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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2154: Elektro-Autos - Sechs Halteschilder bis zur Verkehrsrevolution (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 04 / Dezember 2016
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Elektro-Autos
Sechs Halteschilder bis zur Verkehrsrevolution


1,5 Millionen Kraftfahrzeuge haben zurzeit ein schleswig-holsteinisches Kennzeichen. Nur 740 davon sind Elektro-Autos. Die E-Mobilität ist noch eine Randerscheinung. Doch schon in wenigen Jahren könnten strombetriebene Autos die traditionellen Benziner und Dieselfahrzeuge verdrängen. Experten erwarten massive Umwälzungen im Straßenverkehr. Das wurde Anfang November im Umweltausschuss deutlich. Allerdings: Die neue Technik muss noch einige Hindernisse umkurven. CDU und Piraten hatten das Thema auf die Tagesordnung gesetzt.


Problem 1: Die Förderung

4.000 Euro erhält der Käufer eines E-Autos seit Mai 2016 als Prämie vom Bund. Wer sich ein Hybrid-Fahrzeug anschafft, kann sich immerhin über 3.000 Euro freuen. Diese Art der Förderung stieß im Ausschuss bei Abgeordneten wie bei Fachleuten auf breite Kritik. "Stecken Sie die Gelder in die Grundlagenforschung!", forderte Gerhard Hillebrand, stellvertretender Vorsitzender des ADAC Schleswig-Holstein. Das sah auch Prof. Roland Eisele von der Fachhochschule Kiel so. Andere Länder seien bei der E-Mobilität schon sehr viel weiter: "Wir drohen, etwas zu verschlafen."


Problem 2: Die Reichweite

Für etwa 200 Kilometer reicht bei den meisten E-Modellen eine Batterieladung. Nur wenige schaffen 500 Kilometer und mehr. Die "Reichweitenangst" halte viele Interessenten vom Kauf eines Elektroautos ab, hat der Piraten-Abgeordnete Uli König beobachtet. Hinzu kommt die Ladezeit. Die liegt derzeit häufig bei drei Stunden - ein " Einschnitt in den Komfort", so Marcus Hrach vom Bundesverband Windenergie.


Problem 3: Die Ladesäulen

An rund 200 Ladestationen im Lande können E-Autos derzeit ihren Strom zapfen. Das muss mehr werden, aber das Wachstum darf nicht "ungeplant" verlaufen. Das mahnt Roman Kaak vom Verband der schleswig-holsteinischen Energie- und Wasserwirtschaft an. Die Stromnetze könnten ansonsten überlastet werden. Kaaks Rechnung: Wenn, wie von der Bundesregierung angestrebt, im Jahr 2030 etwa 65 Prozent der deutschen Autos elektrisch unterwegs sind, dann braucht man zehn Prozent mehr Strom als jetzt. Um die Extra-Spannung zu verdauen, müsse sich die Leistungsfähigkeit der Netze allerdings verdoppeln: "Sonst brennt die Sicherung durch."


Problem 4: Das Laden zuhause

Der einfachste Weg, seinen Elektromotor aufzufüllen, ist die heimische Steckdose. Zumal man nachts von einem billigeren Strompreis profitieren könne, wie der CDU-Abgeordnete Heiner Rickers feststellte. Allerdings: Einen direkten Anschluss an das Auto haben in der Regel nur Hausbesitzer mit Parkplatz vor der eigenen Tür. Wer eine Mietwohnung im dritten Stock hat und seinen Wagen um die Ecke parkt, stößt auf Probleme. Deswegen sei das E-Auto zurzeit vor allem auf dem Land verbreitet, berichtete Stephan Wiese von der Genossenschaft "eE4mobile" aus dem nordfriesischen Enge-Sande. Allein 200 der 740 schleswig-holsteinischen E-Autos seien in Nordfriesland gemeldet.


Problem 5: Der Preis

Wer elektrisch fahren will, muss zurzeit tief in die Tasche greifen. Einen Kleinwagen gibt es ab 20.000 Euro, für ein Fahrzeug der Oberklasse werden schon mal 100.000 Euro fällig. Das E-Auto-Fahren sei immer noch ein "Luxus", merkte die FDP-Abgeordnete Anita Klahn an. Im Betrieb ist der E-Wagen jedoch deutlich günstiger. Das betonte Prof. Roland Tiedemann von der Fachhochschule Lübeck. Strom sei jetzt schon billiger als Benzin. Zudem habe ein E-Auto weniger Verschleißteile. Die Werkstattkosten könnten um mehr als 60 Prozent sinken, und ein Ölwechsel ist ohnehin nicht nötig. Tiedemanns Prognose: "An dem Tag, wo der gleiche Preis gilt, wird kaum noch ein Kunde einen Wagen mit Verbrennungsmotor kaufen."


Problem 6: Die Geräusche

"Man sieht sie, aber man hört sie nicht." So beschrieb ADAC-Mann Hillebrand das fehlende Motorgeräusch bei E-Mobilen. Das sei eine Gefahrenquelle. Die Verkehrserziehung der Kinder müsse neu ausgerichtet werden, und die gesamte Bevölkerung müsse "umdenken". Die meisten E-Modelle können künstliche Motorengeräusche produzieren, aber EU-weite Standards gibt es dafür noch nicht. Der Grünen-Abgeordnete Detlef Matthiessen wies darauf hin, dass der Verkehr allgemein leiser werde. Auch ein Oberklassewagen schnurre bereits durch die Landschaft. Und Fahrräder seien ohnehin beinahe lautlos.

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 04 / Dezember 2016, S. 12
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2017

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