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BUNDESTAG/8439: Heute im Bundestag Nr. 582 - 17.05.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 582
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 17. Mai 2019, Redaktionsschluss: 10.02 Uhr

1. BKA-Zeugin: Richtig gute Arbeit geleistet
2. Staatssekretärin rückt in den Fokus
3. Nutzung von Daten von Kriegsschauplätzen
4. Problematik des racial profiling


1. BKA-Zeugin: Richtig gute Arbeit geleistet

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 ist nach Ansicht einer leitenden Beamtin des Bundeskriminalamts (BKA) "relativ gut aufgeklärt". Nach wie vor im Dunkeln liege lediglich der Fluchtweg des Attentäters Anis Amri bis zur niederländischen Grenze und die Herkunft der Waffe, die er bei der Tat bei sich hatte, sagte Kriminaldirektorin Julia Pohlmeier am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz"). Die heute 49-jährige Zeugin war nach eigenen Worten als Leiterin des Ermittlungsreferats seit 2012 an mehreren Einsätzen gegen terrorverdächtige Islamisten führend beteiligt. Nach dem Berliner Anschlag war sie stellvertretende Polizeiführerin in der Besonderen Aufbau-Organisation (BAO) "City", die die Vorgeschichte der Tat untersuchte.

Wie andere BKA-Zeugen vor ihr betonte auch Pohlmeier, dass Amri ihrer Überzeugung nach den Anschlag allein verübt habe. Er habe zwar in Verbindung mit Kontaktpersonen außerhalb Deutschlands gestanden, doch seien keine Hinweise gefunden worden, dass er in Berlin Hilfe und Unterstützung in Anspruch habe nehmen müssen. Seit dem 28. November, als er begonnen habe, unter den am Berliner Friedrich-Krause-Ufer abgestellten Schwerlastern nach einem geeigneten Tatfahrzeug zu suchen, sei er allein unterwegs gewesen.

Amris Problem sei gewesen, dass man einen modernen Lastwagen nicht mehr einfach kurzschließen kann, um ihn zu starten. Er habe also ein Fahrzeug finden müssen, wo der Schlüssel im Zündschloss steckte. Immer wieder sei er am Friedrich-Krause-Ufer entlanggelaufen und habe die geparkten Fernlaster "abgeklinkt", also ausprobiert, ob das Fahrerhaus offen stand. Damit sei das Gelingen des Anschlages von einem Zufallstreffer abhängig gewesen. Als Amri am Abend des 18. Dezember in einem Imbiss mit seinem Freund Bilel ben Ammar zusammensaß, habe er daher noch nicht wissen können, dass er am nächsten Tag erfolgreich sein würde.

Die Zeugin verteidigte die später vielfach als voreilig kritisierte Abschiebung des mittlerweile in tunesischer Haft sitzenden Ben Ammar am 1. Februar 2017. Ben Ammar sei ein nicht weniger gefährlicher und genauso "unberechenbarer" Islamist gewesen wie sein Freund Amri. Zu befürchten sei gewesen, dass er, wäre er in Deutschland auf freiem Fuß geblieben, nach dessen Vorbild ebenfalls einen Anschlag verübt hätte.

Nach dem Attentat war Ben Ammar zehn Tage lang verschollen. Als er am 29. Dezember wieder auftauchte, sei es also darum gegangen, ihn auf jeden Fall hinter Schloss und Riegel zu bringen. Als Vorwand habe ein Ermittlungsverfahren wegen Sozialhilfebetrugs in zwei Fällen herhalten müssen, das der Generalstaatsanwalt in Berlin gegen Ben Ammar geführt habe. Ein solcher Vorwurf sei als Haftgrund allerdings kaum belastbar gewesen. Eine Mittäterschaft am Anschlag sei Ben Ammar nicht nachzuweisen gewesen.

Die Behörden hätten also vor der Wahl gestanden: Ben Ammar abzuschieben auf die Gefahr hin, dass sie später als "Deppen" dastünden, wenn sich doch noch Hinweise auf eine Mittäterschaft gefunden hätten. Oder ihn auf freien Fuß zu setzen mit dem Risiko eines weiteren Attentats. Diese Gefahr sei ihr weitaus größer erschienen, sagte die Zeugin: "Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich mich zwei Jahre später wegen zu schneller Abschiebung eines islamistischen Gefährders würde rechtfertigen müssen. Aus damaliger Perspektive haben wir gute Arbeit geleistet, richtig gute Arbeit."

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2. Staatssekretärin rückt in den Fokus

Verteidigung/Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die frühere Rüstungs-Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium Katrin Suder ist am Donnerstag (16. Mai 2019) erstmals bei den Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses näher in den Fokus der Abgeordneten gerückt. Das Gremium unter dem Vorsitz von Wolfgang Hellmich (SPD) geht nach Kritik des Bundesrechnungshofs der Frage nach, ob bei der Bundeswehr bei der Vergabe an externe Firmen zur Beratung und Unterstützung Rechts- und Regelverstöße begangen wurden und ob etwaige "persönliche Kennverhältnisse", so Hellwig, im Spiel gewesen sein könnten.

Ein Erlass Suders vom 1. Dezember 2017, eine IT-Dienstleistung möglichst kurzfristig in Auftrag zu geben, ging beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz ein, sagte die im Vertragsbereich tätige Referentin Cornelia Pütz aus. Es ging dabei um PLM (Product-Lifecycle-Management), einer Effizienzsteigerung der IT, die bei der Bundeswehr als Pilotprojekt beim Lufttransporter A 400 M getestet werden sollte.

Suders Erlass hatte nach übereinstimmender Zeugen-Darstellung als Basis für die Transaktion jenen Rahmenvertrag 20-237 vorgegeben, der zu den Schwerpunkten der Ausschuss-Untersuchungen zählt. Es handelt sich, wie Pütz erläuterte, um einen Vertrag über 200 Millionen Euro über IBM-Dienstleitungen, den das Bundesinnenministerium abgeschlossen hat. Er ist im elektronischen "Kaufhaus des Bundes" eingestellt und konnte prinzipiell unter anderem auch von der Bundeswehr genutzt werden.

Freilich galt das nicht für das PLM-Projekt, wie der Bundesrechnungshof monierte. Dieser Bewertung schloss sich später auch das Verteidigungsministerium an. Immer wieder fragten die Abgeordneten zudem nach, warum in dem Vertrag als Hauptauftragnehmer die Firma SVA (System Vertrieb Alexander) aufgeführt ist, obwohl nahezu das gesamte Auftragsvolumen vom Unterauftragnehmer Accenture geleistet worden sei.

Pütz erklärte, dass die Umsetzung des Erlasses vom Ministerium mit großem zeitlichem Druck versehen worden sei. Ihr Kollege Gerhard Maurer, der als Referatsleiter in Koblenz mit dem technischen Teil von Verträgen zu tun hat, sagte aus, dass Accenture schon vor dem Erlass, nämlich im November, tätig gewesen sei - nach Auskunft der Firma von Suder dazu beauftragt.

Das Vorgehen des Ministeriums nannte Maurer "sehr ungewöhnlich". Er habe für ausgeschlossen gehalten, dass eine Firma bereits tätig sei, ohne dass geklärt gewesen sei, ob besagter Rahmenvertrag überhaupt genutzt werde durfte. Deshalb sei er von einer entsprechenden Befassung mit der Rechtslage im Ministerium ausgegangen. Zwar sei im Erlass vorgegeben gewesen, das Koblenzer Amt habe das regelgerechte Vorgehen zu prüfen. Doch für ihn habe es so ausgesehen, als ob schon alles festgelegt worden sei: "Da musste ich gar nicht mehr prüfen."

Maurer sagte weiter, dass er - Ingenieur für Luft- und Raumfahrt - eigentlich die Leistungsbeschreibung für das Projekt PLM hätte erstellen müssen. Doch diese Beschreibung sei ihm vom Ministerium vorgegeben worden. Er habe sie einfach übernommen. Konsequenterweise habe er auch die Rechnungen bereits vom Ministerium abgezeichnet erhalten: "Es hat meine Aufgabe übernommen."

Maurer vertrat vor dem Ausschuss die Einschätzung, als PLM-Pilotprojekt sei das Waffensystem A 400 M ungeeignet gewesen, weil hinsichtlich der Verfügung über die Daten Schwierigkeiten mit dem Produzenten der Maschine, Airbus, vorprogrammiert gewesen seien. Dem widersprach allerdings als dritter Zeuge der Sitzung der im Ministerium für das Transportflugzeug zuständige und dann auch mit dem PLM-Pilotprojekt betraute Fachreferent Peter Hemmert. Wegen der gewaltigen Mengen an Daten, die bei diesem Waffensystem anfielen, aber nur unzureichend ausgewertet worden seien, habe sich das Vorgehen aus seiner digitalen Sicht angeboten, sagte der Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrt.

Hemmert ging nach seiner Darstellung fest davon aus, dass die Leitung des Ministeriums von vornherein Accenture als Auftragnehmer gewünscht habe. Dass als Hauptauftragnehmer dann SVA gewählt wurde, habe wohl mit der Absicht zu tun, den Rahmenvertrag nutzen zu wollen. Warum dies gewollt war, machte Maurer deutlich: Wird ein Rahmenvertrag angewandt, muss keine Ausschreibung durchgeführt werden.

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3. Nutzung von Daten von Kriegsschauplätzen

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Nutzung militärischer "Daten von Kriegsschauplätzen" durch Bundesbehörden in Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren ist ein Thema der Antwort der Bundesregierung (19/10080) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/9641). Danach werden "Daten von Kriegsschauplätzen" den deutschen Strafverfolgungsbehörden entweder aufgrund von Rechtshilfeersuchen oder im Wege des polizeilichen Informationsaustausches von anderen Staaten zur Verfügung gestellt. In Einzelfällen wurden den Angaben zufolge auch "Daten von Kriegsschauplätzen", die von der Bundeswehr zur Verfügung gestellt wurden, genutzt.

Wie die Bundesregierung weiter ausführt, übermittelt der Militärische Abschirmdienst (MAD) in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr "nach Maßgabe der für ihn geltenden rechtlichen Voraussetzungen Daten aus dem nachrichtendienstlichen Eigenaufkommen oder dem ihm bekanntgewordenen internationalen Meldeaufkommen an Bundesbehörden zur Nutzung in den von diesen geführten Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren". Darüber hinaus beschaffe der Bundesnachrichtendienst im Rahmen der gesetzlichen Auftragserfüllung Informationen unterschiedlicher Herkunft, "wozu auch Informationen aus Konfliktgebieten zählen, die in das hiesige Lagebild einfließen".

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4. Problematik des racial profiling

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Mit der Problematik des "racial profiling" befasst sich die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/10065) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/9637). Darin schrieb die Fraktion, dass die Bundespolizei 2017 rund 2,3 Millionen verdachtsunabhängige Kontrollen durchgeführt habe. Die Kontrollen stünden "seit Jahren in der Kritik". "Organisationen wie das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland oder die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt werfen der Bundespolizei vor, sich des racial profiling zu bedienen, also gezielt Menschen zu kontrollieren, die ihnen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes - beispielsweise wegen der Hautfarbe, der Haarfarbe oder eines religiösen Symbols - verdächtig erscheinen."

Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort ausführt, kam es in den Zuständigkeitsbereichen der Bundespolizeidirektionen "2018 und im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. April 2019 zu insgesamt 58 Beschwerden im Zusammenhang mit dem Vorwurf des sogenannten Racial Profiling beziehungsweise der Vornahme von Personenkontrollen nach Paragraf 22 Absatz 1a, Paragraf 23 Absatz 1 Nummer 3 Bundespolizeigesetz". Im Ergebnis der geprüften Beschwerdesachverhalte seien durch die Bundespolizeidirektionen 51 Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen worden. Gegenwärtig befänden sich aus dem benannten Zeitraum noch fünf Beschwerden in der Prüfung. Eine Beschwerde sei als begründet und eine als teilweise begründet bewertet worden. "In beiden Fällen wurden Auftreten und Kommunikation der eingesetzten Kräfte kritisiert", heißt es in der Vorlage weiter.

Den bewerteten Stellungnahmen ist laut Bundesregierung zu entnehmen, "dass die Einsatzkräfte nicht die Absicht hatten, diskriminierend aufzutreten". Die Bundespolizei sei jedoch zu dem Ergebnis gelangt, "dass das Auftreten geeignet war, diesen Eindruck zu erzeugen". Dies sei den Petenten in der Antwort mitgeteilt worden. "Das Ergebnis der Ermittlungen wurde den Einsatzkräften zur Kenntnis gebracht und nachbereitet", schreibt die Bundesregierung ferner. Im Ergebnis der Beschwerde sei eine Thematisierung und Sensibilisierung innerhalb der internen Fortbildung der betroffenen Stelle der Bundespolizei erfolgt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 582 - 17. Mai 2019 - 10.02 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2019

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