Namibias Zukunft gestellt und eine politische Zäsur vorbereitet.


Vom 29. November bis zum 2. Dezember 2012 fand der fünfte Parteikongress der Swapo seit der Unabhängigkeit im Jahre 1990 statt. 600 Delegierte aus allen Landesregionen und den der Partei angeschlossenen Organisationen (Ältestenrat, Frauenrat, Jugendliga, Gewerkschaften) entschieden über die politische Zukunft, da 2015 die zweite Amtszeit des Parteipräsidenten Pohamba als Staatsoberhaupt endet. Bereits vor dem Kongress wurde ganz ohne demokratisches Federlesen angekündigt, dass Pohamba - wie sein Vorgänger Sam Nujoma - weitere fünf Jahre als Parteivorsitzender im Amt bleiben würde. Damit wird er auch nach seiner Zeit als Staatsoberhaupt noch die Parteipolitik beeinflussen.

Kontinuität bleibt weiterhin ein zentrales Anliegen zumindest der noch immer die politischen Geschicke bestimmenden Generation, die seit den Zeiten des Befreiungskampfes die Schalthebel der Macht bedient. Allerdings signalisiert deren Durchschnittsalter, dass dies wohl zum letzten Mal eine Angelegenheit innerhalb dieser Altersgruppe war. Im öffentlichen Dienst Namibias hätten sie mittlerweile bereits alle das Rentenalter erreicht.

Vor zehn Jahren führte das Gerangel um die Nachfolge Nujomas als Staatspräsident zu einer parteiinternen Zerreißprobe. Danach formierte sich mit der Rally for Democracy and Progress (RDP) die neue Offizielle Opposition - der bevorzugte Ansprechpartner der Regierung - unter dem abgestraften früheren Außenminister Hidipo Hamutenya als bislang prominentestem Dissidenten. Seither war die Swapo um Minderung der Risiken besorgt. So wurde beschlossen, dass wer auch immer auf den Stellvertreterposten gewählt wird, automatisch zum Präsidentschaftskandidaten und damit fast sicheren Nachfolger des aus dem Amt scheidenden Staatsoberhauptes wird.

Nach längeren Spekulationen über die potenziellen Konkurrenten standen erst im Oktober alle für die Vizepräsidentschaft Nominierten endgültig fest. Neben dem Amtsinhaber Hage Geingob (zugleich Minister für Handel und Industrie) und dessen erklärter Herausforderin Pendukeni Iivula-Ithana (Partei-Generalsekretärin und Justizministerin) avancierte Jerry Ekandjo (Parteisekretär für Information und Minister für Regional- und Lokalverwaltung, Wohnungsbau und ländliche Entwicklung) mit Unterstützung der Jugendliga zum dritten Kandidaten. Alle drei hatten ein Novum zu bieten: Geingob gehörte als Damara erstmals keiner Gruppierung mit ethnisch-regionaler Herkunft aus dem Ovamboland an. Iivula-Ithana war die erste Frau und Ekandjo der erste Kandidat, der nicht im Exil oder als politischer Gefangener auf Robben Island inhaftiert war.


Rangeleien im Vorfeld

Im Vorfeld wurde viel darüber spekuliert, welche der Merkmale deutlichere Nachteile hatten, denn sie waren allesamt nicht in Einklang mit der bisher dominanten politischen Kultur. Es gab kaum sichere Prognosen und z.T. heftiges Gerangel um die Zusammensetzung der Delegierten, deren vermutete Präferenzen für einen der Kandidaten als ein wesentliches Kriterium für deren Aufnahme oder Ausschluss war. Dies wurde zu einem neuerlichen Test für die innerparteiliche Demokratie, zumal kurz vor dem Kongress feststand, dass Präsident Pohamba die Wiederwahl seines Vize Geingob unterstützte. Dass er dafür auch unter den von ihm ernannten Gouverneuren der 13 Regionen des Landes warb und einige das als Wahlinstruktion an ihre Delegierten weiter gaben, sorgte für intensive Diskussionen und ließ an der viel beschworenen innerparteilichen Demokratie doch stark zweifeln.

Für Iivula-Ithana hatten sich Teile des mit der Swapo affiliierten Dachverbandes der Gewerkschaft NUNW (National Union of Namibian Workers) stark gemacht. Ihr Wahlkampf fiel hingegen relativ zahm aus und ließ eine Unterstützung durch die Frauenliga vermissen. Die Jugendliga ihrerseits erweckte den Eindruck, dass sie in der Lage wäre, Ekandjo ins Amt zu hieven. Mehrere spannungsreiche Zwischenfälle, nicht zuletzt im Rahmen des Jugendliga-Kongresses mit der Geingob-Fraktion, ließen befürchten, dass es zu einem neuerlichen Machtkampf mit weit reichenden Folgen für die Einheit der Partei kommen könnte. Der Versuch der Jugendliga, ihren Favoriten nach einem Autoschaden zum potenziellen Opfer von Attentatsversuchen zu stilisieren, sorgte nicht nur für Schlagzeilen, sondern erwies sich vermutlich für diesen eher als nachteilig.

Deutlich erkennbar war das Bemühen aller Konkurrenten, die Parteieinheit zu beschwören. Allerdings gab es keinen Zweifel daran, dass sie sich uneingeschränkt vorrangig dem eigenen Wahlziel verpflichtet fühlten, ohne dabei viel hinsichtlich ihrer gesellschaftspolitischen Programmatik preis zu geben. Die Personenwahl war wenig von Inhalten bestimmt. Dabei hatte Geingob nicht zuletzt aufgrund der ihm zugänglichen Logistik deutliche Vorteile. Seine Wahlkampfstrategie konnte auf entsprechende materielle Voraussetzungen bauen, z.B. durch die Abhaltung von Veranstaltungen in fast allen Landesteilen mit einer eindrucksvollen Inszenierung und Zurschaustellung auch physischer Symbole von Macht. Er präsentierte sich im Gegensatz zu den Mitbewerbern in Status und Habitus als Staatsmann.


Klares Ergebnis

Trotzdem hatte das klare Wahlergebnis im ersten Durchgang niemand erwartet. Es war von einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit unvorhersehbarem Ausgang gerechnet worden. Statt dessen düpierte Geingob die anderen Bewerber, indem er auf Anhieb mit 312 Stimmen die absolute Mehrheit und damit seine Wiederwahl sicherte. Ekandjo schlug sich mit 220 Stimmen halbwegs wacker, während Iivula-Ithana mit 64 Stimmen fast schon erniedrigend abgeschlagen endete. Sie büßte zugleich ihr Amt als Generalsekretärin der Partei ein, das von ihrem bisherigen Vize Nangolo Mbumba (zugleich Minister für Sicherheit) übernommen wurde, der ebenso wie seine Stellvertreterin Laura McLeod-Katjirua (Gouverneurin der Omaheke Region) sich im Vorfeld zu Hage Geingob bekannte und ankündigte, dass er das neue Amt vollzeitlich auszuüben beabsichtigt und sein Ministeramt niederlegen werde. Auch Ekandjo verlor durch die erfolglose Kandidatur seine (weniger einflussreiche) Position als Parteisekretär für Information. Wie Iivula-Ithana zeigte er sich bislang als guter Verlierer.

Nicht nur hatte Präsident Pohamba damit seinen Wunschkandidaten erfolgreich unterstützt, ohne die Einheit der Partei zu schwächen. Darüber hinaus waren auch die anderen Mitglieder des "Team Hage" als Kandidaten für die Parteiämter erfolgreich. Dies spiegelte sich ebenfalls in der Stimmenverteilung für das neu gewählte 60-köpfige Zentralkomitee wider, in dem die alte Garde ihre Vormachtstellung verteidigte und zugleich eine weitere Konsolidierung von Geingobs Team erfolgte. Dies stellte auch das darauf folgende Wahlergebnis auf der Sitzung des Zentralkomitees am 11. Dezember für das Politbüro der Partei sicher. Die Mehrheit der 17 verfügbaren Sitze (vier weitere werden automatisch von der gewählten Parteispitze, also Pohamba, Geingob, Mbumba und McLeod okkupiert) fiel an die Geingob-Fraktion, während die Kandidaten der Jugendliga und anderer Gruppierungen herbe Rückschläge einstecken mussten.

Pohamba reagierte bereits am 4. Dezember auf die unerwartet klare Entscheidung des Parteikongresses durch eine weitreichende Kabinettsumbildung. Mit sofortiger Wirkung wurde Geingob zum Premierminister ernannt und löste damit Nahas Angula ab. Zwischenzeitlich ebenfalls als Anwärter auf die Pohamba-Nachfolge gehandelt, ersetzte dieser Nangolo Mbumba als Minister für Sicherheit. Mit Netumbo Nandi-Ndaitwah löste aus dem "Team Hage" die bisherige Umweltministerin den Nujoma-Sohn Utoni (der zuvor auch als potenzieller Anwärter auf die Nachfolge gehandelt wurde) als Außenminister ab. Er kehrte wiederum als Justizminister in das Amt zurück, das er zuvor zwischenzeitlich an Tivula-Ithana abgegeben hatte, die nun das Ressort Innenangelegenheiten übernahm.


Geingobs Comeback

Geingob war bis zur Unabhängigkeit als höher gestellter UNO-Beamter mit der Leitung des UNO-Instituts für Namibia in Lusaka betraut. Als Direktor für den Wahlkampf der Swapo kehrte er Mitte 1989 nach Namibia zurück. Ab 1990 war er Premierminister Namibias und maßgeblich mit der Durchsetzung einer dritten Amtszeit Sam Nujomas betraut, die eine erste Verfassungsänderung erforderte. Dann führte 2002 eine Düpierung durch Sam Nujoma zum Eklat. Es wird vermutet, dass seine Weigerung, für diesen eine Kampagne zum Präsidenten auf Lebenszeit zu leiten, ihm den Unmut des Parteipatriarchen bescherte. Als dieser ihn als Premierminister des Amtes enthob, entschied sich Geingob, das Handtuch zu werfen. Er wechselte als Exekutivdirektor an die von der Weltbank finanzierte Global Coalition for Africa in Washington, kehrte jedoch ab 2005 als parlamentarischer Hinterbänkler in die Landespolitik zurück. Kurz danach holte ihn der neue Präsident Pohamba als Handels- und Industrieminister ins Kabinett zurück. Vom Gründungspräsidenten Sam Nujoma war im übrigen im Zuge der neuen Weichenstellung keine erkennbare Einmischung zu registrieren.

Mit dem Comeback Geingobs wurden vorentscheidende Weichen für eine neue Ära gestellt, in der ab 2015 aller Voraussicht nach erstmals jemand aus einer ethnisch-regionalen Minderheit im Lande das höchste Amt im Staate bekleiden wird. Er kann dabei auf ein schon jetzt konsolidiertes Team bauen.


Der Autor ist Direktor emeritus der Dag Hammarskjöld Stiftung in Uppsala/Schweden und Extraordinary Professor am Department of Political Sciences der Universität Pretoria. Swapo-Mitglied seit 1974, ist er seit 1983 im Vorstand der issa.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
42. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2013, S. 16 - 17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013