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AFRIKA/1087: Südafrika - Katz- und Mausspiel mit Asylbewerbern - Abschrecken statt helfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Januar 2012

Südafrika: Katz- und Mausspiel mit Asylbewerbern - Abschrecken statt helfen

von Grit Porsch


Berlin, 23. Januar (IPS) - Südafrika zeigt Asylsuchenden die kalte Schulter. Migranten, die an den Grenzübergängen um die Ausstellung einer für den Asylantrag nötigen Genehmigung bitten, wird das Dokument neuerdings verweigert. Ohne ein solches Papier wird ihr Asylantrag von den Büros für die Aufnahme von Flüchtlingen (RROs) abgewiesen.

"Die Beamten fordern uns auf, zur Grenze zurückzugehen, damit man uns dort abschiebt", berichtet Abdul, ein Flüchtling aus Somalia, dem UN-Informationsdienst IRIN. "Sooft wir auch wiederkommen, sie wollen uns nicht helfen", klagt er und reiht sich in die Warteschlange vor dem Flüchtlingsbüro in Marabastad in Pretoria ein. Sein Landsmann Mohammed versucht hier zum vierten Mal sein Glück.

"Früher fertigten sie täglich bis zu 100 Neuankömmlinge ab, doch heute wird jeder abgewiesen, deshalb bleiben immer mehr Menschen illegal im Land", berichtet der Somalier Abdi Abdullah. Einmal in der Woche, wenn im hiesigen Büro Asylanträge von Ostafrikanern bearbeitet werden, hilft er seinen Landsleuten als Übersetzer.

Bis vor kurzem hatte jeder Asylbewerber die so genannte Sektion-23-Genehmigung erhalten. Das Dokument ließ jedem Flüchtling zwei Wochen Zeit, um bei einem RRO einen offiziellen Antrag auf Asyl zu stellen. Jetzt sieht eine Gesetzesänderung eine Fristverkürzung auf fünf Tage vor.

Nach Ansicht von Beobachtern praktiziert das südafrikanische Innenministerium die neue und bislang offiziell nicht angekündigte Maßnahme, keine Asylanträge mehr auszustellen, seit dem Tag, an dem einheimische Menschenrechtsaktivisten zwei vor dem Obersten Gericht erstrittene Entscheidungen gefeiert hatten, den Betrieb von zwei geschlossenen RRO-Büros in Johannesburg und Port Elisabeth wieder aufzunehmen.

Weil sich die lokale Geschäftswelt über den Zustrom von Migranten beschwert hatte, war das Büro in Cold Mines in Johannesburg im Mai 2011 geschlossen worden. Das Netzwerk 'Consortium for Refugees and Migrants in South Africa' (CoRMSA) klagte gegen die Entscheidung des Innenministeriums, kein neues RRO in der Stadt zu etablieren, obwohl es die meisten Migranten und Flüchtlinge hierher zieht.

Das Gericht stellte fest, dass die seit langem von der Regierung beabsichtige Verlegung sämtlicher Flüchtlingsbüros direkt an die Grenze bislang unter Ausschluss öffentlicher Beratungen betrieben worden und damit illegal sei.

Auch die für November 2011 vorgesehene Schließung eines Flüchtlingsbüros in Port Elizabeth hatte vor Gericht keinen Bestand. Flüchtlingsaktivisten klagten, und im Dezember forderte das Oberste Gericht das Innenministerium auf, die Arbeit des RRO bis zu einer weiteren Anhörung im Februar fortzusetzen.


Flüchtlingszentren an der Grenze beschränken Rechte Betroffener

In einer Erklärung hatte die internationale Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' (AI) höchst besorgt auf die geplante Verlegung aller Flüchtlingsdienste an die Grenzen reagiert. "Damit würde die Möglichkeit Schutz suchender Asylbewerber, ihre Anträge erfolgreich durchzusetzen, erheblich eingeschränkt", stellte AI fest.

Auf Druck ziviler Menschenrechtsgruppen setzten sich Beamte des südafrikanischen Innenministeriums kürzlich mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen an einen Tisch. Bei dem Treffen unterstrich die für Flüchtlingsangelegenheiten zuständige Direktorin Lindile Kgasi, das Innenministerium arbeite an einem Plan, im Laufe der nächsten drei Jahre alle Flüchtlingsdienste an die Grenze zu verlegen, um "den Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern effektiv und effizient zu machen".

Nach Angaben der amtierenden CoRMSA-Direktorin Roshan Dadoo, die an dem Treffen teilnahm, hatte Kgasi von Flüchtlingszentren gesprochen, in denen Migranten bei ihrer Ankunft einer Gesundheits- und Sicherheitsprüfung unterzogen werden sollen, bevor man sie ins Land lässt. Es sei nicht deutlich geworden, ob Flüchtlinge dort auch inhaftiert würden, berichtet die Aktivistin.

Ihre Organisation habe von vielen Asylbewerbern erfahren, man habe ihnen die Aushändigung der Sektion-23-Genehmigung verweigert, weil sie keine Reisedokumente besaßen, sagt sie.

Dazu stellt Tina Ghelli vom Südafrika-Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) fest, die seit 1951 geltende Flüchtlingskonvention verlange von Asyl suchenden Einzelpersonen keine Vorlage von Identifikationsdokumenten. Deshalb werde das UNHCR das strittige Thema beim südafrikanischen Innenministerium zur Sprache bringen. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.amnesty.org/
http://www.cormsa.org.za
http://www.unhcr.org
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94692

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2012