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BUNDESTAG/9785: Heute im Bundestag Nr. 478 - 07.05.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 478
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 7. Mai 2020, Redaktionsschluss: 09.34 Uhr

1. Experten kritisieren hohe Flächenverluste
2. Sorge über Menschrechtslage in Bahrain
3. Einschränkungen bei Bildaufnahmen
4. AfD für Ende des Krisenmodus
5. Grüne wollen den Kommunen helfen
6. Unterstützung für pflegende Angehörige


1. Experten kritisieren hohe Flächenverluste

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Um das ursprünglich für 2020 vorgesehene und inzwischen auf 2030 verschobene Ziel zu erreichen, das Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen, braucht es verstärkte Anstrengungen. Das machten die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung zum Thema "Flächeninanspruchnahme - Flächen nachhaltig nutzen" geladenen Experten am Mittwochabend deutlich. Notwendig sei ein stärkerer Fokus auf kompaktere Siedlungsformen beziehungsweise auf den Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung, sagte Professor Dirk Löhr von der Hochschule Trier. Thomas Preuss vom Deutschen Institut für Urbanistik forderte, ökonomische Fehlanreize abzubauen. Stefan Petzold vom Nabu-Bundesverband betonte, Ziel müsse sein, so schnell wie möglich zu einem Netto-Null-Flächenverbrauch zu gelangen.

Der Flächenverlust liege derzeit bei 60 Hektor pro Tag, was der Fläche von Frankfurt am Main entspreche, sagte Petzold und forderte, Flächen besser vor Bebauung zu schützen. Er verwies auf die Bodenschutzklausel in Paragraf 1a des Baugesetzbuches, "die gelebt werden muss". Darin heißt es: "Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen."

Der Boden, so der Nabu-Vertreter habe mehrere Funktionen. Es sei beispielsweise nach den Ozeanen der zweitgrößte Kohlenstoffspeicher. "Effektiver Bodenschutz ist also auch Klimaschutz", sagte Petzold. Der Flächenverbrauch habe aber auch ökonomische Auswirkungen, wie etwa hohe Infrastrukturkosten für Neubauprojekte. Zudem erschwere er die Verkehrswende. Statt immer mehr in die Fläche zu bauen, müsse es gelingen, durch Umnutzung und Aufstockung von Büro-, Industrie-, Bestandswohngebäuden und Infrastruktur Wohn- und anderen Nutzraum zu schaffen, verlangte Petzold.

Die Hauptursache des anhaltend hohen Flächenverbrauchs findet sich laut Thomas Preuss nicht im Baurecht an sich, "auch wenn Ansatzpunkte für erforderliche Ergänzungen und Weiterentwicklungen bestehen und stärker auf eine an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Anwendung des Baurechts hingewirkt werden sollte". Vor allem das Instrumentarium für die Innenentwicklung, insbesondere für die Mobilisierung von Flächen, müsse geschärft werden, forderte er. Auch wirkten einige fiskalische Rahmenbedingungen zum Teil kontraproduktiv auf die flächenpolitischen Ziele. Verschiedene Aspekte seien also ursächlich für ein Scheitern flächenpolitischer Ansätze. "Daher ist eine isolierte Debatte um einzelne Instrumente nicht zielführend", betonte der Teamleiter Ressourcen und Immissionsschutz beim Deutschen Institut für Urbanistik.

Bund und Ländern, so seine Forderung, müssten ökonomische Fehlanreize abbauen. Es gelte, alle relevanten Förderprogramme systematisch auf ihre Vereinbarkeit mit flächenpolitischen Zielstellungen zu überprüfen. Noch immer würden mit Mitteln aus der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" neue Industrie- und Gewerbegebiete auf der "grünen Wiese" subventioniert. Hier sei - gerade in den strukturschwachen Gebieten - ein grundsätzliches Umdenken erforderlich.

Professor Dirk Löhr sagte, es könne nur gesteuert werden, "was auch gemessen wird". Daher seien verbindliche, auf die verschiedenen staatlichen Ebenen heruntergebrochene Flächenverbrauchsziele erforderlich. Gute Steuerungsmöglichkeiten bestünden vor allem auf der Angebotsseite für Bauland. Vor Vornahme von Baulandausweisungen sollten verpflichtende Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vorgenommen werden, die auch die Folgekosten berücksichtigen, regte er an.

In den letzten Jahren, so Löhr, sei das Thema Flächensparen hinter die Diskussion der Rolle des Bodens als Engpassfaktor für bezahlbaren Wohnraum zurückgetreten. Da die Baulandneuausweisungen aber in der Regel dort stattfänden, wo sie am wenigsten benötigt würden, "handelt es sich dabei nur bedingt um einen Zielkonflikt", sagte der Wirtschaftswissenschaftler.

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2. Sorge über Menschrechtslage in Bahrain

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/SAS) Die Lage der Menschenrechte in Bahrain beurteilt die Bundesregierung weiterhin als besorgniserregend. Insbesondere die Meinungs-, Presse- sowie Versammlungsfreiheit seien in dem aus 33 Inseln bestehenden Königreich vor der Küste Saudi-Arabiens "gravierend" eingeschränkt, sagte ein Vertreter der Bundesregierung am Mittwochnachmittag im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. "Oppositionelle Vereinigungen sind verboten, und regimekritische Akteure werden immer wieder Ziel von repressiven Maßnahmen, auch willkürlichen Verhaftungen", berichtete der Vertreter des Auswärtigen Amtes.

Die andauernden Menschenrechtsverletzungen habe Deutschland als einer der vier wichtigsten europäischen Partner im Dialog mit der bahrainischen Regierung in der Vergangenheit regelmäßig "angemahnt", betonte der Regierungsvertreter. Man werde sich auch weiterhin "auf allen Ebenen" - öffentlich wie auch hinter den Kulissen - für die Garantie der Meinungsfreiheit und die Freilassung politischen Gefangenen und Menschenrechtsverteidigern einsetzen.

Doch das autoritär geführte Bahrain liege in einer Region, die von Spannungen geprägt sei, gab der Vertreter des Auswärtigen Amtes zu bedenken. Der Inselstaat selbst sei ein multikonfessionelles Land. Während das Königshaus sunnitisch sei, gehöre die Mehrheit der schiitischen Glaubensrichtung an. Auch das habe in der Vergangenheit immer wieder zu Unruhen geführt. "2011 war Bahrain einer der Hot Spots des Arabischen Frühlings", sagte der Vertreter des Auswärtigen Amtes. Zehntausende Bahrainer forderten damals in der Hauptstadt Manama demokratische Reformen. Das Königshaus jedoch schlug die Proteste blutig nieder und verhaftete zahlreiche Oppositionelle.

"Äußerlich" habe sich die Lage seit dieser Zeit normalisiert, so der Regierungsvertreter. Die Zahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen und Verhaftungen sei zurückgegangen. Dies dürfe aber nicht über die Situation der Menschrechte hinwegtäuschen. Die Regierung gehe unvermindert gegen oppositionelle Gruppierungen vor. 2016 wurde sowohl die größte schiitische Oppositionsvereinigung, die al-Wifaq-Bewegung, sowie 2017 die säkulare demokratische Bewegung al-Waad aufgelöst. Straftatbestände seien in Bahrain zudem "weit gefasst", sodass es der Regierung möglich sei, regimekritische Meinungsäußerungen strafrechtlich zu verfolgen. "Dabei wird durchaus auch der Kampf gegen den Terrorismus als Vorwand benutzt, um gegen politische Gegner vorzugehen", so der Regierungsvertreter. Terrorverdacht könne zu langen Haft- und sogar Todesstrafe führen. So wie etwa im Fall von Ali al-Arab und Ahmed al-Malali: Die schiitischen Aktivisten wurden bei einem Massenprozess 2018 zum Tode verurteilt und 2019 hingerichtet. Vorgeworfen hatte die bahrainische Staatsanwaltschaft ihnen unter anderem Terrorunterstützung.

Allerdings gebe es in Bahrain auch positive Entwicklungen zu verzeichnen, so der Vertreter des Auswärtigen Amtes. Die Freilassung von rund 1.500 Inhaftierten etwa begrüße die Bundesregierung als "wichtigen Schritt". In der anschließenden Diskussion thematisierten Abgeordnete von Union und Bündnis 90/Die Grünen unter anderem die schlechten Haftbedingungen, unter denen auch minderjährige Inhaftierte litten. Die Linke wies daraufhin, dass laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen "mindestens 740 Personen seit 2012" die Staatsangehörigkeitsrechte entzogen worden sei. SPD und FDP erkundigten sich nach den im Januar 2020 bestätigten Todesurteilen gegen Mohamed Ramadhan und Hussain Ali Moosa, die AfD nach dem Schicksal des seit 2018 inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Nabeel Rajab. Weitere Fragen der Fraktionen zielten auf die Rechte von Frauen und Kindern, die Ausbeutung von Arbeitsmigranten sowie die deutsch-bahrainischen Beziehungen.

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3. Einschränkungen bei Bildaufnahmen

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/MWO) Die AfD-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechtsschutzes bei Bildaufnahmen vorgelegt (19/18980). Nach Meinung der Fraktion ist der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch unbefugte Bildaufnahmen von verstorbenen Personen und der vor Blicken geschützten Intimsphäre des Opfers unzureichend. Wesentlicher Inhalt des Vorlage ist die Strafbarkeit der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen von Personen, die infolge eines Unfallereignisses verstorben sind oder verletzt wurden, ohne Einwilligung des Abgebildeten beziehungsweise Wahrnehmungsberechtigten sowie der unbefugten Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen, die das Opfer in seiner Intimsphäre verletzen. Das Einwilligungserfordernis des Kunsturhebergesetzes soll auf Bildnisse von Teilnehmern einer zulässigen politischen Veranstaltung erweitert werde. Die Herstellung von Bildaufnahmen von Personen, die mit dem Hersteller nicht durch persönliche Beziehungen verbunden sind und die dem Hersteller ihren Widerspruch gegen die Bildherstellung im konkreten Fall ausdrücklich mitgeteilt haben, soll unzulässig sein.

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4. AfD für Ende des Krisenmodus

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Nach Ansicht der AfD-Fraktion sollte die von der Bundesregierung unlängst getroffene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder aufgehoben werden. Die Voraussetzungen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite lägen nicht mehr vor, heißt es in einem Antrag (19/18999) der Fraktion. Sämtliche Einschränkungen der Grund- und Bürgerrechte und weitere einschränkende Maßnahmen seien mit sofortiger Wirkung zu beenden.

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5. Grüne wollen den Kommunen helfen

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will die Kommunen von krisenbedingten Kosten durch die Corona-Pandemie entlasten und eine Konjunkturbelebung einleiten. Gefordert wird in einem Antrag (19/18960), die krisenbedingten zusätzlichen Kosten für Unterkunft und Heizung nach SGB II vollständig vom Bund zu übernehmen, um insbesondere die Lage überschuldeter Kommunen in der Corona-Krise nicht weiter zu verschlechtern. Die vom Bund bereits beschlossenen Hilfsprogramme sollen auch für kommunale Unternehmen geöffnet werden. Laufzeiten und Fristen aller kommunale Förderprogramme sollen verlängert und Gespräche über eine nachhaltige Lösung der kommunalen Altschulden-Problematik aufgenommen werden.

Städte, Gemeinden und Landkreise seien besonders vom Shutdown betroffen, und die Folgen der Corona-Pandemie würden sich in den Haushalten aller Kommunen bemerkbar machen, begründet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihre Initiative. Bei den zusätzlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sei von Belastungen der Kommunen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro auszugehen, auch die steuerlichen Einnahmeausfälle würden die Kommunen hart treffen. Erwartet werde zum Beispiel ein dramatischer Einbruch der Gewerbesteuer.

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6. Unterstützung für pflegende Angehörige

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Pflegende Angehörige brauchen nach Ansicht der Grünen-Fraktion nicht nur in der Coronakrise mehr Unterstützung. Die Pandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen stellten die Menschen vor große Herausforderungen. Pflegende Angehörige seien in dieser Lage besonders betroffen, heißt es in einem Antrag (19/18957) der Fraktion.

Die Abgeordneten fordern unter anderem einen besseren Infektionsschutz für pflegebedürftige Menschen und Pflegepersonen. Kommunen sollten Hilfe bekommen beim Aufbau von Unterstützungsstrukturen. Sinnvoll sei etwa eine bundesweit einheitliche Notfall-Hotline und ein zentrales Register mit Notbetreuungsangeboten.

Pflegenden Angehörigen sollte eine Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen gewährt werden, wenn bei einer Epidemie keine Betreuungsmöglichkeit verfügbar sei. Zudem müsse für die Angehörigen ein Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld von bis zu 20 Tagen geschaffen werden. Das Recht auf Homeoffice sollte mit klaren Regeln eingeführt werden, die Verhinderungspflege und der Entlastungsbetrag müssten flexibilisiert werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 478 - 7. Mai 2020 - 09.34 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2020

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