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RHEINLAND-PFALZ/2845: Schuldenbremse darf keine Bildungsbremse werden (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 32/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 9. September 2013

Schuldenbremse darf keine Bildungsbremse werden



Die von Rheinland-Pfalz angeführte Bundesratsinitiative zur Reform der Strukturen in der Bildungspolitik brachten Bündnis 90/Die Grünen mit einer Aktuellen Stunde zur Sprache. Unumstritten ist zwischen den Fraktionen, dass ein höherer Finanzierungsanteil des Bundes im Bildungsbereich zu begrüßen wäre.

Der Bildungsföderalismus sei in eine bedenkliche Schieflage geraten, sagte Gunther Heinisch (Bündnis 90/Die Grünen). Es sei richtig, die Haushaltskonsolidierung anzugehen, "aber es ist auch wichtig, dass die Schuldenbremse nicht zur Bildungsbremse wird", forderte Heinisch. Seit der Föderalismusreform 2006 sei der Weg versperrt, Kooperationen zwischen Bund und Ländern einzugehen. Es könne nicht angehen, dass der Bund nur sieben Prozent der Bildungsausgaben trage, "während die Länder mehr als den zehnfachen Anteil, nämlich 73 Prozent der Ausgaben leisten und die gebeutelten Kommunen für 20 Prozent der Ausgaben geradestehen". Daran änderten auch keine kurzfristigen Programmbeteiligungen wie beim Hochschulpakt etwas. Dies sei für die Schülerinnen und Schüler und die Kollegien an den Schulen keine verlässliche Politik, nachhaltige Strukturen seien so nicht aufzubauen. "Wir brauchen einen kooperativen Bildungsföderalismus, in dem Bund und Länder sich gemeinsame Ziele setzen können", empfahl Heinisch. Mit der rheinland-pfälzischen Bundesratsinitiative für einen Entschließungsantrag sei nun ein neuer Anlauf im Bund unternommen worden, die Trennung zu überwinden.

Sie frage sich, wie es auf Ministerin Ahnen gewirkt hätte, wenn ihre Fraktion die Bildungsdefizite in Deutschland so dargestellt hätten, sagte Marlies Kohnle-Gros (CDU). So seien die Bildungsferne, fehlende soziale und ökonomische Grundlagen und der Migrationshintergrund immer noch ein so starker Faktor, dass es zu strukturellen Benachteiligungen von Kindern im Bildungssystem führe. In Rheinland-Pfalz regierten seit 22 Jahren sozialdemokratische Bildungsminister, "sie haben die Probleme anscheinend nicht nur an dieser Stelle nicht gelöst", kritisierte Kohnle-Gros. So seien laut Landesregierung beim Kita-Ausbau nicht nur die strukturellen und investiven Maßnahmen weiterhin zu leisten, zudem müsse es eine erhebliche Verbesserung der Qualität der Bildungsangebote in diesem Bereich geben. Für die Ganztagsangebote fehle es an den notwendigen Baumaßnahmen. "Da wird es interessant, was die Ministerin dazu sagt", betonte Gros. Auch bei der Inklusion werden fehlende inhaltliche, aber auch personelle Rahmenbedingungen beklagt. "Wir sagen das auch, aber Frau Ahnen sagt, sie bekomme das hin." Zum Kooperationsverbot gab es eine Initiative der Bundesregierung zur Lockerung, dabei habe es aber keine inhaltliche Einigung mit den Ländern gegeben.

Es sei schade, dass Kohnle-Gros nach einem Hoffnung machenden Beginn ihrer Rede "in diese alten Verfahrensweisen verfalle" sei, sagte Bettina Brück (SPD). "Was glauben Sie wohl, warum diese Bundesratsinitiative ausgerechnet von Rheinland-Pfalz federführend gemacht worden ist?", fragte Brück ihre Vorrednerin. Rheinland-Pfalz sei Vorreiter, was die Bildung anbelange, andere Länder schauten neidisch darauf, "was wir aufgebaut haben". Dies wolle ihre Partei bundesweit verbessern, "es gibt nie eine Qualität, die nicht noch weiter verbesserbar wäre", betonte sie. Bildung als Zukunfts- und Lebenschance müsse so gut wie es geht gestaltet werden, "unabhängig von sozialer Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern". Der Bund sei aufzufordern, sich finanziell an den bildungspolitischen Herausforderungen zu beteiligen, "weil es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist". Dies habe die Bundesregierung noch nicht deutlich genug erkannt. Beim Thema Chancengleichheit müsse man sehen, dass der Bund sich in der Mitfinanzierung mehr engagiere, besonders beim Kita-Ausbauprogramm. Kohnle-Gros solle sich für eine stetige Bundesbeteiligung an den Betriebskosten einsetzen, empfahl Brück. "Wer ein Recht auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr in ein Gesetz schreibt, muss sich auch an den Finanzierungen beteiligen", stellte sie klar. Herausforderungen in der Bildungspolitik gebe es bei den Kitas, in den Ganztagsschulen, bei der Lehrerbildung "und jetzt insbesondere auch bei der Inklusion", zählte Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) auf. Bei der Chancengleichheit im Bildungssystem sei Rheinland-Pfalz besser als andere Länder, "aber auch bei uns sind die Chancen immer noch ungleich verteilt", betonte sie. Rheinland-Pfalz wolle bundesweit bei diesem Thema an der Spitze bleiben. Es sei Im Bereich der Inklusion und gleichen Teilhabe von Menschen bekannt, wie viel noch zu machen sei "und welches ehrgeizige Programm wir uns vorgenommen haben". Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sei nicht nur ein bildungspolitisches Thema, sondern auch ein sozialpolitisches. "Ich finde es falsch, wenn eine politische Ebene meint, sie kann sich ausnehmen", kritisierte Ahnen den Bund. "Das haben alle Ministerinnen und Minister der Bundesministerin bei der jüngsten Kultusministerkonferenz deutlich gemacht."

Rheinland-Pfalz kämpfe darum, dass sich der Bund an den großen Herausforderungen auch finanziell und substanziell beteilige "und nicht nur mit guten Ratschlägen über Interviews". Auch andernorts bewege sich einiges, und es sei kein parteipolitisches Thema, "sondern ein Thema, bei dem die Länder ihre Interessen deutlich machen müssen, damit sie auch in Zeiten der Schuldenbremse an diesen Stellen die Ressourcen mobilisieren können", sagte die Ministerin. Im Wissenschaftsbereich arbeiteten Bund und Länder zusammen. Dies sei wegen der Verfassungslage immer nur projektmäßig zeitlich befristet möglich. "Vieles, was wir gemeinsam angehen, ist keine zeitlich befristete Aufgabe." Um den Hochschulen sagen zu können, dass sie auf längere Sicht substanziell unterstützt werden, sei eine Grundgesetzänderung vonnöten. "Das ist meine feste Überzeugung", betonte Ahnen.

Auch in Rheinland-Pfalz gebe es noch die Chancengleichheit und Aufstiegsmöglichkeiten nicht in dem Maße, wie es zu wünschen sei, sagte Ruth Ratter (Bündnis 90/Die Grünen). Die Bildungsausgaben seien am Inlandsprodukt gemessen unterdurchschnittlich, und das Bundesgeld auch nicht immer gut angelegt, wie beim Betreuungsgeld und Bildungs- und Teilhabegesetz. Die "Blockade im Grundgesetz" müsse fallen, forderte die Abgeordnete.

Der Vorstoß von Ministerin Schavan habe sich nur auf einen Elitebereich der Hochschulen beschränkt, erläuterte Barbara Schleicher-Rothmund (SPD), warum ihre Partei den Bundesvorstoß zur Lockerung des Kooperationsverbots bisher ablehne. 2001 habe man gesagt, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Wissenschaft und Forschung ausgegeben werden sollten. "Wir haben aufgeholt, wir sind mittlerweile bei 2,88 Prozent angelangt", schilderte sie. "Aber wir müssen weitermachen. Wir werden es allein nicht schaffen."

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 32/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2013