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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2168: Streichen Traditionsschiffe die Segel? Der Norden meutert (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 01 / April 2017
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

PLENUM
Streichen Traditionsschiffe die Segel? Der Norden meutert


Weiterhin volle Kraft voraus für Traditionsschiffe: Der Landtag geht auf Gegenkurs zu Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Bayer hat eine neue Sicherheitsverordnung vom Stapel gelassen, die für viele Dampfer und Segelschiffe den Untergang bedeuten könnte. Die Landesregierung soll nun in Berlin gegensteuern.


Die rund 120 in Deutschland registrierten Traditionsschiffe sollen ihren Brandschutz aufstocken, falls mehr als 50 Passagiere mitschippern. Zudem sollen die Betreiber, meist Ehrenamtler, einen aufwendigen Prüfbericht anfertigen, damit ihre Gemeinnützigkeit steuerlich anerkannt wird. Und die Berufsgenossenschaft soll jede Crew einzeln begutachten und ein "Besatzungszeugnis" ausstellen. Nachdem viele im Norden gemeutert haben, hat die Berliner Kommandobrücke ihre Verordnung bereits entschärft. Dennoch befürchtet der Landtag: Ohne einen kompletten Kursschwenk sind die Windjammerparaden in Kiel und Travemünde oder die Flensburger Rumregatta akut von der Havarie bedroht.

"Mir haben Experten versichert, dass dies nicht zu mehr Sicherheit an Bord führen würde, sondern nur zu deutlich mehr Bürokratie", machte Christopher Vogt (FDP) deutlich. Hans-Jörn Arp (CDU) blickte über die Grenzen: "Solange in Holland oder Frankreich Traditionsschiffe fahren, haben wir keine Veranlassung, in Deutschland anders zu handeln." Auch Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) monierte, man könne nicht "Regelungen aus der Berufsschifffahrt aufs Ehrenamt übertragen". Gemeinsam mit seinen Kollegen aus den anderen Nord-Ländern hat Meyer in Berlin S.O.S. gefunkt. Der Bund kann die Verordnung allerdings durchdrücken, ohne die Länder zu fragen. Stimmt die EU-Kommission zu, soll das im Frühjahr geschehen.

Einige Redner nahmen den süddeutschen Minister auf die Schippe, dem maritime Traditionen offenbar fremd seien. "Wer über die Wies'n nicht hinausschauen kann, der sieht auch keine Rumregatta", befand Regina Poersch (SPD). Man wolle ja auch nicht "den Bayern vorschreiben, dass die Weißwurst demnächst rot sein muss", kritisierte Andreas Tietze (Grüne). Niemand käme auf die Idee, das Schloss Neuschwanstein zu schließen, "nur weil es den heutigen statischen Anforderungen nicht entspricht", so Flemming Meyer (SSW). Und Uli König (Piraten) hoffte: "Mit Leichtmatrosen wie dem Dobrindt werden wir schon fertig".

Aktuell: Das Bundesverkehrsministerium will eine Ombudsstelle einrichten, um Streitfälle wegen der neuen Verordnung zu lösen.

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 01 / April 2017, S. 22
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2017

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