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RHEINLAND-PFALZ/2882: Verzicht auf Wiederaufforstung (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 42/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 18. November 2013

Verzicht auf Wiederaufforstung



In einer von der Fraktion der CDU beantragten Aktuellen Stunde diskutierte der Landtag über die Pläne der Landesregierung zur Novellierung des Landeswaldgesetzes. Die CDU-Fraktion sah die Nachhaltigkeit in Rheinland-Pfalz gefährdet, wenn mit dem geplanten Gesetzentwurf auf Wiederaufforstung verzichtet werde und warf der Landesregierung Profitgier vor.

In einem Rundschreiben des Ministeriums stehe, dass aufgrund des im Vergleich zu anderen Ländern hohen Bewaldungsanteils in Rheinland-Pfalz ein Verzicht auf eine Walderhaltung und Waldmehrung politisch alternativlos sei, so Michael Billen (CDU). Für Billen verstecke sich hinter diesen Plänen die "Gier nach Geld". Im Moment begrüße die Landwirtschaft diesen Gesetzentwurf zwar, aber nur, weil sie noch nicht die ganzen Pläne von Ministerin Höfken kenne. Diese habe nämlich gesagt, dass bei einer Aufgabe der Walderhaltung die Wiesen ökologisiert werden würden. "Damit holt man sie aus der Produktion heraus. Ich wüsste nicht, was die Bauern gewinnen, wenn noch nicht einmal mehr Wald wächst, sondern es nur noch ökologisierte stillgelegte Wiesen gibt", wunderte sich Billen. Selbst der BUND findet, dass damit keine Verbesserung der Artenvielfalt und der Pflanzenvielfalt erreicht werde. Billen warf Ministerin Höfken vor, am Waldgesetz "herumzudoktern" und so die Nachhaltigkeit "nach 300 Jahren kaputt machen zu wollen". "Das tut mehr als weh", bedauerte Billen. Die Forstmittel für Kalkung und Waldwegebau seien komplett gestrichen worden. Dies sei "eine bodenlose Frechheit", befand Billen. Im Gesetzentwurf stehe, dass die Forstämter keinen Ausgleich mehr schaffen müssen. Diese Ausnahme habe es immer gegeben, aber die Landesregierung wolle diese zur Regel machen. "Damit geben Sie die Walderhaltung auf", kritisierte Billen.

Es sei für Rheinland-Pfalz positiv und "ein absoluter Schatz", ein waldreiches Land zu sein, stellte Anna Neuhof (Bündnis 90/Die Grünen) klar. Es sei eine "nicht hinzunehmende Unterstellung", dass hier von Geldgier gesprochen werde. Das erwähnte Rundschreiben sei bereits etliche Wochen alt und besagte, dass in waldreichen Gebieten nicht zwangsläufig Aufforstungen im gleichen Flächenverhältnis durchgeführt werden müssten. Es besage aber auch, dass andere wertvolle Ausgleichsmaßnahmen geleistet werden müssen, so Neuhof. Dieses Rundschreiben existiere schon seit Wochen, komme aber pünktlich zum Waldforum in Trier an die Presse und werde als Verrat am Wald skandalisiert. "Ein Schelm, der sich etwas Böses dabei denkt", so Neuhof. Der Wald in Rheinland-Pfalz sei nicht in Gefahr. Der Wald genieße einen sehr hohen Schutz, und zwar durch die nachhaltige Bewirtschaftung, die FSC-Zertifizierung und den Umbau zum naturnahen Wald als Mischwald mit unterschiedlichen Altersklassen. "Das Ziel ist und bleibt der Erhalt des Waldes, die Qualität und die Zukunftsfähigkeit der Vielfalt und des Artenreichtums", betonte Neuhof. Der Vorwurf, sich vom Nachhaltigkeitsprinzip in der Forstwirtschaft zu verabschieden, sei "an Absurdität nicht mehr zu überbieten", kritisierte sie Billen.

Auch Marcel Hürter (SPD) fand es "unredlich" davon zu sprechen, dass Geldgier am Werke sei, der Begriff "Nachhaltigkeit" zerstört wäre und das mit massiven Vorwürfen gegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Ministerin Höfken zu verbinden. Das Grundanliegen hinter dem Entwurf sei ein durchaus redliches, denn es sollen landwirtschaftliche Flächen, die unter Druck sind, insbesondere Grünland, wirksam geschützt werden. "Da wir Flächen nicht mehren können, müssen wir einen Ausgleich herbeiführen. Der ist schmerzhaft und schwierig", betonte Hürter. Aber so zu tun, als wenn das in einer "geheimniskrämerischen Aktion" entstehen würde sei verfehlt. Denn die Diskussion werde seit Monaten in den entsprechenden Gremien, den Verbänden und im Naturschutzbeirat geführt. "Dann so zu tun, als wenn Sie dies aufgedeckt hätten, ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten", kritisierte Hürter das Verhalten der CDU-Fraktion.

Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass ein Großteil der Anstrengungen der Landesregierung in die Unterstützung des Waldes und die Forstpolitik gehe. Über 60 Millionen Euro konsumtive und investive Zuführungen aus dem Landeshaushalt würden in diesen Bereich fließen. "Wir haben 300 Jahre Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit verlangt von uns, dass wir Wald, Grünland, Acker, Kulturlandschaft in einer Gesamtbetrachtung sehen und nicht gegeneinander ausspielen", wollte Ministerin Höfken klarstellen. Es sei nicht ein Nutzungsinteresse über alle anderen zu stellen, die Gesamtheit müsste im Blick bleiben. Rheinland-Pfalz umfasse ungefähr 700 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche, davon 227 000 Hektar Dauergrünland, 834 000 Hektar Wald. Dabei sei zu bedenken, dass 2000 Pflanzenarten allein an das Grünland gebunden seien. "Zunächst einmal will ich klarstellen, bei der Wiederaufforstung ändert sich gar nichts. Es bleibt auch bei der gesetzlichen Grundlage für die Erstaufforstung", versicherte Höfken. Zwar sei die Förderung weggefallen, aber die rechtliche Grundlage sei unverändert. Es gehe nur um den Fall der Waldumwandlung, also wenn es um Steinbrüche, Windanlagen, Baumaßnahmen und ähnliches gehe. Mit der Novelle des Landesnaturschutzgesetzes solle an einigen Stellen nachjustiert werden, das heiße, die Forderungen der Landwirtschaft und der Umweltverbände aufzugreifen. Nur nach einer Rodung in einem Gebiet mit überdurchschnittlichem hohem Waldanteil dürfe keine Ersatzaufforstung erfolgen. Eine Walderhaltungsabgabe falle in diesem Fall nicht an - "von wegen Geldvermehrung", so Höfken. Im Einvernehmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde könne jedoch eine Ersatzaufforstung angeordnet werden, wenn dies aus ökologischen Gründen erforderlich sei, versicherte Höfken. "Es handelt sich also um ein Aufnehmen der jahrelangen Forderungen der Landwirtschaft genauso wie der Umweltverbände", stelle Höfken richtig.

"Wir wollen qualitativ weiterkommen im Bereich des Naturschutzes, und dabei hilft uns die Eins-zu-Eins-Regelung überhaupt nicht", so Andreas Hartenfels (Bündnis 90/ Die Grünen). Zwei Flächenkategorien kämen als Ausgleich in Betracht: Ackerflächen und Grenzstandorte. Ackerflächen seien deshalb so wichtig, weil sie sehr viele Wertpunkte für den Ausgleich bringen. Die zweite Flächenkategorie, die regelmäßig in Betracht gezogen werde, seien die sogenannten Grenzstandorte. Dies seien Standorte, an denen die Landwirtschaft kein so großes Interesse mehr habe, beispielsweise offene Talwiesen in unseren Landschaftsräumen, die dann zum Teil gerne mit forstlichen Maßnahmen bestückt werden. "Es ist doch geradezu absurd, dass wir auf der einen Seite jedes Jahr Millionenbeträge ausgeben, um Landschaft offen zu halten, und auf der anderen Seite Maßnahmen beschließen und begrüßen, die genau diese Schritte, die wir naturschutzrechtlich erreichen wollen, wieder zunichtemachen", so Hartenfels. Das könne nicht im Sinne des Landes sein, war Hartenfels überzeugt.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 42/2013, Seite 4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2013