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AFRIKA/1038: Marokko - Regionen wollen Autonomie, Westsahara-Gespräche Bumerang für Regierung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. September 2011

Marokko: Regionen wollen Autonomie - Westsahara-Gespräche Bumerang für Regierung

Von Abderrahim El Ouali


Casablanca, 15. September (IPS) - Marokkos Angebot, der ehemals von Spanien besetzten Westsahara Autonomie zu gewähren, hat offensichtlich einen Bumerang-Effekt. Weitere nach Unabhängigkeit strebende Regionen in dem nordafrikanischen Königreich fordern nun ähnliche Rechte.

Einen autonomen Status für die Westsahara hatte Marokko bereits 2007 bei den Vereinten Nationen angeregt. Damit sollte der Unabhängigkeitsbewegung in der seit 1975 von Marokko annektierten Region der Wind aus den Segeln genommen werden. Die POLISARIO, die für eine vollständige Abspaltung des an Bodenschätzen reichen Gebiets von Marokko kämpft, wies das Angebot zurück.

Bis 1991 hatte die POLISARIO einen Unabhängigkeitskrieg gegen die Regierung in Rabat geführt. Nun drängen die Rebellen dazu, die Frage in einem Referendum klären zu lassen. Acht Verhandlungsrunden in New York sind jedoch bislang gescheitert.

Das Autonomieangebot Marokkos hat unterdessen Aktivisten in den Regionen Rif im Norden und Sousse im Süden dazu ermutigt, Unabhängigkeitsbewegungen zu gründen. Während in der Westsahara lediglich etwa 500.000 Menschen leben, sind in Rif 2,4 Millionen und in Sousse etwa drei Millionen Menschen zu Hause. Das geht aus dem jüngsten staatlichen Zensus von 2004 hervor.

In Rif und Sousse leben vorwiegend Angehörige des Amazigh-Volkes, dessen Sprache in der am 1. Juli angenommenen neuen Staatsverfassung Marokkos neben dem Arabischen offiziell anerkannt wird.


Gleiche Rechte für alle Regionen gefordert

Für Ahmed Khanboubi, einem Mitglied dieser Ethnie, ist es nicht nachvollziehbar, warum nur einer Region ein Autonomieangebot unterbreitet wird. "Was für eine Region gilt, muss auch für die anderen Landesteile gelten", forderte er.

Andere politische Beobachter setzen ihre Hoffnung in einen Plan zur "fortgeschrittenen Regionalisierung", den König Mohammed VI. in einer Rede am 9. März vorgestellt hatte. Der Soziologe Habib Anoune räumte ein, dass ein weitreichendes Autonomieprojekt für marokkanische Regionen eine "langfristige Hypothese" sei.

Der Plan des Königs sieht vor, dass das Land in zwölf Regionen geteilt wird, die jeweils von einem gewählten Rat verwaltet werden. Auf regionaler Ebene können demnach politische Entscheidungen unabhängig von der Zentralregierung getroffen werden.

Nach Ansicht von Khanboubi muss die Regionalisierung jedoch von den Bürgern selbst ausgehen, die damit ihre Interessen wahren könnten. Er kritisierte, dass der Ausschuss, der den Plan ausarbeiten soll, von dem Monarchen einberufen und nicht demokratisch gewählt worden sei. "Es ist notwendig, die Meinung der Bürger zu berücksichtigen, statt die Teilung des Landes in vollklimatisierten Büros in Rabat zu entscheiden."

Dabei ist der föderalistische Gedanke in Marokko nicht neu. Bereits 1971 wurde das Königreich in sieben Regionen aufgeteilt. 25 Jahre später bildete König Hassan II. 1996 weitere 16 Regionen. Zwar habe das Parlament über ein Gesetz abgestimmt, dass die Kompetenzen der regionalen Räte festlege, sagte Khanboubi. Dennoch hätten die Gremien nach wie vor kaum etwas zu sagen.


Regionale Gouverneure bisher vom König ernannt

Die Gouverneure der Regionen werden nicht gewählt, sondern vom König eingesetzt. In der neuen Verfassung ist festgelegt, dass sie von der Regierung ernannt werden. "Wir müssen die Oberaufsicht beenden und den regionalen Räten ihre vollen Kompetenzen geben", erklärte der Experte.

Anoune hofft, dass der Plan die Modernisierung und Demokratisierung des nordafrikanischen Landes vorantreiben wird. Die Frage sei nur, wo eine Grenze zu ziehen sei. "Die Regierung hat die fortgeschrittene Regionalisierung rasch gefördert, um auf die Autonomieforderungen zu reagieren", sagte er. "In Zukunft wird der Kampf für Demokratie in den Regionen geführt werden." (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2011