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SOZIALES/1803: SPD-Aktionsplan - Kitaausbau vorantreiben, Rechtsanspruch sichern!


SPD-Pressemitteilung 166/12 vom 21. Mai 2012

SPD-Aktionsplan: Kitaausbau vorantreiben - Rechtsanspruch sichern!



Im August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab Eins in Kraft. Bis dahin müssen 750.000 Betreuungsplätze geschaffen sein. Nach neuesten Berechnungen gingen im März 2011 rund 517.000 Kinder unter drei Jahren in eine Kita, die Quote lag bundesweit bei durchschnittlich 25,4 Prozent. Die im Krippengipfel 2007 vereinbarte Quote beträgt 35 Prozent. In dem Zeitraum zwischen März 2011 und August 2013 müssen demnach noch mindestens 233.000 Plätze geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund hat die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, heute in Berlin folgenden Aktionsplan zum Kitaausbau vorgestellt:

In knapp 15 Monaten ist es soweit: Der Rechtsanspruch auf einen Platz in der KiTa oder Tagespflege ab dem ersten Geburtstag tritt in Kraft. Ab dem 1. August 2013 bekommen Kinder endlich ihr Recht auf Bildung von Anfang an. Und Eltern die Chance, ihre Erwerbswünsche mit einem Leben mit Kindern zu vereinbaren.

Die Umsetzung des Rechtsanspruchs markiert einen wichtigen familienpolitischen Meilenstein. Ein flächendeckendes Angebot guter Kitaplätze für alle Kinder zu schaffen, deren Eltern das wünschen, hat für uns große Priorität. Denn eine gute Betreuungsinfrastruktur sorgt nicht nur für mehr Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der frühe KiTa-Besuch ist auch ein Schlüssel für gelingende Integration. Darüber hinaus ist ein flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuung die beste Armutsprävention: Denn nur Erwerbstätigkeit verhilft Familien zu einer eigenständigen Existenzsicherung. Und schließlich sichern wir für die deutsche Wirtschaft dringend benötigte Fachkräfte.

Deshalb war richtig, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den Rechtsanspruch entwickelt und in der Großen Koalition ins Kinder- und Jugendhilfegesetz geschrieben haben. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass sich neben Ländern und Kommunen der Bund am Ausbau der Kinderbetreuung beteiligt.


Trotz erheblicher Anstrengungen - der Rechtsanspruch droht zu scheitern

Der Rechtsanspruch genauso wie die finanzielle Unterstützung durch den Bund und die Anstrengungen in den Ländern und vor Ort haben dem Ausbau von KiTas und Tagespflege einen gewaltigen Schub verliehen. In den letzten Jahren ist es den Kommunen, Ländern und Trägern unter Aufbringung von erheblichen finanziellen Mitteln und Knowhow gelungen, Hunderttausende neuer Plätze zu schaffen. Das ist eine enorme Leistung.

Die Kommunen wollen die Kindertagesbetreuung weiter ausbauen, auch deutlich über den ursprünglich angesetzten Bedarf von 35% hinaus. Dennoch spitzt sich jetzt die Situation in vielen Regionen zu. Bis zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs muss noch eine erhebliche Anzahl an Betreuungsplätzen geschaffen werden. Viele Kommunen und auch Länder sehen sich vor erheblichen Schwierigkeiten: Der bei Verabschiedung des KiFöG kalkulierte Bedarf war insbesondere in den Ballungsräumen zu niedrig angesetzt. Die Zeit wird daher knapp und die für den Ausbau bereit gestellten Mittel reichen nicht aus. Zugleich fehlen geeignete Liegenschaften und Immobilien gerade in den Ballungsräumen mit einer höheren Nachfrage. Ebenso mangelt es an ausreichendem Erzieherpersonal. Die Bundesregierung weiß das, vernachlässigt aber ihre familienpolitische Verantwortung und bietet keine wirksamen Lösungen der Probleme an. Seit zwei Jahren verweigert sie einen neuen Krippengipfel mit Kommunen und Ländern. Es droht, dass der Rechtanspruch im kommenden Jahr nicht für alle Kinder erfüllt werden kann.

Ausbauprogramm muss an tatsächliche Entwicklung angepasst werden Die Vereinbarungen zum bedarfsgerechten Ausbau der Betreuungsplätze für die Kinder unter drei Jahren basieren auf Daten vor 2007. Der Bund stellt danach von 2008 bis 2013 insgesamt 4 Milliarden Euro für Investitionen und Betrieb, ab 2014 dann nur noch jährlich 770 Millionen Euro für den Betrieb zur Verfügung. Das entspricht lediglich einer Bundesbeteiligung von unter 20 Prozent an den fortlaufenden jährlichen Kosten der neu zu schaffenden Plätze und bleibt damit weit hinter dem verabredeten Drittel zurück.

Die CDU/FDP-Bundesregierung hat eine realitätsgerechte Fortschreibung des Ausbauprogramms versäumt und sich entsprechenden Forderungen von Ländern und Kommunen verweigert. Ferner hat sie die kommunale Finanzsituation durch eine unverantwortliche Steuerpolitik weiter verschärft. Um das politische Versprechen an Eltern und Familien auf ein ausreichendes Angebot einzulösen, muss das Ausbauprogramm an die tatsächliche Entwicklung angepasst werden. Dabei sind eine deutlich höhere Nachfrage, die Kostensteigerung und die Tariferhöhungen zu berücksichtigen. Ferner sind die Planungen auf der Grundlage neuerer Bedarfsprognosen in Verbindung mit der tatsächlichen demografischen Entwicklung und ihren regional unterschiedlichen Entwicklungen auf den Ausbaubedarf fortzuschreiben.

Deshalb müssen die Ergebnisse des Krippengipfels 2007 überprüft und an die reale Entwicklung der Kosten und des Bedarfs angepasst werden. Dabei ist auch der tatsächlichen demografischen Entwicklung mit ihren regional unterschiedlichen Auswirkungen auf den Ausbaubedarf Rechnung zu tragen.

Der Rückzug der Bundesregierung auf die seinerzeit bundesweit vereinbarte Globalzahl von 750.000 Plätzen ignoriert die realen Entwicklungen und Probleme. Denn vor allem in den Ballungsräumen liegt der tatsächliche Bedarf deutlich über dem ursprünglich kalkulierten Durchschnittswert von 35 Prozent. Die Kommunen aber müssen 2013 den Rechtsanspruch nach dem konkreten Bedarf vor Ort erfüllen und dürfen deshalb nicht mit den Folgen falscher Annahmen und der Untätigkeit der Bundesregierung im Stich gelassen werden. Darauf hatten die Länder bereits auf ihrer Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) im Juni 2010 hingewiesen und zusätzliche Unterstützung von der Bundesfamilienministerin gefordert.


Fachkräfte fehlen

Gute frühkindliche Bildung erfordert gut ausgebildete Fachkräfte. Tatsächlich sind in den letzten sechs Jahren zusätzliche 65.000 Erzieherinnen und Erzieher eingestellt worden. Trotzdem fehlen in den meisten Ländern und Kommunen noch Fachkräfte. Zum Teil können KiTagruppen nicht eingerichtet werden, weil es an Erzieherinnen und Erziehern fehlt. Verschärft wird das Problem durch eine in den nächsten Jahren anstehende Pensionierungswelle im Bereich der Kindertageseinrichtungen.


Qualität muss gesichert werden

Neben dem rein quantitiativen Ausbau von Kitas und Tagespflege stehen Kommunen und Träger vor der Herausforderung, auch die Qualität zu sichern und weiter zu verbessern. Denn nur mit guter früher Förderung und vor allem mit Erzieherinnen und Erziehern, die gut ausgebildet und gut bezahlt sind, können wir bessere Bildungschancen und mehr Chancengleichheit erreichen.


Der Kitaausbau ist unterfinanziert

Aus diesen Gründen ist der Kitaausbau unterfinanziert. Die Bundesmittel reichen nicht aus, weder für die anfallenden Investitionskosten noch für den Betrieb. Und auch die Länder sind in der Verantwortung, den Kommunen zügig und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.


Bundesregierung lässt Kitaausbau scheitern

All diese Probleme beim Kitaausbau sind nicht neu. Sie zeichnen sich seit Jahren ab. Deshalb haben wir mehrfach von der Bundesregierung gefordert, einen neuen Krippengipfel einzuberufen. Das ist der richtige Ort, um in einer gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung die aufgetretenen Probleme zu lösen und für die fristgerechte Umsetzung des Rechtsanspruchs zu sorgen.

Doch die Bundesregierung hat die Entwicklung völlig ignoriert. Familienministerin Schröder wird auch hier ihrer Verantwortung nicht gerecht. Die Hilferufe der Kommunen verhallen ungehört. Schröder und Merkel schauen tatenlos zu, wie sich die Probleme beim Kitaausbau zuspitzen. Der Bund verweigert seit zwei Jahren einen neuen Krippengipfel. Auch die Ankündigung eines einseitigen Aktionsplans, der nicht mit Kommunen und Ländern abgestimmt ist, ist Ausdruck einer mangelnden Ernsthaftigkeit bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs.

Mit der angekündigten Einführung einer Fernhalteprämie wird klar, wohin die Reise der Konservativen gehen soll: Frau Merkel und Herr Seehofer wollen Anreize dafür schaffen, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Sie wollen sich mit 100 bzw. 150 Euro monatlich aus ihrer Verantwortung für den KiTA-Ausbau herauskaufen. Dabei nehmen sie billigend schlechtere Erwerbschancen für Frauen und schlechtere Bildungs- und Integrationschancen von Kindern in Kauf. Das ist verantwortungslos. Die Front der Ablehnung reicht folgerichtig von den Gewerkschaften über Bildungsforscher/innen, Wohlfahrtsverbände, die evangelische Kirche bis zu den Arbeitgeber/innen. Doch all das lässt die Bundesregierung kalt: Ihr geht es schon längst nicht mehr um das Wohl der Kinder und Familien. Sie hält aus rein parteitaktischen Gründen am Unsinn Betreuungsgeld fest.

Die 2 Mrd. Euro, die das Betreuungsgeld Jahr für Jahr kostet, gefährden den Kitaausbau noch weiter. Diese Mittel müssen dringend und dauerhaft in den forcierten Ausbau und in den Betrieb von KiTAs und Tagespflege investiert werden. 200.000 zusätzliche Plätze könnten damit entstehen und deren Betrieb finanziert werden. Das entspricht dem Großteil der noch fehlenden Plätze, die noch geschaffen werden müssen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen.


Wir wollen Kitaausbau statt Fernhalteprämie

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen auf Kitaausbau statt Fernhalteprämie. Mehr Plätze und bessere Qualität in der frühkindlichen Bildung sind das, was Eltern zu Recht von uns Politikerinnen und Politikern erwarten. Für diesen weiteren Ausbau haben wir ein umfassendes Konzept im Rahmen unseres Leitantrags "Familienland Deutschland" auf unserem Bundesparteitag im Dezember 2011 verabschiedet. Dieses Konzept beinhaltet einen Stufenplan, mit dem flächendeckend Ganztagskitas und Ganztagsschulen bis 2020 in Deutschland ausgebaut werden sollen und zeigt, dass dafür ein Volumen von 20 Milliarden Euro notwendig ist.

Jetzt geht es in einem ersten Schritt darum, die fristgerechte Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Bildung und Betreuung sicherzustellen. Wir wollen Schluss machen mit dem Verschieben von Verantwortung. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Bund genauso wie in Ländern und Kommunen betrachten den Kitaausbau als nationale Kraftanstrengung und nehmen ihre Verantwortung ernst.

Mit einem gemeinsamen Aktionsplan nehmen wir alle Ebenen in die Pflicht, zusammen alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kita oder Tagespflege ab Eins zu sichern:

1. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden und so schnell wie möglich einen erneuten Krippengipfel unter Beteiligung von Ländern und Kommunen einzuberufen. Das ist der richtige Ort, um realistische Ziele und wirksame Maßnahmen zur fristgerechten Umsetzung des Rechtsanspruchs gemeinsam zu vereinbaren.

2. Die Länder sind aufgefordert, gemeinsam mit Kommunen und Trägern regionale Krippengipfel durchzuführen und Aktionspläne erstellen, die die Kommunen dabei unterstützen, fristgerecht Angebote zu schaffen und die Ausbauziele schnellstmöglich zu erreichen.

3. Der zur Erfüllung des Rechtsanspruchs erforderliche Ausbau guter Betreuungsplätze muss ausfinanziert werden. Dazu gehört, dass der Bund seinen Finanzierungsanteil sowohl bei den Investitionskosten als auch ab 2014 bei den Betriebskosten auf der Basis der tatsächlichen Entwicklung der Kosten und des Bedarfs ausweiten muss. Denn neben der Investitionsförderung ist eine dauerhaft verlässliche und der tatsächlichen Entwicklung angemessene Unterstützung der Kommunen bei den Betriebskosten das entscheidende Instrument zur Beschleunigung des Betreuungsausbaus. Das ist insbesondere aus Sicht der Städte und Gemeinden, die sich in einer finanziellen Notlage befinden und mit dem Ausbau finanziell überfordert sind, notwendig.

Das Gleiche gilt für die Länder. Auch sie müssen, wo noch nicht geschehen, ihren Beitrag leisten und den Kommunen schnell und unbürokratisch zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Positive Beispiele sind NRW und Baden-Württemberg. Nachdem dort die CDU- geführten Landesregierungen abgewählt waren, haben die neuen Verantwortlichen in beiden Ländern das Ruder herumgerissen und die Landesmittel deutlich aufgestockt oder erstmals überhaupt Landesmittel für den Kita-Ausbau zur Verfügung gestellt.

4. Viele Eltern sehr junger Kinder fragen die Kindertagespflege als familienähnliche Betreuungsform nach. Länder und Kommunen müssen deshalb die Kindertagespflege auf hohem qualitativen Niveau weiter ausbauen. Der Bund soll deshalb in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen Maßnahmen zum Ausbau und zur Qualifizierung der Tagespflege erweitern. Dabei wollen wir Tagespflege und KiTAs besser vernetzen und die Übergänge gut gestalten.

5. Eine wachsende Zahl von Unternehmen fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Sicherung ihres Fachkräftebedarfs und richtet betriebliche Betreuungsangebote ein. Bund, Länder und Kommunen sollten deshalb interessierte Unternehmen motivieren und unterstützen, Belegplätze für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereitzustellen oder eigene betriebliche Betreuungsangebote zu gründen. Länder und Kommunen haben eine wichtige Beratungs- und Servicefunktion bei der Suche nach geeigneten Trägern, Standorten und Fördermöglichkeiten. Das auslaufende Bundesprogramm "Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung" sollte deshalb mit besseren Bedingungen erneuert werden.

6. Wir fordern die Bundesregierung auf, in enger Zusammenarbeit mit Ländern, Kommunen und Trägern eine bundesweite Fachkräfteinitiative zu starten, um den steigenden Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern zu decken. Dabei ist die Bundesagentur für Arbeit einzubeziehen, die Gewerkschaften und Berufsverbände sind zu beteiligen.

Die Länder sind gefordert, Ausbildung, Umschulung und berufsbegleitende Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern unter Wahrung hoher Qualitätsstandards weiter zu fördern. Der wachsende Fachkräftebedarf wird nur zu decken sein, wenn die Arbeitsbedingungen im Erzieherberuf verbessert werden.

7. Wir sagen klar NEIN zur Fernhalteprämie und fordern die Kanzlerin auf, diese zu stoppen. Sie ist eine milliardenschwere Fehlinvestition mit fatalen Folgen. Wir wollen die hierfür veranschlagten Mittel stattdessen in den weiteren quantitativen wie qualitativen Ausbaus der Kitas und ihre Betriebskosten investieren. Hier ist jeder Euro gut angelegt.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 166/12 vom 21. Mai 2012
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2012