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AFRIKA/1056: Demokratische Republik Kongo - Neustart in Fube, Flüchtlinge gründen eigenes Dorf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Oktober 2011

D. R. Kongo: Neustart in Fube - Flüchtlinge gründen eigenes Dorf

von Robyn Leslie (*)

Kyomdwa Ntombo baut sich ein neues Leben in Fube auf - Bild: © Robyn Leslie/IPS

Kyomdwa Ntombo baut sich ein neues Leben in Fube auf
Bild: © Robyn Leslie/IPS

Fube, D.R. Kongo 18. Oktober (IPS) - Es ist ein heißer und feuchter Morgen in Fube, einem Dorf im Südosten der Demokratischen Republik Kongo (DRC). Staub und Rauch von Feuerstellen steigen zu den tief hängenden Wolken auf und vernebeln die Sicht auf den Horizont.

Fube bedeutet 'verschwommen' und ist ein Experiment. Der Ort wurde nämlich von zurückgekehrten Flüchtlingen entworfen und gebaut, die während des Bürgerkriegs ihr Hab und Gut verloren hatten. Sie gehören zu den Kongolesen, die nach den ersten demokratischen Wahlen in dem zentralafrikanischen Land im Jahre 2006 den Mut fanden, in die Heimat zurückzukehren.

Die blutigen Auseinandersetzungen in der DRC hatten in den Augen vieler Beobachter die Dimension eines 'Weltkriegs' auf dem Kontinent erreicht, da etliche Nachbarländer in dem Konflikt mitmischten. Die Gefechte zwischen Rebellen und Regierungstruppen kosteten zwischen 1998 und 2003 schätzungsweise fünf Millionen Menschen das Leben.

Zahlreiche Kongolesen flohen vor der Gewalt ins Ausland. Mehr als 50.000 Flüchtlinge aus der südlichsten Provinz Katanga fanden Zuflucht in Auffanglagern in Sambia, wo sie auf die Unterstützung durch unabhängige Hilfsorganisationen angewiesen waren.

Zu den Rückkehrern aus Sambia gehört auch Kyomdwa Ntombo, die nun versucht, in Fube Fuß zu fassen und sich eine neue Existenz aufzubauen. Die Frau in dem leuchtend gelben Gewand, die auf einer provisorischen Bank in einem gerodeten Waldstück sitzt, musste Ende der 1990er Jahre mit ihren zwei kleinen Kindern fliehen. Ihrem Mann, der damals nicht da war, konnte sie nicht mehr Bescheid geben.


Zehntausende Kongolesen nach Sambia geflohen

Ntombo und die Kinder kamen schließlich im Camp Mporokoso in Sambia unter. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) lebten 2004 etwa 66.000 Kongolesen in sambischen Lagern. Erst rund zehn Jahre später hatten Ntombo und weitere 45.000 Menschen die Möglichkeit, in ihr Heimatland zurückzukehren. Im November werden dort die zweiten allgemeinen Wahlen abgehalten.

Die internationale Staatengemeinschaft sah die Rückkehr der Flüchtlinge als Zeichen dafür, dass in weiten Teilen des Landes Frieden eingekehrt ist. Viele Repatriierte äußerten die Hoffnung, dass die Vorherrschaft von Rebellengruppen in einigen ländlichen Gegenden beendet werden könnte.

Das UNHCR begann 2007 mit der freiwilligen Rückführung von Flüchtlingen aus Sambia, nachdem die Zustände in Katanga für sicher befunden worden waren. "Heimat bleibt Heimat", meint Frederick Luimbo, der in Fube eine kleine Apotheke betreibt. "Ich wollte zurückkommen, um hier meine Kenntnisse einzubringen."

Tundwa Kapangu kontrolliert indes die Liste mit Dingen, die Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt haben. "Ich bekam Essen, eine Küchenausrüstung, ein Fahrrad, Blech für den Bau eines Daches sowie eine Matte und Decken", zählt sie auf.

Nachbarn von Kapangu erhielten Geräte für den Ackerbau, sechs Monate kostenlose Gesundheitsversorgung oder Schulgeld für ihre Kinder. Laut Augustin Lukena Kisuku, dem Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses für Fube, hing die Art der Unterstützung vom jeweiligen Zeitpunkt der Rückkehr ab. "2007 gab es kein Schulgeld, sondern ärztliche Betreuung", sagt er. "Im Jahr darauf kamen Fahrräder und Blech für Hausdächer hinzu."


Angst vor Vorurteilen

Nicht alle kongolesischen Flüchtlinge sind ohne Bedenken wieder in ihr Land zurückgekommen. Moto Kabobo, ein Mann in den Zwanzigern, war 1998, zum Zeitpunkt seiner Flucht, ein Kind gewesen. "Würde ich jetzt in mein Heimatdorf zurückkehren, müsste ich damit rechnen, der Hexerei beschuldigt zu werden", berichtet er. "Ich habe schließlich Unterstützung von der UN erhalten, während die anderen Menschen in der DRC während des Kriegs litten und nichts bekamen. Nun werden sie sagen, dass mich böse Geister reich gemacht hätten."

Kabobo hat es daher vorgezogen, sich in Fube niederzulassen. "Hier erhalten wir alle die gleiche Hilfe, also gibt es keinen Neid", erklärt er. Dennoch weiß er nicht, ob er sich im Kongo wieder einleben kann. "Ich habe mein ganzes Leben in Sambia verbracht."

Es gibt viele in Fube, die wie Kabobo nicht in ihre Heimatdörfer zurückkehren wollen. Sie gehen davon aus, dass sich Verwandte ihre Grundstücke und Häuser genommen haben. Manche haben auch Angst davor, wieder in instabilen Verhältnissen leben zu müssen. "Wenn es noch mal Krieg gibt, komme ich von Fube aus schnell über die Grenze", meint Honore Kalombe Matete, der damit stellvertretend für viele andere spricht.

Kabwe Makoba erhielt in Sambia 2009 völlig überraschend die Nachricht, dass er vom UNHCR in den Kongo gebracht würde. "Als ich eines Tages von der Arbeit kam, sah ich meinen Namen auf einer Liste", berichtet er. "Jemand hatte mich darauf gesetzt, ohne mir vorher Bescheid zu geben."


Repatriierung als Bestrafung

Der katholische Geistliche Cyprien Nkoma hat oft beobachtet, dass Repatriierungen quasi als Strafaktionen durchgeführt wurden. Menschen, die sich im Gastland außerhalb der erlaubten Zonen aufhielten oder gegen die Regeln in den Gemeinden verstießen, wurden auf diese Weise entfernt. "Wer einen Streit anzettelte, konnte dadurch auf die Repatriierungsliste kommen."

Bei der Rückführung der Flüchtlinge arbeitete das UNHCR mit den Regierungen von Sambia und der DR Kongo zusammen. Die meisten Menschen wurden in Autos zu dem sambischen Ufer des Tanganyika-Sees gefahren und von dort aus mit Fähren in den Kongo gebracht. Vom Hafen Moba aus ging es mit Fahrzeugen zu unterschiedlichen Orten in der Provinz Katanga.

Trotz der weiterhin bestehenden Spannungen sind viele Beobachter zuversichtlich, dass die Heimkehr der Flüchtlinge den Dörfern in Katanga gut tut. Die Erfahrungen aus Sambia helfen ihnen dabei, die Entwicklung in der alten Heimat voranzutreiben.

Was aus ihrem Mann geworden ist, weiß Ntombo allerdings immer noch nicht. Nach 15 Jahren hat sie sich damit abgefunden, allein für ihre Familie zu sorgen. Im nächsten Jahr wird sie in Fube eine neue Schule leiten. (Ende/IPS/ck/2011)

(*) Robyn Leslie arbeitet für den Jesuitischen Flüchtlingsdienst im Südlichen Afrika.


Links:
http://www.unhcr.org/pages/49e45c366.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105453

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Oktober 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2011