Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/9488: Heute im Bundestag Nr. 179 - 12.02.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 179
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 12. Februar 2020, Redaktionsschluss: 17.50 Uhr

1. Schutz sexueller Identität im Grundgesetz
2. European Championships in München


1. Schutz sexueller Identität im Grundgesetz

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Auf die einhellige Zustimmung der Sachverständigen ist ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Fraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Grundgesetzes (19/13123) bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch gestoßen. Die Vorlage sieht die Einfügung des Merkmals der sexuellen Identität in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes vor. Die rechtliche Situation von Lesben, Schwulen und Bisexuellen habe sich stark verbessert, heißt es in dem Entwurf. Dennoch stoße die Lebensführung etwa von Homosexuellen noch immer auf Vorbehalte, was sich in rechtlicher und sozialer Diskriminierung niederschlage. Das allgemeine Diskriminierungsverbot biete dabei keinen ausreichenden Schutz.

Für die vorgeschlagene Verfassungsänderung sprächen gewichtige Gründe, sagte Sigrid Boysen von der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Der Entwurf benenne einen klassischen Diskriminierungsgrund, der den übrigen Merkmalen des Grundgesetzartikels gleichrangig sei. Demgegenüber vermöge insbesondere das Argument, es handele sich angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um "reine Symbolpolitik", nicht zu überzeugen. Offen bleibe aber die Frage, mit welcher Begründung der Gesetzentwurf die Anstrengung einer Verfassungsänderung auf Fragen der sexuellen Orientierung beschränke, während trans- und intergeschlechtliche Personen wiederum auf bereits bestehenden Diskriminierungsschutz unter der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verwiesen würden.

Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte erklärte, trotz großer rechtlicher und faktischer Fortschritte bei der Verwirklichung der Menschenrechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen sowie transsexuellen, transgeschlechtlichen und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) in Deutschland stellten diese nach wie vor eine strukturell diskriminierungsgefährdete Gruppe dar. Eine Ergänzung des Diskriminierungsverbots im Grundgesetz um die Merkmale sexuelle Orientierung sowie körperliche Geschlechtsmerkmale und Geschlechtsidentität wäre deshalb zu begrüßen.

Axel Hochrein vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) erklärte, die Ergänzung der speziellen Diskriminierungsverbote sei eine vom LSVD seit Jahrzehnten immer wieder an den Gesetzgeber herangetragene Forderung. Obgleich die einfache Gesetzgebung in den letzten Jahrzehnten viele diskriminierende Ungleichbehandlungen von LSBTI-Menschen beseitigt habe, bleibe die Ergänzung des Grundgesetzes um den Begriff der sexuellen Identität sowohl aus Gründen der historischen Erfahrung als auch wegen des fortbestehenden Diskriminierungsrisikos dringend geboten.

Ulrike Lembke von der Humboldt Universität Berlin betonte, dass Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Identität traurige Realität darstellten und dass diese Realität grundsätzlich rechtliche Gegenmaßnahmen erfordere. Sie verwies darauf, dass für bestimmte politische Richtungen, die in Europa zunehmend stärker würden, die aggressive Ablehnung nicht-heterosexueller Lebensweisen zum politischen Programm gehörten. Diskriminierungsschutz als Minderheitenschutz sei im demokratischen Rechtsstaat zuvörderst die Aufgabe des Gesetzgebers.

Anna Katharina Mangold von der Europa-Universität Flensburg erklärte, die vorgeschlagene Grundgesetz-Erweiterung diene einer expliziten Klarstellung, dass nämlich in Deutschland niemand mehr aufgrund der sexuellen Identität Diskriminierung erfahren soll. Allen demokratisch orientierten Parteien im Bundestag müsse es Anliegen sein, Schutz vor Diskriminierung für vulnerable Personengruppen in der Verfassung zu verankern. Es sei unbedingt geboten, für klare Verhältnisse zu sorgen und den Schutz von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen in das Grundgesetz aufzunehmen. Gleiches gelte für alle Menschen, die nicht dem binären Geschlechtsmodell entsprechen können oder wollen, insbesondere trans- und intergeschlechtliche Personen.

Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer sagte, das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes erstrecke sich bislang nicht auf die sexuelle Orientierung beziehungsweise sexuelle Identität. Die vom Gesetzentwurf beabsichtigte Einfügung dieses Merkmals schließe daher eine Schutzlücke. Dies sollte vor allem deswegen erfolgen, weil nicht nur die Nationalsozialisten Menschen wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt haben, sondern auch unter der Geltung des Grundgesetzes das Bundesverfassungsgericht 1957 und 1973 die Verfassungsmäßigkeit der Strafbarkeit homosexueller Handlungen bestätigt und damit Homosexuelle staatlich diskriminiert hat.

Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg erklärte, zwar bewirke die vorgesehene Ergänzung aus verfassungsrechtlicher Sicht keine nennenswerte Verstärkung des Schutzes vor Diskriminierungen im Vergleich zur aktuellen Rechtslage und erscheine insoweit nicht erforderlich. Vor dem Hintergrund namentlich der Leitbildfunktion der Verfassung seien die im Gesetzentwurf betonte "Symbolfunktion" der Verfassungsänderung und deren "Signalwirkung in die Gesellschaft hinein" jedoch legitime Anliegen. Dies sei das gewichtigste der im Gesetzentwurf angeführten Argumente. Insoweit sei politisch zu entscheiden, ob eine entsprechende Ergänzung angezeigt ist.

Auch der Berliner Rechtsanwalt Dirk Siegfried, der vor dem Bundesverfassungsgericht wichtige Urteile für die Gleichstellung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften errungen hat, unterstützte den Entwurf der drei Parteien. Die Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts seien angesichts von weiterhin in der Gesellschaft propagierten Familienbildern wenig wert, sagte Siegfried. Deswegen werde eine grundgesetzliche Absicherung der sexuellen Identität und anderer Lebensweisen dringend gebraucht.

*

2. European Championships in München

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die European Championships vom 11. bis 21. August 2022 in München sollen nicht nur ein herausragendes Sportevent sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis werden. Das machte Marion Schöne, Geschäftsführerin der Olympiapark München GmbH, am Mittwoch vor dem Sportausschuss deutlich. Im Jahr 1972 sei die "Jugend der Welt" im Olympiapark München zusammengekommen und habe mit vier Millionen Besuchern die Olympischen Sommerspiele gefeiert, erinnerte Schöne. 50 Jahre später bringe der Olympiapark in seinem goldenen Jubiläumsjahr die internationalen Top-Sportarten im Rahmen der European Championships nach München.

An den elf Veranstaltungstagen würden die Europameisterschaften in sechs, möglicherweise aber auch sieben Sportarten stattfinden, sagte die Olympiapark-Geschäftsführerin. Leichtathletik, Turnen, Rudern, Triathlon, Golf und Radsport seien fix. Beachvolleyball oder Klettern könnten noch dazukommen. Gescheitert sei man bei dem Bemühen, auch die Europameisterschaften im Schwimmen in diesem Format in München auszurichten. Der Internationale Schwimmverband FINA habe eine Wettkampfstätte mit zehn Bahnen gefordert. Die renovierte Olympia-Schwimmhalle biete aber nur acht Bahnen, sagte Schöne.

Das aktuelle Budget für die Veranstaltung liegt laut der Olympiapark-Geschäftsführerin bei sechs Sportarten bei knapp 118 Millionen Euro. Das Maximalbudget - ursprünglich mit Schwimmen geplant - liege bei 130 Millionen Euro. Die Einnahmen - aus Ticketverkauf und Werbung - lägen bei etwa 25 Millionen Euro (sechs Sportarten) beziehungsweise knapp 30 Millionen Euro.

Schöne sagte vor den Abgeordneten, man wolle keine reine Wettkampfsportveranstaltung ausrichten. Geplant sei auch ein großes Kulturprogramm. Da viel Wert auf die gesellschaftliche Teilhabe aller Gruppen gelegt werde, seien auch kostenlose Angebote geplant. Besucher sollten sich im Olympiapark aufhalten, Sportangebote ausprobieren und am Kulturprogramm teilnehmen können. Zudem gebe es die Idee, über Firmensponsoring kostenlose Kartenkontingente für die Wettkämpfe zur Verfügung zu stellen, die jenen zu Gute kommen sollen, die sich die Karten sonst nicht leisten könnten.

Die Olympiapark München GmbH habe in den vergangenen Jahren eine große Expertise bei der Ausrichtung von Sportgroßereignissen erlangt, sagte Schöne. Mehr als 30 Welt- und Europameisterschaften hätten auf dem Gelände stattgefunden, dazu noch unzählige Deutsche Meisterschaften. Das letzte Großereignis sei die Handball-Weltmeisterschaft der Männer im Jahr 2019 gewesen, bei der die fünf in München stattgefundenen Spiele ausverkauft gewesen seien und es eine große Begeisterung bei den Münchnern aber auch den ausländischen Gästen gegeben habe. "München kann nicht nur Fußball, sondern auch anderen Sport", sagte die Olympiapark-Geschäftsführerin.

Die Münchner Stadtschulrätin Beate Zurek sagte, Vertreter der Sportausschüsse des Bayrischen Landtages und des Bundestages sollten in die beratenden Gremien zu den European Championships eingebunden werden. Wie das konkret aussehen werde, sei noch nicht abschließend entschieden, sagte sie auf Nachfrage. Zugleich betonte sie, dass man es sich zur Aufgabe gemacht habe, mit den European Championships auch den Bogen zum Breitensport zu schlagen. "Wir stellen eine enge Verzahnung mit dem Schul- und Vereinssport her", kündigte sie an. Für Vereine sei es schließlich besonders interessant, im Zusammenhang mit solch einem Event Interessenten anzusprechen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 179 - 12. Februar 2020 - 17.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang