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AFRIKA/1042: Eritrea - EU fordert Freilassung politischer Häftlinge, soll aber auch Flüchtlinge aufnehmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. September 2011

Eritrea: EU fordert Freilassung politischer Häftlinge - Und soll Flüchtlinge aufnehmen

Von Jaya Ramachandran


Brüssel, 20. September (IPS/IDN*) - Die Europäische Union und das Europäische Parlament haben in ungewohnter Schärfe Eritreas Staatspräsident Isaias Afewerki für die Gefangenschaft unabhängiger Journalisten und tausender Eritreer seit September 2001 kritisiert. Darüber hinaus forderten sie die Afrikanische Union zur Zusammenarbeit auf, um die Freilassung der politischen Häftlinge zu erreichen.

Die Gründerin und Leiterin der Denkfabrik 'Europe External Policy Advisors' (EEPA), Mirjam van Reisen, begrüßte die EU-Offensive. Gleichzeitig forderte sie die Europäische Union dazu auf, ihren Teil der Verantwortung zu tragen und den vielen eritreischen Flüchtlingen eine neue Heimat zu geben.

Die Europäische Union müsse die vor einem faschistischen Staat fliehenden Eritreer aufnehmen und als Asylsuchende anerkennen, sagte Van Reisen, die auch dem Koordinierungskomitee der Vereinigung 'Social Watch' angehört, das sich für Armutsbekämpfung und Geschlechtergerechtigkeit einsetzt. Darüber hinaus forderte sie die EU auf, die Flüchtlinge im gesamten nordafrikanischen Raum finanziell zu unterstützen.

Van Reisen zufolge ist die Situation der eritreischen Flüchtlinge besonders schlimm. "Es gibt Eritreer, die sich im Jemen im Hungerstreik befinden und von der dortigen Polizei mit Tränengas traktiert werden, vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Es gibt Eritreer, die Äthiopien durchquert haben, obwohl die äthiopischen Grenzbeamten angehalten sind, auf jeden Ankömmling aus Eritrea zu schießen."


Eritreische Flüchtlinge ohne jede Zuflucht

Van Reisen, Professorin an der niederländischen Tilburg-Universität, fügte hinzu: "Es gibt Eritreer, die im Sudan und in Ägypten festsitzen, weil ihnen die dortigen Regierungen keine Reisedokumente ausstellen und sie stattdessen gegen ihren Willen nach Eritrea zurückschicken. Es gibt Eritreer, die sich in Tripolis verstecken, und Eritreer, die unter furchtbaren Bedingungen in Israel leben. Für einen Eritreer gibt es keine Stätte der Zuflucht."

Van Reisens Kritik ist auch im Zusammenhang mit der europäisch-eritreischen Entwicklungshilfe zu sehen. Rund zwei Drittel der sechs Millionen Eritreer leben unterhalb der Armutsgrenze. Die für den Zeitraum 2009 bis 2013 vorgesehenen EU-Mittel für das kleine ostafrikanische Land belaufen sich auf 122 Millionen Euro. Hinzu kommen 7,26 Millionen Euro, die in Notfällen abrufbar sind.

Dem Europäischen Parlament ist daran gelegen, "dass nicht die eritreische Regierung, sondern das eritreische Volk von der EU-Entwicklungszusammenarbeit profitiert". Das zwischen Dschibuti und Sudan am Roten Meer gelegene Land hatte 1993 nach einem 20-jährigen Befreiungskrieg seine Unabhängigkeit erlangt. Die Nachkriegszeit zeichnete sich durch Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt aus. Dann kam es zum Grenzkrieg mit Äthiopien. Die bewaffneten Auseinandersetzungen kosteten Zehntausenden Menschen das Leben und brachten die Entwicklung des Landes zum Erliegen.

In einer Erklärung vom 15. September erklärte die EU-Außenkommissarin Catherine Ashton, der 27-Länder-Block sei zutiefst besorgt über die Lage der seit zehn Jahren in Eritrea einsitzenden Häftlinge und der fortgesetzten Verstöße der Afewerki-Regierung gegen national und international eingegangene Menschenrechtsverpflichtungen.

Sie bezog sich vor allem auf das Schicksal von sieben eritreischen Abgeordneten und Mitgliedern der regierenden Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ), die seit dem 18. September 2001 im Gefängnis sitzen, und den seit dem 23. September 2001 festgehaltenen zehn unabhängigen Journalisten einschließlich des eritreisch-schwedischen Staatsbürgers Dawit Isaak. Trotz wiederholter Appelle der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union seien die Betroffenen in den letzten zehn Jahren ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und ihrer Rechte beraubt worden.

"Der fortgesetzte Informationsmangel über das Schicksal und die Gesundheitssituation der Gefangenen ist ein klarer Verstoß gegen zahlreiche Menschenrechte wie das Verbot, Menschen willkürlich festzunehmen und ihrer Rechte auf Freiheit und menschenwürdige Behandlung zu berauben", so Ashton in dem Papier. Zur Einhaltung solcher grundlegenden Rechte ist Eritrea verpflichtet, da es den UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) ratifiziert hat.

Ashton erklärte weiter: "Die Europäische Union fordert die Regierung des Staates Eritrea auf, diese und andere Gefangene, die wegen ihrer politischen Gesinnung festgehalten werden, unverzüglich freizulassen. Die Europäische Union fordert die Regierung des Staates Eritrea auf, über den Verbleib dieser Menschen zu informieren und ihnen den Kontakt zu ihren Familien und Anwälten allein schon aus humanitären Gründen zu gewähren."


Menschenrechtssituation kontinuierlich verschlechtert

Am 14. September hatte das Europäische Parlament in einer Resolution seine tiefe Sorge über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Eritrea und insbesondere über die fehlende Meinungsfreiheit und die Praxis, Menschen aus politischen Gründen einzusperren, zum Ausdruck gebracht. Diese Demokratiedefizite vertrügen sich nicht mit den Prinzipien der Rechtstaatlichkeit und der eritreischen Verfassung. Darüber hinaus hieß es, dass es die Afewerki-Regierung trotz wiederholter Appelle von Seiten der EU und internationaler Menschenrechtsorganisationen an jeder Zusammenarbeit fehlen lasse.

Das Europäische Parlament zeigte sich "schockiert" angesichts der fortgesetzten Weigerung der eritreischen Regierung, über die Haftbedingungen zu informieren und die Frage zu beantworten, ob die politischen Gefangenen überhaupt noch am Leben seien.

Aus Berichten ehemaliger Gefängniswärter geht hervor, dass mehr als die Hälfte der 2001 festgenommenen Regierungsvertreter und Journalisten tot ist. Das Europäische Parlament fürchtet insbesondere um das Leben des Journalisten Dawit Isaak, weil er unter unzumutbaren Haftbedingungen ohne Zugang zu der erforderlichen Gesundheitsversorgung festgehalten wird.

In einer Rede über die Lage in Eritrea brachte der Präsident des Europäischen Parlaments, der Pole Jerzy Buzek, seine Hoffnung zu Ausdruck, "dass Dawit Isaak noch lebt, freigelassen und in den Kreis seiner Familie zurückkehren kann". Wie Jean-Paul Marthoz vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) betonte, ist die Erklärung Buzeks insofern von besonderer Bedeutung, weil Polen derzeit den Vorsitz der Europäischen Union inne hat. (Ende/IPS/kb/2011)

* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland unter dem Dach von GlobalNewsHub.Net


Links:
http://www.eepa.be/wcm/index.php
http://www.socialwatch.org/
http://www.cpj.org/
http://www.socialwatch.org/
http://www.indepthnews.info/index.php/global-issues/411-eu-wants-eritrea-to-release-all-political-prisoners

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2011