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BUNDESTAG/9715: Heute im Bundestag Nr. 408 - 22.04.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 408
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. April 2020, Redaktionsschluss: 12.30 Uhr

1. Anhörung zu Gesetzentwurf beschlossen
2. Regierung will Gutscheine für Reisebranche
3. Umfassender Flüchtlingsschutz gefordert
4. Neuanfang in der EU-Flüchtlingspolitik
5. Verzicht auf Erhöhung der Diäten


1. Anhörung zu Gesetzentwurf beschlossen

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/MWO) Die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu den gleichlautenden Entwürfen von CDU/CSU und SPD sowie der Bundesregierung für ein Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (19/17741, 19/18470) beschloss der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz auf seiner 89. Sitzung unter Leitung seines stellvertretenden Vorsitzenden Heribert Hirte (CDU) am Mittwoch. Die Anhörung soll am 6. Mai 2020 von 11.00 bis 13.00 Uhr stattfinden.

Der Entwurf sieht als eine zentrale Neuerung die Einführung einer Meldepflicht der Anbieter sozialer Netzwerke vor. Sie sollen verpflichtet werden, ein System einzurichten, wonach bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden sind. Über den Entwurf wurde im März in erster Lesung zusammen mit einem Gesetzentwurf und einen Antrag der FDP-Fraktion sowie Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen erstmals debattiert. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und der Hasskriminalität war dabei von den Abgeordneten übereinstimmend als dringend notwendig erachtet worden.

Die Einbeziehung von Anträgen von FDP, Linken und Grünen sowie eines Gesetzentwurfs der AfD ( 19/17743, 19/17770, 19/17750, 19/16052) in die Anhörung lehnte der Ausschuss mit der Mehrheit der Koalition ab. Die Federführung bei diesen Vorlagen liegt beim Ausschuss für Inneres und Heimat.

Im Zusammenhang mit der beschlossenen Anhörung diskutierte der Ausschuss, der angesichts der Covid-19-Pandemie in verringerter Stärke tagte, über die Möglichkeit, aufgrund der aktuellen Situation eine Video-Übertragung durchzuführen. Mehrere Abgeordnete gaben zu bedenken, dass ein öffentlicher Zugang zu Anhörungen derzeit nicht gewährleistet sei. Hirte betonte, dass der Zugang der Öffentlichkeit in geeigneter Weise möglich sein müsse, und kündigte an, dass die Obleute der Fraktionen darüber noch intensiv beraten würden.

Das Gremium beschloss ferner den Beitritt des Deutschen Bundestages zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 2480/10, 2 BvR 421/13, 2 BvR 786/15, 2 BvR 756/16 und 2 BvR 561/18 in Sachen Europäisches Patentamt vor dem Bundesverfassungsgericht. Ziel sei, so Hirte, eine mündliche Verhandlung herbeizuführen.

Der Ausschuss nahm den schriftlich vorliegenden Nachbericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Videokonferenz des EU-Rates "Justiz und Inneres" am 6. April 2020 zur Kenntnis. Fragen an das Ministerium betrafen unter anderem die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel angesichts der Corona-Krise durch die Justiz in anderen EU-Ländern sowie die Gutschein-Lösung für abgesagte Reisen und andere Tickets. Dazu erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl (SPD) mit Blick auf andere Länder wie Belgien, Deutschland wolle keine nationalen Alleingänge und werde sich unionskonform verhalten. Die Bundesregierung will nach eigenen Angaben eine Gutscheinlösung ermöglichen, mit der sowohl die Tourismus- und Veranstaltungsbranche als auch die Verbraucher geschützt werden sollen. Weil Pauschalreisen und Fluggastrechte jedoch dem europäischen Recht unterliegen, soll über die EU-Kommission kurzfristig eine einheitliche und praktikable europäische Regelung herbeigeführt werden.

Die Abgeordneten stimmten des Weiteren für die Annahme von mehreren Gesetzentwürfen der Bundesregierung, bei denen der Rechtsausschuss nicht federführend ist.

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2. Regierung will Gutscheine für Reisebranche

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Vor dem Hintergrund der Corona-Krise strebt die Bundesregierung auch für Unternehmen der Reisebranche ein Gutscheinmodell an, um den Anbietern die Rückerstattung der Kosten stornierter Buchungen zumindest bis auf weiteres zu ersparen. Allerdings bedürfe es dazu einer Einigung mit der Europäische Union, die derzeit ausstehe, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Thomas Bareiß (CDU/CSU), am Mittwoch im Tourismusausschuss. In den Genuss einer solchen Regelung könnten nach seinen Worten Veranstalter von Pauschalreisen, Fluggesellschaften und Busunternehmen kommen. Die Tourismuswirtschaft werde voraussichtlich für ein bis zwei Jahre unter den Folgen der Corona-Krise leiden.

Für den Kultursektor will der Bundestag in dieser Woche beschließen, dass bereits bezahlte Eintrittskarten für abgesagte Veranstaltungen in Gutscheine umgewandelt werden können. Nach seinem Eindruck finde diese Lösung bei den Kunden großes Verständnis, sagte Bareiß. Auf die Reiseveranstalter könnten nach Schätzung der Branche aktuell Rückerstattungspflichten für stornierte Buchungen im Volumen von 4,5 Milliarden Euro zukommen. Allein für die Sommersaison seien 1,8 Milliarden Euro schon angezahlt. Vermutlich seien Anzahlungen für das Frühjahr bereits zum Teil erstattet. Müsse der gesamte Betrag zurückfließen, stünden die Unternehmen vor großen Liquiditätsschwierigkeiten: "Das wird auf die Dauer nicht haltbar sein."

Mit Rücksicht auf die Europäische Pauschalreiserichtlinie, in der umfassende Erstattungsansprüche der Kunden festgeschrieben sind, kann die Bundesregierung eine Gutscheinlösung allerdings nicht auf eigene Faust beschließen. Sie sei darüber im Gespräch mit der EU-Kommission, die sich indes "sehr, sehr zurückhaltend" zeige und "wenig Bereitschaft" erkennen lasse, vom Buchstaben der Richtlinie abzuweichen. Dabei sehe die Bundesregierung eine Härtefallregelung für Kunden vor, die aus finanzieller Not auf eine zeitnahe Erstattung angewiesen seien. Wenn der Gutschein innerhalb der Geltungsdauer nicht eingelöst werde, solle darüber hinaus sichergestellt sein, dass dann die Anzahlung zurückfließt.

Andere europäische Länder hätten bereits Gutscheinlösungen eingeführt. Sie würden neuerdings von der EU-Kommission mit Vertragsverletzungsverfahren bedroht. Bareiß betonte, dass Deutschland gewillt sei, sich mit der Kommission "eng abzustimmen". Notfalls werde aber nichts anderes übrigbleiben, als den Rechtsrahmen "so weit wie möglich auszuschöpfen".

Bareiß erinnerte auch an die Situation der rund 4000 Reisebüros in Deutschland mit 10.000 Beschäftigten. Bisher hätten 180 Betriebe aus diesem Sektor eine finanzielle Unterstützung erfahren. Sollte es zu einer Gutscheinregelung für die Tourismusbranche kommen, müsse sichergestellt sein, dass bereits gezahlte Provisionen bei den Reisebüros verblieben.

Ebenfalls dramatisch sei die Lage im größten Bereich der Tourismuswirtschaft, den 240.000 Betrieben des Hotel- und Gaststättengewerbes mit 2,4 Millionen Beschäftigten. Bareiß appellierte an die Unternehmen, Konzepte zum Infektionsschutz vorzulegen, damit auch sie möglichst bereits in der nächsten Corona-Runde von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am 30. April in den Genuss einer Lockerung der geltenden Restriktionen kommen könnten. Er sprach sich für eine ermäßigte Mehrwertsteuer, aber gegen einen Nothilfefonds für die Gastronomie aus. Wenn allerdings "über den Mai hinaus" keine Lockerung in Sicht sei, werde die Regierung neu nachdenken müssen.

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3. Umfassender Flüchtlingsschutz gefordert

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Für einen "umfassenden Flüchtlingsschutz angesichts der Corona-Pandemie" macht sich die Fraktion Die Linke stark. In einem Antrag (19/18685), der am Mittwoch erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, angesichts der aktuellen Gesundheitsgefährdungen zusammen mit den Bundesländern Maßnahmen zum wirksamen Schutz von Geflüchteten zu vereinbaren.

So soll Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach dem Willen der Fraktion "sein Einvernehmen für Abschiebestopp- und Bleiberechtsregelungen" erklären und auf den Erlass solcher Maßnahmen durch die Bundesländer im Sinne eines allgemeinen Abschiebemoratoriums hinwirken. Geflüchtete sollen dem Antrag zufolge "soweit möglich in dezentralen Einrichtungen und besser noch in privaten Wohnungen untergebracht werden".

In der aktuellen Situation könnten leerstehende Hotelzimmer, Ferienwohnungen und Pensionen genutzt werden, um Geflüchtete sicher unterzubringen und ihnen die Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln zu ermöglichen, heißt es in der Vorlage weiter. Eine Quarantäne für ganze Sammelunterkünfte sei "unbedingt zu vermeiden, auch weil sie das Infektionsrisiko für alle Bewohnerinnen und Bewohner auf unverantwortliche Weise erhöht".

Auch darf sich die Aufnahme von Schutzsuchenden aus Griechenland den Abgeordneten zufolge "nicht auf 1.600 ausgewählte Minderjährige oder gar nur 50 Kinder für Deutschland beschränken". Angesichts der aktuellen Virus-Gefahr soll sich die Bundesregierung laut Antrag auf EU-Ebene und gegenüber Griechenland "für die sofortige Evakuierung der so genannten Hotspots und eine Verbringung der Menschen aufs griechische Festland" einsetzen. Die EU-Staaten müssten diese Flüchtlinge übernehmen und die Bundesregierung dabei "mit positivem Beispiel vorangehen".

Zugleich betont die Fraktion, dass die "Verpflichtung, Menschen aus Seenot zu retten und Asylgesuche individuell in einem fairen Verfahren zu prüfen", auch in Zeiten der Corona-Pandemie gelte. Die Bundesregierung fordern die Abgeordneten auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, "dass Malta und Italien ihre Häfen wieder öffnen und schiffbrüchige Schutzsuchende anlanden lassen". Um die überproportional belasteten Erstaufnahmestaaten zu unterstützen, solle sich Deutschland "aktiv und großzügig an der Aufnahme und Versorgung der aus Seenot geretteten Flüchtlinge" beteiligen.

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4. Neuanfang in der EU-Flüchtlingspolitik

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringt auf einen "grundlegenden Neuanfang in der Europäischen Flüchtlingspolitik". Entscheidend sei, dass sich die EU-Mitgliedstaaten darauf verständigen, "Schutzsuchende solidarisch zu verteilen, schnelle und faire Verfahren überall in der Union zu gewährleisten und dabei menschen- und flüchtlingsrechtliche Standards zu wahren", heißt es in einem Antrag der Fraktion (19/18680), der am Mittwoch erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Bis sich die EU und ihre Mitgliedstaaten auf eine umfassende Reform der Europäischen Flüchtlingspolitik geeinigt haben, müssten vorübergehende Lösungen gesucht und pragmatische Koalitionen eingegangen werden.

Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert, sich für die Schaffung eines neuen Aufnahme- und Verteilsystems von Asylsuchenden in Europa einzusetzen. Danach sollen Asylsuchende in "offenen und menschenwürdig gestalteten Registrierungszentren" erkennungsdienstlich behandelt und sicherheitsüberprüft werden. Eine neue "European Union Agency for Asylum" (EUAA) soll laut Vorlage über den für das jeweilige Asylverfahren zuständigen Mitgliedsstaat entscheiden und bei der Verteilung der Asylsuchenden zunächst deren individuellen Bedürfnisse sowie die freiwillig zur Aufnahme bereiten Mitgliedstaaten berücksichtigen.

Für die Mitgliedstaaten, die sich freiwillig an der Aufnahme von Schutzsuchenden beteiligen, sollen nach dem Willen der Fraktion finanzielle Anreize mit zusätzlichen Mitteln aus einem eigenen EU-Fonds geschaffen werden. Wenn nicht genügend freiwillige Aufnahmeplätze zur Verfügung stehen, müsse ein "verbindlicher, alle EU-Mitgliedstaaten umfassender Verteilmechanismus greifen".

Ferner fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, sich gegenüber der EU-Kommission und den europäischen Ratsgremien dafür einzusetzen, "dass es einen deutlichen Aufwuchs von Resettlementplätzen gibt und dass die aufgrund der Corona-Pandemie 2020 gegebenenfalls nicht ausgeschöpften Kontingente in das kommende Jahr übertragen werden". Ebenso soll sich die Bundesregierung dem Antrag zufolge für eine Verteilung von aus Seenot geretteten Menschen gemäß dem vorgeschlagenen Verteilmechanismus sowie für eine "europäisch koordinierte und finanzierte zivile Seenotrettung im Mittelmeer" einsetzen.

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5. Verzicht auf Erhöhung der Diäten

Bundestagsnachrichten/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Die Bundestagsabgeordneten verzichten in diesem Jahr angesichts der Coronakrise auf die planmäßige Erhöhung ihrer Diäten. Alle Fraktionen verständigten sich auf einen Gesetzentwurf (19/18701) zur Aussetzung des Anpassungsverfahrens für das Jahr 2020.

Das Verfahren zur Anpassung der Abgeordnetenentschädigung orientiert sich an der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Lohnentwicklung des Vorjahres. Die Diäten werden regulär jeweils zur Jahresmitte entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung angepasst.

Zuletzt wurden die Diäten der Bundestagsabgeordneten zum 1. Juli 2019 um 3,1 Prozent oder rund 303 Euro auf rund 10.083 Euro im Monat erhöht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 408 - 22. April 2020 - 12.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2020

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