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BUNDESTAG/9074: Heute im Bundestag Nr. 1221 - 04.11.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1221
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 4. November 2019, Redaktionsschluss: 17.03 Uhr

1. Luftverkehrsbranche gegen Steuererhöhung
2. Aufnahme von Flüchtlingen in Kommunen
3. Umleitungsstrecken für Rheintalbahn
4. Pünktlichkeit am Hauptbahnhof Augsburg
5. Technologien für das vernetzte Fahren


1. Luftverkehrsbranche gegen Steuererhöhung

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD geplante Anhebung der Luftverkehrsteuer ist von der Luftfahrtbranche scharf kritisiert worden. Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft erklärte in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden Albrecht Glaser (AfD) am Montag, mit der Erhöhung dieser Steuer erfolge zum wiederholten Mal eine starke Wettbewerbsverzerrung. Es handele sich um einen nationale Alleingang zu Lasten der deutschen Luftfahrtunternehmen. Zahlreiche EU-Staaten hätten keine vergleichbare Luftverkehrssteuer. In den Staaten, die eine solche Steuer erheben, liege diese mit Ausnahme von Großbritannien erheblich unter den deutschen Steuerniveau. Dies verschärfe die bereits bestehende Wettbewerbsverzerrung und belaste die heimische Luftverkehrswirtschaft weiter.

Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes (19/14339) verfolgen die Koalitionsfraktionen das Ziel, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern und die Bürgerinnen und Bürger zum klimafreundlichen Handeln zu ermuntern. Je nach Entfernung des Flugziels beträgt die Steuer in Zukunft 13,03 Euro (bisher 7,50), 33,01 Euro (bisher 23,43) und 59,43 Euro (bisher 42,18). Wirksam werden soll die Erhöhung zum 1. April 2020. Die Steuermehreinnahmen sollen im nächsten Jahr 470 Millionen Euro betragen und bis 2023 auf rund 850 Millionen Euro steigen.

Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft schilderte in der Anhörung die Erfahrungen seit Einführung der Steuer im Jahre 2011. Der Marktanteil der deutschen Fluggesellschaften habe sich von 67 Prozent im ersten Halbjahr 2012 auf 56 Prozent im ersten Halbjahr 2019 verringert. Die Gesellschaften hätten die Luftverkehrsteuer in weiten Teilen nicht an die Kunden weitergeben können, sondern hätten große Teile aus ihrem Betriebsergebnis begleichen müssen. Damit seien Mittel für Investitionen in nachhaltige Technologien reduziert worden.

Auch der Flughafenverband ADV befürchtet verheerende Konsequenzen für die Branche, aber auch für Regionen in Deutschland wie Franken, Sachsen, Westfalen, Thüringen Baden, Allgäu, Hunsrück, Saarland und Mecklenburg. Drohende Einstellungen von Flugverbindungen würden negative Konsequenzen für Investitionen und Arbeitsplätze haben. Die Erhöhung der Steuer wurde als "Konjunkturprogramm" für ausländische Gesellschaften und Flughäfen bezeichnet.

Die überproportionale Erhöhung der Luftverkehrssteuer insbesondere im Bereich der Kurz und Mittelstreckenflüge von 7,50 auf 13,03 Euro stelle eine besonders schwere Belastung für Flughäfen in den Regionen außerhalb der großen Ballungszentren dar, argumentierte auch der Vertreter des Flughafens Nürnberg. Professor Frank Hechtner (Technische Universität Kaiserslautern) warnte in der Anhörung allerdings davor, die Staffelung zu ändern und eine Distanzklasse nur für Inlandsflüge einzuführen. Das sei europarechtlich nicht umsetzbar

Dagegen begrüßte der BUND in seiner Stellungnahme die Erhöhung der Luftverkehrssteuer, um die Umsatzsteuer auf Fernverkehrstickets der Bahn von 19 auf sieben Prozent abzusenken. Damit würde ein Beitrag zur Wettbewerbsangleichung geleistet. Der Steuersatz sei aber zu niedrig, wenn die Fluggesellschaften die Steuern beim CO2-Handel kompensieren könnten.

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2. Aufnahme von Flüchtlingen in Kommunen

Inneres und Heimat/Anhörung

Berlin: (hib/FLA) Die Forderung nach einem stärkeren eigenen Spielraum der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist von Experten teils nachdrücklich begrüßt, teils mit erheblichen juristischen Bedenken versehen worden. Dabei ging es nicht zuletzt um das Bündnis "Sichere Häfen", bei dem inzwischen schon mindestens 115 Städte und Gemeinden aus dem Mittelmeer geretteten Menschen Aufnahme und Schutz bieten wollen. Basis bei der öffentlichen Anhörung von sieben Sachverständigen im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung von Jochen Haug (AfD) waren zwei ähnlich pro-kommunale Anträge der Linksfraktion (19/8648) und Bündnis 90/Die Grünen (19/9275).

Uda Bastians vom Deutschen Städtetag meinte, eine Lösung für die Flüchtlings-Problematik könne es nur auf europäischer Ebene geben. Dazu gehörten auch die Fragen, wohin die aus Seenot geretteten Menschen zunächst gebracht würden und wie ein fairer Verteilmechanismus in der EU aussehen könne. Es bedürfe einer Finanzierungslösung, die den Städten eine nachhaltige und dauerhafte Unterstützung bei der Integration bietet. Die Kommunen seien mit hohen Ausgaben belastet. Die Entlastungen müssten dort ankommen, wo die Belastungen aufträten.

Professor Kay Hailbronner (Universität Konstanz) wandte sich gegen die in den Anträgen erhobene Forderung, dass die Kommunen ihre Aktivitäten in der Flüchtlingspolitik dem Bundesinnenministerium nur anzuzeigen hätten statt eine Zustimmung einholen zu müssen. Das sei mit den Prinzipien des deutschen Aufenthaltsrechts nicht vereinbar. Das Ministerium habe auf bundespolitische Belange bei der Steuerung der humanitären Aufnahme von Flüchtlingen zu achten. Generell verbiete das geltende Recht den Kommunen nicht, über die Quote hinaus freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen.

Helene Heuser (Universität Hamburg) betonte, dass der Flüchtlingsschutz auch bei einer kommunal initiierten Aufnahme weiterhin eine staatliche Aufgabe bleibe, die von Bund und Ländern zu erfüllen sei. Dass Kommunen zusätzlich freiwillig Schutzsuchende aufnehmen wollten, ändere daran nichts. Sie unterstrich, dass das Selbstbestimmungsrecht der Städte und Gemeinden lediglich eine freiwillige zusätzliche Aufnahme umfasse, nicht hingegen die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen, die ihnen durch den Staat zugewiesen werden. Sie forderte ein neues Gesetz, das eigenständiges Vorgehen der Kommunen ermöglicht.

Professor Marcel Kau (Universität Konstanz) wies darauf hin, dass die außenpolitischen Gestaltungsspielräume der Länder grundsätzlich restriktiv zu interpretieren seien. "Nebenaußenpolitiken" der Länder und gegebenenfalls noch zusätzlich der Kommunen seien gegenwärtig weder verfassungsrechtlich zulässig noch außenpolitisch geboten. Die Städte und Gemeinden seien ungeachtet der garantierten kommunalen Selbstbestimmung Teile der Länder und begründeten keine eigene Ebene der Staatlichkeit.

Klaus Riten vom Deutschen Landkreistag gab zu bedenken: Wenn Kommunen zu einer eigenständigen Flüchtlingspolitik ermächtigt würden, würde die Entscheidung über die konfliktträchtige und die Bürgerschaft potenziell spaltende Frage der Flüchtlingsaufnahme auf die kommunale Ebene verlagert, was das Zusammenleben vor Ort beeinträchtigen könne. Es sei nicht zu verkennen, dass Aufnahmeprogramme einzelner Landkreise, Städte oder Gemeinden den Zusammenhalt der Kommunen untereinander gefährden könnten. Finanzhilfen des Bundes zugunsten der Kommunen seien enge Grenzen auferlegt.

Professor Gesine Schwan (Humboldt-Viadrina Governance Platform) begrüßte die Forderung nach einem europäischen Integrations- und Entwicklungsfonds, bei dem sich Gemeinden bewerben können, die sich bereit erklären, Flüchtlinge aufzunehmen. Von diesem Fonds sollen sie die Finanzierung der Integrationskosten erstattet bekommen - und in derselben Höhe Kosten ihrer eigenen Weiterentwicklung wie Infrastruktur, Bildung oder Wohnen. Politik, Unternehmen und organisierte Zivilgesellschaft sollten die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen vorbereiten, um sie in der kommunalen Gesellschaft breiter abzustützen und zu verankern.

Der Oberbürgermeister von Potsdam, Mike Schubert (SPD) - von dort werden die "Sicheren Häfen" bundesweit koordiniert - strich heraus, dass das Bündnis "quer durch die politische Farbenlehre" gehe. Erst komme die Rettung, dann das rechtsstaatliche Verfahren. Das eine hebele das andere nicht aus. Die Bundestagsabgeordneten müssten nach einer Lösung für die in der Anhörung aufgeworfenen rechtlichen Fragen suchen. Das Städtebündnis stufte er als "Signal nach Europa" ein.

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3. Umleitungsstrecken für Rheintalbahn

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung listet in ihrer Antwort (19/13898) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/13377) neun Bahnstrecken auf, die bei einem eventuellen Ausfall der Rheintalbahn als Umleitungsstrecken zur Verfügung stehen. Weiter heißt es in der Antwort, ob und inwieweit den von der infolge der Tunnelhavarie von Rastatt-Niederbühl am 12. August 2017 erfolgten Sperrung der Rheintalbahn betroffenen Unternehmen ein Anspruch auf Schadenersatz zustehen kann, hänge maßgeblich von den Ursachen der Havarie ab. Diese würden derzeit in einem Beweiserhebungs- und Schlichtungsverfahren geklärt, schreibt die Regierung.

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4. Pünktlichkeit am Hauptbahnhof Augsburg

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Im Zeitraum von April 2016 bis August 2019 betrug die Pünktlichkeit der Fernverkehrsverbindungen am Hauptbahnhof Augsburg nach Angaben der Deutschen Bahn AG (DB AG) durchschnittlich 79,9 Prozent. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/14179) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13011) hervor. Zu den Hauptgründen der Verspätungen zählten nach Angabe der DB AG Gleisbelegungen durch andere Züge, Haltezeitüberschreitungen beim Fahrgastwechsel, technische Störungen an Fahrzeugen sowie Fremdeinwirkungen, wie Einsätze der Sicherheitsbehörden oder Witterung.

Zum Thema Streckenelektrifizierung heißt es in der Antwort, durch das Ausbauprogramm "Elektrische Güterbahn" mit dem Haushaltstitel "Förderinitiative zur Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken" solle die Beseitigung von nichtelektrifizierten Lücken und die Schaffung von Ausweichstrecken für den Güterverkehr erreicht werden. Ziel sei ein robustes und elektrisches Schienennetz für den Güterverkehr. Länder, Verbände und die DB Netz AG hätten hierzu Vorschläge übermittelt. Der Freistaat Bayern habe die Strecken Memmingen-Neu-Ulm (Illertalbahn) und Buchloe-Augsburg im Regierungsbezirk Schwaben gemeldet, teilt die Regierung mit. Diese Vorschläge würden von einem externen Gutachter derzeit beurteilt. "Nach bisheriger Planung soll Ende 2019 die Auswahl abgeschlossen sein", heißt es in der Antwort.

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5. Technologien für das vernetzte Fahren

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung räumt nach eigener Aussage dem Prinzip der Wahrung der Technologieneutralität einen hohen Stellenwert ein und hat deshalb gegen den Vorschlag der EU-Kommission gestimmt, für das vernetzte Fahren die auf WLAN basierende Technik ITS-G5 (Intelligent Transport Generation 5) als Standard festzulegen, wie es im Entwurf für den delegierten Rechtsakt zum Thema "Cooperative Intelligent Transport Systems" (C-ITS) vorgesehen war. Das geht aus der Antwort der Regierung (19/14249) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13624) hervor. Die Bundesregierung unterstütze eine technologieoffene Lösung in Bezug auf die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation. Die Fahrzeughersteller sollten die Möglichkeit erhalten, auf das für sie jeweils beste System zu setzen, heißt es in der Antwort.

Die Ablehnung der delegierten Verordnung im Rat bedeute nicht, "dass das Thema C-ITS nicht mehr von Bedeutung ist, sondern dass bei der Erarbeitung von Spezifikationen zur Gewährleistung der Interoperabilität von kooperativen intelligenten Verkehrssystemen auf europäischer Ebene Regelungen geschaffen werden müssen, die einzelne Technologien nicht benachteiligen und die Belange der Mitgliedstaaten in angemessener Weise berücksichtigen", schreibt die Bundesregierung. Wann derartige, europaweit standardisierte Regelungen geschaffen sein werden, sei derzeit nicht abschätzbar.

Studien zur Frage der Übertragungstechnologie im Zusammenhang mit C-ITS liegen der Bundesregierung der Vorlage zufolge weder vor, noch sei beabsichtigt, solche zu beauftragen. "Aus Sicht der Bundesregierung ist die Frage nach der Übertragungstechnologie bei C-ITS (WLAN vs. LTE-V2X) ein zwischen Herstellern bestehender Diskurs", heißt es in der Antwort. Vor diesem Hintergrund sollte aus Sicht der Regierung eine entsprechende Begleitforschung von der Industrie beauftragt und durchgeführt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1221 - 4. November 2019 - 17.03 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2019

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