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AFRIKA/1171: Sudan - Konfliktforscher fordern umfassende Friedensgespräche (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Februar 2013

Sudan: Alle Konfliktparteien an einen Tisch - Konfliktforscher fordern umfassende Friedensgespräche

von Jim Lobe



Washington, 18. Februar (IPS) - Angesichts der Gewalt und der humanitären Krise in den sudanesischen Regionen Darfur, Süd-Kordofan und Blauer Nil und der Vertreibung hunderttausender Zivilisten hat das Konfliktforschungsinstitut 'International Crisis Group' (ICG) eine umfassenden Lösung der Regionalkonflikte gefordert.

Die Denkfabrik mit Sitz in Brüssel dringt im ersten einer Reihe von Sudan-Berichten auf Verhandlungen der regierenden Nationalen Kongresspartei (NCP) mit der bewaffneten und der friedlichen Opposition sowie mit zivilgesellschaftlichen Gruppen. Es müsse der Übergang zu einem Regierungssystem vollzogen werden, durch das sich die Konflikte zwischen der Zentralregierung in Khartum und den Unruheregionen beilegen lassen.

Zudem appellierte die Organisation in dem am 14. Februar vorgestellten Report an die internationale Staatengemeinschaft einschließlich des UN-Sicherheitsrats, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga, die Forderung nach einer einzigen umfassenden Lösung für die zahlreichen Konflikte zu unterstützen, damit das Land 18 Monate nach der Unabhängigkeit des Südsudans nicht noch weiter auseinanderbricht.


Warnung vor Ausweitung des Konflikts

"Wenn die Regierung und die Weltgemeinschaft nicht die bewaffnete und die unbewaffnete Opposition einbinden und eine umfassende Lösung für die chronischen Probleme des Sudans herbeiführen, wird der Konflikt weitergehen und sich auf andere Gebiete ausweiten, wodurch die Stabilität des gesamten Landes bedroht wird", warnte E. J. Hogendoorn, der stellvertretende ICG-Programmdirektor für Afrika.

Der 55-seitige Report konzentriert sich auf den Krieg zwischen der Regierung und den Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung SPLM-Nord in Süd-Kordofan. Dort habe der Konflikt ein "strategisches Patt" erreicht und verlange der Zivilbevölkerung einen "fürchterlichen Tribut" ab.

ICG zufolge verfügt die SPLM-N über rund 30.000 Kämpfer und ein großes Waffenarsenal. Die Regierungsarmee hat zwischen 40.000 und 70.000 Soldaten geschickt. Während sich die Aufständischen in den Nuba-Bergen verschanzt haben, kontrolliert die Regierung weite Teile der Tiefebene, wo der Großteil der Nahrungsmittel in der Region angebaut wird.

Die Regierungstruppen greifen nach Angaben von ICG Dörfer an, die der Unterstützung der Rebellen verdächtigt werden, um die SPLM-N auf diese Weise von der Nahrungsmittelversorgung abzuschneiden. Da die Menschen nichts mehr produzierten und die Hilfsorganisationen aus den Gebieten ausgesperrt seien, sähen sie sich zur Flucht gezwungen, so der Bericht. Die SPLM-N werde aber durch eine Allianz mit der Sudanesischen Revolutionären Front (SRF) gestärkt, in der mehrere Rebellengruppen aus dem ganzen Land zusammengeschlossen sind. Zudem stimme sie sich zunehmend mit den anerkannten Oppositionsparteien ab.

Unterdessen berichten humanitäre Gruppen über die sich weiter verschärfende Notlage in Nord-Darfur sowie in den Bundesstaaten, die an den Südsudan angrenzen. Die britische Hilfsorganisation 'Oxfam' berichtete, dass Zehntausende Menschen, die bereits aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, vor den interethnischen Kämpfen in an Goldvorkommen reichen Gebieten Nord-Darfurs erneut fliehen mussten. Sie hätten keinen Zugang zu sauberem Wasser, Unterkünften und Sanitäranlagen.

Demnach sind allein im Januar mindestens 90.000 Menschen aus Dschebel Amir vertrieben worden - mehr als im gesamten Jahr 2012 in Darfur. Oxfam hat die sudanesische Regierung aufgefordert, eine wichtige Straße in die Region zu öffnen und den Hilfsorganisationen vollständigen Zugang zu gewähren.


Krise in Darfur weitet sich aus

"Der Konflikt in Darfur ist nun zehn Jahre alt, und wir müssen erneute Anstrengungen unternehmen, um der geschundenen Region Stabilität und Frieden zu bringen", sagte El Fateh Oman, der Oxfam-Direktor für den Sudan. "Wir haben Mühe, den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden, da immer mehr Menschen in die Krise hineingezogen werden."

Auf die Erklärung von Oxfam folgte am 15. Februar ein Appell des US-Außenministeriums an die sudanesische Regierung von Präsident Omar Al-Baschir, die Luftangriffe in der Region zu beenden und die dortigen Milizen zu entwaffnen. Mehrere Stammesmilizen, die sich derzeit an den Gefechten beteiligen, hatten vor zehn Jahren die Politik der 'verbrannten Erde' gegen die Rebellen unterstützt. Etwa 300.000 Menschen wurden im Zuge der Kämpfe getötet, die meisten Opfer waren schwarze Bauern.

Der Einfluss Khartums auf die Milizen ist infolge der anhaltenden Wirtschaftskrise, die durch den Verlust an Erdöleinnahmen nach der Unabhängigkeit des Südsudans ausgelöst wurde, zurückgegangen. Einige Milizen kämpfen inzwischen gegen ihren einstigen Verbündeten. Das ist nicht nur der Fall in Darfur, sondern auch in anderen Regionen wie Süd-Kordofan und Blauer Nil. Auch dort hat die Baschir-Regierung Stammesmilizen auf die Rebellen angesetzt.

In den vergangenen anderthalb Jahren sind mehr als 200.000 Menschen aus den beiden Bundesstaaten in den Südsudan und nach Äthiopien geflohen, während mindestens weitere 500.000 innerhalb des Sudans vertrieben wurden. Sie kommen aus Gebieten, die entweder von der Regierung oder der SPLM-N kontrolliert werden, die enge Verbindungen zu der politischen Führung im Südsudan unterhält. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.crisisgroup.org/en/regions/africa/horn-of-africa/sudan.aspx
http://www.oxfam.org/en/programs/emergencies/sudan/disaster_jh.htm
http://www.ipsnews.net/2013/02/crisis-group-urges-comprehensive-talks-to-end-sudan-conflicts/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2013