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NORDRHEIN-WESTFALEN/2300: Heftiger Schlagabtausch über die geplante schwarze Null (Li)


Landtag intern 10/2017
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Heftiger Schlagabtausch über die geplante schwarze Null

von Susanne Ellert, Dr. Stephan Malessa, Thomas Becker, Wibke Busch und Michael Zabka


15. November 2017 - Einen Haushaltsentwurf ohne Neuverschuldung - das hatte es in Nordrhein-Westfalen zuletzt 1973 gegeben. Für 2018 hat die Landesregierung von CDU und FDP nun wieder einen Etatentwurf vorgelegt, mit dem sie plant, nicht mehr Geld auszugeben als eingenommen wird. In der ersten Lesung diskutierten Koalition und Opposition, wessen Verdienst der ausgeglichene Haushalt ist.


Grundlagen der Debatte waren unter anderem der Entwurf für das "Haushaltsgesetz 2018" (Drs. 17/800) und die "Finanzplanung 2017-2021" (Drs. 17/801). "Zusätzliche Mittel in nennenswertem Umfang", heißt es, sollen in folgende Bereiche fließen: Bildung, Innere Sicherheit, Breitbandausbau, Digitalisierung, Verkehr und Integration. Gespart werden sollen 131 Millionen Euro vornehmlich bei Förderprogrammen aus unterschiedlichen Landesressorts.

Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) sagte, mit dem ersten schuldenfreien Haushalt seit 1973 werde die Landesregierung den politischen Aufbruch des Landes flankieren. Er kündigte an, dass alle regulären Haushalte dieser Wahlperiode ohne eine Neuverschuldung auskommen sollen. Das sparsame Wirtschaften werde "zur DNA dieser Landesregierung". Zugleich würden bei Investitionen die richtigen Impulse gesetzt und es werde das notwendige Geld zur Verfügung gestellt, damit das Land wieder nach vorne gebracht werden könne. Die Finanzpolitik von CDU und FDP sei "geplant, verlässlich und ehrlich". Sie bestehe aus dem Dreiklang "Konsolidieren, Modernisieren, Investieren". Ziel sei, das alte nordrhein-westfälische Versprechen des Aufsteigerlandes einzulösen: dass es jedem, der lerne und hart arbeite, gut gehen solle.


"Fantasiezahl"

SPD-Fraktionschef Norbert Römer kritisierte: Erben sei keine Leistung. Die Regierung habe von der rot-grünen Vorgängerin "robustes Wirtschaftswachstum und solide Finanzen, Steuereinnahmen auf Rekordniveau und die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren geerbt". Vor der Wahl habe die damalige Opposition hohe Erwartungen geweckt und viele Versprechen abgegeben, von denen sie gewusst habe, dass sie diese niemals einhalten könne. Als Beispiele nannte Römer die Pauschale des Bundes zur Integration von Flüchtlingen, die nicht wie gefordert an die Kommunen weitergeleitet und den Pensionsfonds für Beamtinnen und Beamte, der nicht wie gefordert aufgestockt werde. Zudem seien die geplanten 100 Millionen Euro für die Universitäten aus Gebühren ausländischer Studierender eine "reine Fantasiezahl".

Man wolle NRW wieder zu einem Aufsteigerland machen, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Bodo Löttgen. Dieses Ziel habe man mit dem Haushaltsentwurf fest im Blick. Das Land wieder in die Spitzengruppe zu führen, sei Anspruch und Ziel der NRW-Koalition. Er wies darauf hin, dass zur geplanten Konsolidierung des Haushalts "gute und stabile Steuereinnahmen", aber auch "Einsparerfolge" sowie eine "umsichtige Ausgabenpolitik" beigetragen hätten: "Sparen und die Zukunft aktiv gestalten, das geht zusammen." Daher würden z. B. 2.048 neue Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, 1.135 neue Stellen in der Justiz sowie 500 Stellen für die Polizeiverwaltung geschaffen. Der "Verzicht auf eine weitere Neuverschuldung des Landes" sei "das Ergebnis einer verantwortungsbewussten und maßvollen Haushaltspolitik der NRW-Koalition".


"Politikwechsel"

Grünen-Fraktionschefin Monika Düker warf der Landesregierung vor, ihr Programm von Maß und Mitte verkomme "zu Mutlosigkeit, Rückschritt und Modernisierungsverweigerung". CDU und FDP litten unter einem "kollektiven Gedächtnisverlust", wenn nun nicht mehr die Rede davon sei, dass Neuausgaben mit Einsparungen finanziert werden sollten. Zudem gebe es keine klare Aussage, wie Schulden in Zukunft abgebaut werden sollten. Fehlende Investitionen in die Liegenschaften würden sich in der Zukunft rächen. Mit Kürzungen beim Sozialticket würde Politik auf Kosten der Schwächsten gemacht. An der Braunkohle festzuhalten, sei keine Modernisierung, sondern rückwärtsgewandte Politik. "Was Sie uns vorgestellt haben, ist eben kein Gestaltungsplan. Hier wird keine Vision von NRW in den nächsten Jahren formuliert."

Die NRW-Koalition wolle das Land sicherer, moderner und chancenreicher machen, sagte FDP-Fraktionschef Christof Rasche. Dies sei am Haushalt erkennbar. Erstmals seit 1973 lege eine Landesregierung wieder einen ausgeglichenen Etat vor. CDU und FDP hätten die von der SPD im Stich gelassenen Kitas gerettet. Die SPD habe "sieben Jahre lang auf eine grundlegende Reform der Kita-Finanzierung verzichtet, aber regelmäßig über die Notwendigkeit geredet". Rasche sprach von einem "Politikwechsel". Auch in der Wirtschaftspolitik hätten sich wesentliche Änderungen vollzogen. Es gehe nicht mehr darum, etwas zu verhindern, sondern darum, etwas zu ermöglichen. In der Energiepolitik sei ein "Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie" erforderlich. Auch in der Verkehrspolitik sei eine Trendwende eingeleitet worden.

Entscheidend für die "schwarze Null" sei die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, sagte Markus Wagner, Vorsitzender der AfD-Fraktion. Davon habe die Landesregierung profitiert. Sparer würden "geschröpft", Steuerzahler "ausgenommen". Außerdem beklagte Wagner eine "katastrophale Verschlechterung der Sicherheitslage" speziell in Köln und wies auf den schlechten Zustand vieler Polizeiwachen im Land hin, auf "Schimmel und Schädlingsbefall". Die Polizei brauche "akzeptable Rahmenbedingungen". Dazu gehörten auch "Toiletten-Lastwagen" bei Demonstrationen. Der "Investitionsstau" sei über Jahre hinweg entstanden, insbesondere unter der rot-grünen Landesregierung. Die neue Landesregierung müsse der Sanierung maroder Polizeiwachen oberste Priorität einräumen. Dieser Wille sei im Haushalt nicht erkennbar.

Das Haushaltsgesetz 2018 wurde zur weiteren Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss (federführend) überwiesen.


Die Landesregierung von CDU und FDP legt mit dem Entwurf für den Haushalt 2018 ihren ersten regulären Etat vor. Erstmals seit 1973 ist geplant, keine neuen Schulden aufzunehmen. Das Gesamtvolumen des Etats umfasst 74,5 Milliarden Euro (2017: 73,9 Mrd.). Schwarz-Gelb plant mit Steuereinnahmen in Höhe von 58 Milliarden Euro (56,2 Mrd.). 131 Millionen Euro sollen in den verschiedenen Ressorts eingespart werden. 7,1 Milliarden Euro (6,9 Mrd.) werden investiert. Schwerpunkte sind dabei die Bereiche Innere Sicherheit, Verkehr, Bildung, Digitalisierung, Integration und Kultur. So sollen 58,2 Millionen Euro in eine verbesserte Polizeiausstattung fließen, 38,35 Millionen Euro mehr werden für den Erhalt von Landesstraßen eingeplant, für den Breitbandausbau (schnelles Internet) 220 Millionen Euro. Laut der Mittelfristigen Finanzplanung soll 2019 ein Überschuss von 30 Millionen Euro ausgewiesen werden, ab 2020 sollen es Haushaltsüberschüsse von mehr als einer Milliarde Euro sein.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 48. Jahrgang, 24.11.2017, S. 4-5
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
André Kuper, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2017

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