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BUNDESTAG/9803: Heute im Bundestag Nr. 496 - 13.05.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 496
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 13. Mai 2020, Redaktionsschluss: 14.21 Uhr

1. Wildtiere als Infektionsrisiko
2. DFG fordert mehr Kooperation
3. FDP für neue Tourismus-Strategie
4. Linke für kürzere Schichten in der Pflege
5. Menschenrechtslage in Mexiko
6. Keine Beteiligung an Maya-Zug in Mexiko


1. Wildtiere als Infektionsrisiko

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) 60 Prozent der bekannten menschlichen Infektionskrankheiten sind tierischen Ursprungs - ebenso wie mindestens 75 Prozent der beim Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten. Mit diesen Angaben der Weltorganisation für Tiergesundheit haben Experten den Hintergrund für ein Fachgespräch des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Zeichen der Corona-Pandemie beschrieben.

Ihr einhelliger Appell: Zur Vorsorge gegen solche Krisen müssten Mensch, Tier und Umwelt zusammen in den Blick genommen werden. Konkret ging es um Zoonosen. Es handelt sich um Infektionskrankheiten, die von Bakterien, Parasiten, Pilzen, Prionen oder Viren verursacht und zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Die Abgeordneten wollten Ursachen, Verbreitung und Vorbeugung ansprechen. Die Sitzung, bei der die Experten per Video zugeschaltet waren, wurde von Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleitet.

Professor Franz J. Conraths vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit zählte drei Aspekte auf, die für die Entstehung von neuen Zoonosen von besonderer Bedeutung seien. Zum einen nannte er die Wechselwirkung von Wildtieren, Nutztieren und Mensch, beispielsweise auf Lebendtiermärkten. Zum anderen erwähnte er die hohe Bevölkerungsdichte sowie die globale Mobilität. Die weltweiten Regularien zum Handel mit Tieren und Erzeugnissen, die von Tieren stammen, könnten den illegalen Handel nicht erfassen. Eine Lösung könne im One-Health-Ansatz gesehen werden, der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt betont.

Arnulf Köhncke (WWF Deutschland) forderte, zur Verminderung der Zoonosen-Risiken sei ein entschiedenes Vorgehen gegen den illegalen Wildtierhandel sowie bessere Kontrollen des legalen Artenhandels nötig. Zudem müsse die biologische Vielfalt geschützt und anerkannt werden, dass sie für Ökosysteme und menschliche Gesundheit unabdingbar sei. Die Gesundheit von Menschen, Wildtieren und Umwelt müsse zukünftig konsequent zusammen gedacht werden.

Professor Wim van der Poel von der niederländischen Wageningen-Universität für Biowissenschaften erläuterte, neue Zoonosen könnten immer schneller mit zunehmend verbesserten Methoden zum Nachweis von Infektionskrankheiten erkannt werden. Dazu zählten insbesondere innovative molekulardiagnostische Techniken. In den Niederlanden gebe es eine Frühwarnstelle, in der alle Forschungsinstitute, die an Zoonosen arbeiten, zusammenkommen, um neue Signale zu diskutieren und der Regierung zu berichten, wann ein Risiko für die öffentliche Gesundheit entstehen kann.

Professor Isabella Eckerle (Universität Genf) zeigte sich - das gelte für alle Experten - nicht überrascht, dass ein weiteres Virus den Wirtswechsel hin zum Mensch geschafft hat. Sie wies darauf hin, dass Kontrolle und Einschränkung von Wildtierhandel bislang vor allem auf den Artenschutz fokussiert sei. Dies müsse unbedingt um den Aspekt Gesundheitsschutz erweitert werden. Aus humanmedizinischer und virologischer Sicht erscheine im Hinblick auf die nicht abschätzbaren Risiken ein umfassendes Importverbot von Wildtieren angemessen. Sie lenkte den Blick auch auf die Haltung von Wildtieren etwa in Pelzfarmen oder auf exotische Haustiere. Die damit verbundenen Risiken seien noch nicht geklärt.

Für Sandra Altherr (Pro Wildlife) gehört zu den präventiven Maßnahmen in Deutschland gegen Zoonosen, dass das Importverbot für Wildvögel auf alle Wildtiere ausgeweitet wird. Die Haltung von Heimtieren müsse bundeseinheitlich in einer Positivliste geregelt werden. Neben einer Kennzeichnungspflicht der Herkunft von Tieren seien strikte Auflagen für Internethandel und Verkauf über Tierbörsen erforderlich. Die Expertin forderte ein stärkeres internationales Engagement zum Erhalt von Lebensräumen und Ökosystemen und den Kampf gegen illegalen, aber auch legalen Wildtierhandel. Präventiver Arten-, Natur- und Klimaschutz müssten Maxime der Politik sein.

Professor Simone Sommer (University of Ulm) befand, Pandemien seien menschengemacht. Zoonosen stünden meist in Verbindung mit dem Verzehr von Wildfleisch, also Wildtierhandel, mit Massentierhaltung oder Umweltzerstörung oder Veränderungen der Landnutzung. Die Menschheit stehe an einem Wendepunkt. Sie müsse die verbleibenden Naturräume bewahren. Umwelt- und Artenschutz müssten endlich den notwendigen Stellenwert bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bekommen, der im Sinne von OneHealth/EcoHealth und nicht zuletzt dem Klimaschutz notwendig sei.

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2. DFG fordert mehr Kooperation

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) Der nationale und internationale Kampf gegen das Coronavirus und das Verhältnis von Forschung und Politik haben am Mittwoch im Mittelpunkt des Gesprächs mit Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), gestanden, zu dem der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung eingeladen hatte. Becker, die seit diesem Jahr im Amt ist, betonte, dass sie sich der Verantwortung, die auf der Politik laste, bewusst sei. "Von Seiten der Forschung werden wir versuchen, zur Milderung und Lösung" der Situation beizutragen. Eine enge wissenschaftsbasierte Begleitung der aktuellen Situation sei immens wichtig, die Lage ändere sich jeden Tag.

Allen würden die großen Bedarfe der Pandemieforschung derzeit vor Augen geführt. Dabei sei es wichtig, Forschungsprojekte vor einem Abbruch zu bewahren. Dazu habe die DFG ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen getroffen. Als einen wichtigen weiteren Punkt nannte Becker die Bereitstellung von wissenschaftlichem und von der DFG finanziertem Personal, das bis zu drei Monate in der Krankenversorgung eingesetzt werden könne. Diese Maßnahme spiegele das grundsätzliche Bemühen der DFG wider, eine enge Verzahnung von klinischer Praxis und medizinischer Forschung zu erreichen. Daher fördere die DFG seit 2018 mit einem Volumen von 40 Millionen Euro circa 300 klinische Wissenschaftler im "Clinician Scientists Programm", die in den Universitätskliniken ärztlich arbeiten und gleichzeitig über ausreichende Forschungsfreiräume verfügen würden. Becker betonte: "Ohne diesen aktiven Schutz von Forschungsbedingungen an Kliniken wird sich die dortige Kommerzialisierung weiter ausbreiten und bald nur noch Forschung ermöglichen, die schnelle ökonomische Verwertbarkeit verspricht, aber weniger Durchbrüche im Bereich klinischer Grundlagenforschung. Das Programm wirkt diesem Trend gezielt entgegen."

Insgesamt würden sich angesichts der Pandemie jeden Tag neue epidemiologische Fragen stellen, auch globaler Art. Becker: "Wie sinnvoll und ethisch vertretbar sind beispielsweise Human Challenges zur Impfstoffentwicklung? Inwieweit beschränken sich Grundrechte gegenseitig? Und um wessen Leben geht es eigentlich?". Es stelle sich die Frage, ob hundert gerettete Leben in Europa in einen Verhältnis zu tausend Leben in Indien, Afrika oder Südamerika stehen - also Leben, die von globalen Wirtschaftsströmen und Produktionsketten abhängen würden. Durchdachte Konzepte, interdisziplinäre Forschungsarbeit höchster Qualität und internationale Kooperationen seien wichtiger denn je. "Wir alle profitieren davon, Forschungsergebnisse zu teilen. Kooperation muss Vorrang haben vor Konkurrenz", unterstrich die Präsidentin. Sie hoffe sehr, dass sich diese Haltung auf internationaler Ebene durchsetzen werde.

Kaum etwas sei so wichtig in dieser Zeit wie ein vertrauensvoller Umgang miteinander. Das betreffe aber nicht nur das Verhältnis der Forschung untereinander, nicht nur das Verhältnis der Forschung zur Politik, sondern auch den Erhalt des Vertrauens der Bevölkerung in Wissenschaft und Politik. Der Wissenschaftskommunikation komme dabei eine zentrale Rolle zu. Dabei verwies Becker auch auf den einmalig von der DFG und dem Stifterverband ausgelobten Sonderpreis an den Virologen Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité Berlin. Gewürdigt werde damit seine anschaulich, regelmäßige und selbstkritische Art der Wissensvermittlung. Becker sagte: "Wir müssen uns gerade gegenüber der Gesellschaft ganz ehrlich machen und zeigen, welche Chancen und Lösungsansätze Wissenschaft mit sich bringen kann, aber auch welche Grenzen, aber vielleicht auch welche Risiken."

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3. FDP für neue Tourismus-Strategie

Tourismus/Antrag

Berlin: (hib/WID) Vor dem Hintergrund der Corona-Krise fordern die Liberalen im Bundestag einen Neuansatz in der Tourismuspolitik. In einem Antrag (19/19119) spricht sich die Fraktion dafür aus, die laufenden Arbeiten an einer Nationalen Tourismusstrategie einzustellen. Stattdessen solle die Bundesregierung bis zum Herbst 2020 in Absprache mit den Ländern ein Maßnahmenpaket entwickeln, "um die heimische Tourismuswirtschaft effektiv vor den wirtschaftlichen Auswirkungen neuer Pandemiewellen zu schützen".

Zur Begründung weisen die Antragsteller darauf hin, dass die Reisebranche mit ihren "vielen kleinen und mittelständischen Familienbetrieben" durch die Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionen besonders stark und früh getroffen worden sei. Umso wichtiger sei es, "die richtigen Vorbereitungen für die gesundheitliche und wirtschaftliche Bewältigung einer weiteren Pandemiewelle zu treffen".

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4. Linke für kürzere Schichten in der Pflege

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Die Linksfraktion fordert verkürzte Arbeitszeiten in der Pflege. In der Coronakrise könne noch bis Ende Juni in systemrelevanten Berufen die tägliche Arbeitszeit auf zwölf Stunden erweitert und die Ruhezeit eingeschränkt werden. Leidtragende seien neben den Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege die Patienten, heißt es in einem Antrag (19/19141) der Fraktion.

Die Abgeordneten fordern, alle Pflegeberufe unverzüglich aus der Covid-19-Arbeitszeitverordnung herauszunehmen und sicherzustellen, dass die Verordnung nicht über den 31. Juli 2020 hinaus verlängert werde.

Zudem sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die Höchstarbeitszeit einer Vollzeitstelle als Pflegekraft bis auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich reduzieren zu können. In Pandemiezeiten sollten Schichtzeiten von sechs Stunden täglich nicht überschritten werden und eine Pause gewährleistet sein. Auch müssten Fachkräfte für die Pflege zurückgewonnen werden.

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5. Menschenrechtslage in Mexiko

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Der Bundesregierung sind weder bei laufenden noch bei abgeschlossenen Energieprojekten in Mexiko mit ihrer Beteiligung Zusammenhänge mit Landkonflikten und/oder Menschenrechtsverletzungen bekannt. Die Betrachtung von menschenrechtlichen Risiken sei elementarer Teil der Projektvorbereitung, betont sie in einer Antwort (19/18984) auf eine Kleine Anfrage (19/17773) der Fraktion Die Linke. Weder die Bundesregierung noch die im staatlichen Auftrag handelnden Durchführungsorganisationen genehmigten Projekte, die die Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen - "die selbstverständlich auch die Prüfung der Einhaltung von Menschenrechten umfassen" - nicht bestünden.

Gleichwohl stehe sie zur Menschenrechtslage in Mexiko in regelmäßigem Austausch mit internationalen und lokalen Partnern, darunter einer Vielzahl von nicht-staatlichen Organisationen sowohl im In- als auch im Ausland. Eine besondere Herausforderung im Bereich der Menschenrechte sei das anhaltend hohe Maß an Straflosigkeit verbunden mit einer hohen Zahl an Gewaltdelikten, Entführungen, Folter und Tötungen, von denen auch Menschenrechtsverteidiger sowie Journalisten betroffen seien.

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6. Keine Beteiligung an Maya-Zug in Mexiko

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Die Bundesregierung ist bezüglich des Maya-Zug-Projektes bisher nicht aktiv auf die mexikanische Regierung zugegangen und hat auch keine Erkenntnisse zu der Frage, ob eine Beteiligung ausländischer Regierungen an dem Bauvorhaben angedacht oder erwünscht ist. Das schreibt sie in einer Antwort (19/18981) auf eine Kleine Anfrage ( 19/18031) der AfD-Fraktion. Die entwicklungspolitischen Schwerpunkte der Bundesregierung in Mittel- und Südamerika lägen nicht im Bereich des Bahn-Fernstreckenbaus, betont sie. Deutsche Unternehmen könnten sich jedoch "selbstverständlich" um Beteiligung an derartigen Verkehrsprojekten bewerben.

Der Maya-Zug soll ab 2024 eine Strecke von rund 1.500 Kilometern abfahren und den Tourismus in Mexiko fördern. Das mehr als fünf Milliarden Euro teure Projekt ist eines der wichtigsten Vorhaben des seit knapp eineinhalb Jahren regierenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 496 - 13. Mai 2020 - 14.21 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2020

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