Der Landtag - Nr. 03 / September 2017
Der Parlaments-Knigge: Was ist erlaubt?
Beim politischen Wettstreit im Plenarsaal gibt es Regeln, die festlegen, was man darf. Oder was man auf keinen Fall tun oder sagen sollte. Einige Beispiele:
Zwischenrufe:
Eine Landtagssitzung ist kein Vortrag, wo die Zuhörer gebannt den
Ausführungen des Redners lauschen. Die Debatte soll die
unterschiedlichen politischen Positionen verdeutlichen, und dazu
gehört es, dass der Redner mit Widerspruch aus dem gegnerischen Lager
rechnen muss. Insofern ist der Zwischenruf in Deutschland Teil der
parlamentarischen Tradition - anders als etwa in den skandinavischen
Ländern, wo es verpönt ist, den Redner zu stören. Ein Zwischenruf darf
allerdings nicht beleidigend sein. Und er sollte kurz und prägnant
bleiben. "Parallelreden" sind nicht erwünscht. Hinzu kommt: Nur
Abgeordnete dürfen laute Kommentare abgeben. Die Mitglieder der
Landesregierung müssen stumm bleiben.
Applaus:
Das Gleiche gilt für den Beifall. Abgeordnete dürfen klatschen,
Minister nicht.
Ordnungsrufe:
Wenn ein Parlamentarier "die Ordnung verletzt", wie es in der
Geschäftsordnung heißt, dann kann der Landtagspräsident ihm einen
Ordnungsruf erteilen. Es ist nicht genau definiert, was als
Ordnungsverletzung anzusehen ist. Das Recht eines Parlamentariers auf
freie Rede gibt ihm einen breiten Spielraum. Aber wer seine
Mitmenschen beleidigt, bedroht oder in ihrer Ehre verletzt, muss damit
rechnen, dass das Präsidium eingreift. In den hochpolitischen
70er- und 80er-Jahren kam es im Plenarsaal häufiger zu
Ordnungsverstößen. In den vergangenen Jahren ist ihre Zahl stark
gesunken. Ordnungsrufe gab es beispielsweise für Aussagen wie
"Lümmel", "Nachtwächter", "Flegel", "Heuchler", "Wirrkopf" oder
"Feigling", für den Vorwurf der Lüge oder für den Satz "Sie haben den
geistigen Minirock noch nicht ausgezogen".
Ausschluss:
Erzielt der Ordnungsruf als "gelbe Karte" keine Wirkung, kann der
Landtagspräsident einem Redner das Wort entziehen oder sogar einem
Abgeordneten einen "Platzverweis" erteilen. Der Parlamentarier muss
dann für den Rest des Tages der Debatte fernbleiben. Dies war zuletzt
im November 1994 der Fall, als ein Abgeordneter der rechtsextremen
"Deutschen Liga für Volk und Heimat" den Plenarsaal mit einem
Bauchladen betrat und Päckchen verteilte. Dies war als Protest gegen
die Drogenpolitik der damaligen Landesregierung gedacht.
Aktionen:
Abgeordnete haben mehrfach die Plenarsitzung für
öffentlichkeitswirksame Auftritte genutzt. Im Februar 2016 legten die
Piraten ein Vogel-Strauß-Plüschtier auf die Tische der SPD, um deren
angebliche realitätsfremde "Vogel-Strauß-Politik" zu kritisieren.
Dafür gab es einen Ordnungsruf. Im Dezember 2005 erschien die
komplette Grünen-Fraktion mit T-Shirts, die eine durchgestrichene
Zigarette zeigten. Die Demonstration für ein umfassendes Rauchverbot
beschäftigte später den Ältestenrat.
Kleidung:
Eine Kleidungvorschrift für Abgeordnete gibt es nicht. Waren in
vergangenen Jahrzehnten noch Anzug mit Schlips oder klassische
Damenkostüme üblich, so sind heute auch Sakko, Hemd oder Sommerkleid
an der Tagesordnung. Die Hausordnung des Landtages verbietet Gästen
eine "unangemessene Bekleidung", etwa mit politischer oder
gewaltverherrlichender Aufschrift. Journalisten und Kameraleute, die
sich während der Sitzung im Saal aufhalten, sollen "eine dem Parlament
angemessene gepflegte Kleidung" tragen.
Anwesenheit:
Abgeordnete haben laut Geschäftsordnung "die Pflicht, an den Sitzungen
des Landtages teilzunehmen" und müssen sich morgens in eine Liste
eintragen. Wer fehlt, etwa wegen Krankheit, muss dies dem Präsidenten
mitteilen. Die Mitglieder der Landesregierung "haben zu den Sitzungen
des Landtages Zutritt", wie es heißt. Ist ein Minister aus wichtigen
Gründen verhindert, so muss er dies rechtzeitig dem Ältestenrat
mitteilen. Ansonsten kann ihn das Parlament herbeizitieren. Dies
geschah beispielsweise im September 2016, als die Staatskanzlei es
versäumt hatte, einen auswärtigen Termin von Ministerpräsident Torsten
Albig anzukündigen. Die Opposition forderte die Anwesenheit des
Regierungschefs, und Albig musste ins Landeshaus eilen.
Zuschauer:
Die Abgeordneten sollen grundsätzlich frei von äußeren Beeinflussungen
debattieren und abstimmen können. Deswegen sind Beifall,
Missbilligung, Zwischenfragen oder das Zeigen von Transparenten auf
der Zuschauertribüne nicht gestattet.
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Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / September 2017, S. 24
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel
Tobias Rischer (verantwortlich)
Telefon: 0431/988 1120
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2017
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