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BUNDESTAG/7552: Heute im Bundestag Nr. 704 - 26.09.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 704
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 26. September 2018, Redaktionsschluss: 15.22 Uhr

1. Experten sehen Rüstungsexportverbot kritisch
2. Kritik an Online-Haftungsgesetz
3. Fachgespräch zu sozialem Wohnungsbau
4. Neuregelung der Eingliederungshilfe


1. Experten sehen Rüstungsexportverbot kritisch

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/wid) Die Forderung nach einem Verbot oder zumindest einer weiteren gesetzlichen Einschränkung von Rüstungsexporten stößt unter Experten überwiegend auf Vorbehalte. Dies zeigte sich am Mittwoch bei einer Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuss. Gegenstand der Befragung waren Anträge der Fraktionen der Linken, die ein komplettes gesetzliches "Verbot des Exports von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" verlangen (19/1339), sowie der Grünen, die sich für die Festschreibung restriktiver Standards in einem eigenen "Rüstungsexportkontrollgesetz" aussprechen. (19/1849)

Der Staatsrechtler und frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz nannte ein Verbot von Waffenausfuhren "rechtlich und politisch ausgeschlossen". Ein Staat, der auf militärische Verteidigung und eigene Rüstungsproduktion verzichte, sei "undenkbar". Zu bedenken sei überdies der "marktwirtschaftliche Aspekt" des Themas. Hier gehe es um das Recht der betroffenen

Unternehmen auf wirtschaftliche Betätigung. Die "Politischen Grundsätze" der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen seien in jedem Einzelfall flexibel zu interpretieren, sagte Scholz. Daran werde sich auch nichts ändern, wenn sie, wie die Grünen vorschlagen, in einem Gesetz festgeschrieben würden.

Der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik der Universität Kiel, Joachim Krause, wies darauf hin, dass keine der Exportgenehmigungen der Bundesregierung in den vergangenen Jahren gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz oder gegen EU-Kriterien verstoßen habe. Krause widersprach der Annahme, dass deutsche Waffen auf zahlreichen Kriegsschauplätzen dieser Welt eingesetzt würden. Bei genauerem Hinsehen seien dort vor allem russische, chinesische und iranische Rüstungsgüter zu finden.

Krause warnte davor, die Bedeutung der deutschen Rüstungsexporte zu überschätzen. Sie betrügen allenfalls zwei bis vier Prozent des weltweiten Handels, verglichen mit einem deutschen Anteil von neun Prozent an den zivilen Exporten. Die Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zog Krause im übrigen in Zweifel. Die unterschiedliche Transparenz demokratischer und autoritärer Regime sowie die zunehmende transnationale Verflechtung des Rüstungsgeschäfts seien darin zu wenig berücksichtigt. Als "zu unspezifisch" kritisierte Krause den Begriff der "Krisenregion" als Ausschlusskriterium für Waffenlieferungen. In jedem Einzelfall seien die konkreten Umstände eines Konflikts zu bedenken.

Als Vertreterin der Europäischen Kommission betonte Sylvia Kainz-Huber die Notwendigkeit einer "effizienteren und schlagkräftigeren europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik", zu der auch eine "effiziente, wettbewerbsfähige, innovative" europäische Verteidigungsindustrie gehöre. Der EU sei daran gelegen die Rüstungskooperation in Europa zu fördern. Sie habe daher 2009 eine Richtlinie für den "Transfer von Verteidigungsgütern" zwischen den Mitgliedsstaaten erlassen und plane für den Zeitraum ab 2021 einen "Europäischen Verteidungungsfonds" von jährlich 13 Milliarden Euro. Im Sinne dieser Kooperation bedürfe es einer "Öffnung" der restriktiven deutschen Richtlinien.

Für die IG Metall wies deren Vorstandsmitglied Jürgen Bühl darauf hin, dass der Exportanteil an der deutschen Rüstungsproduktion bei durchschnittlich 50 Prozent liege. Ein Exportverbot werde Überkapazitäten und damit Arbeitsplatzverluste in entsprechendem Umfang mit sich bringen. Aus Sicht der Industrie geißelte ein Vertreter des Airbus-Konzerns, Alexander Reinhardt, die restriktive deutsche Praxis als Hindernis grenzüberschreitender Kooperation. So habe sein Unternehmen ein in Spanien gefertigtes Flugzeug nicht ohne aufwendige Modifikationen nach Saudi-Arabien exportieren können, weil in der Ursprungsversion eine Komponente aus Deutschland stammte.

Zuspruch fanden die Initiativen von Linken und Grünen bei der Vertreterin der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi", Christine Hoffmann, sowie dem Präsidenten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Arnold Wallraff. Hoffman forderte, ein Verbot des Waffenexports explizit im Grundgesetz zu verankern. Wallraff wies darauf hin, dass das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gegen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Rüstungsunternehmen nicht aufgerechnet werden dürfe.

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2. Kritik an Online-Haftungsgesetz

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die im Internet relativ einfache Möglichkeit zum Umsatzsteuerbetrug soll unterbunden werden. Der Finanzausschuss beriet dazu am Mittwoch unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (19/4455). Wie die Regierung in der Sitzung erläuterte, soll das Gesetz zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten.

Für die Betreiber eines elektronischen Marktplatzes soll eine Haftung eingeführt werden, wenn Händler für die über den Marktplatz bestellten Waren keine Umsatzsteuer abgeführt haben. "Seit geraumer Zeit liegen vermehrt Anhaltspunkte dafür vor, dass es beim Handel mit Waren über das Internet zu Umsatzsteuerhinterziehungen kommt, insbesondere beim Handel mit Waren aus Drittländern", heißt es in dem Entwurf. Betreiber dieser Marktplätze müssen die Daten von Unternehmen, für deren Umsätze in Deutschland eine Steuerpflicht besteht, vorhalten. Die Unternehmen müssen zudem gegenüber dem Betreiber des Marktplatzes nachweisen, dass sie steuerlich registriert sind. Liegen die Nachweise über die steuerliche Registrierung nicht vor, wird der Betreiber des Marktplatzes in Haftung genommen. Der heutige Zustand sei nicht länger zu akzeptieren, unterstrich die Regierung.

Die FDP-Fraktion wandte ein, dass ausgerechnet bei Online-Plattformen jetzt mit Papier-Bescheinigungen gearbeitet werden solle. Die Ausfertigung solcher Bescheinigungen könne bis zu fünf Monate dauern. Die CDU/CSU-Fraktion teilte diese Bedenken. Sie erhob zudem Bedenken gegen einen Teil der Haftungsregelung. Die AfD-Fraktion erkundigte sich nach der Höhe der Steuerausfälle durch den Umsatzsteuerbetrug. Laut Bundesregierung gibt es dazu jedoch keine empirischen Belege. Sie verwies auf Angaben des Bundesrates (eine Milliarden Euro) beziehungsweise auf Schätzungen, in denen von Steuerausfallen in der gesamten EU-von 50 Milliarden Euro die Rede sei.

Mit dem Gesetz werden zudem die Fahrer von elektrisch angetriebenen Dienstwagen und von Hybridfahrzeugen bei der Privatnutzung dieser Fahrzeuge steuerlich entlastet. Die Einbeziehung von Hybridfahrzeugen missfiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Mit dem Elektroantrieb könnten solche Fahrzeuge maximal 50 Kilometer fahren, danach werde der Verbrennungsmotor genutzt. Die Linksfraktion vermisste eine Regelung für Benutzer von Dienstfahrzeugen, wie dies auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf vorschlage.

Der Ausschuss beschloss die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu dem Entwurf, die am Montag, den 15. Oktober stattfinden wird.

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3. Fachgespräch zu sozialem Wohnungsbau

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Ausschuss

Berlin: (hib/PEZ) Der Bauausschuss will sich in einem Fachgespräch mit Möglichkeiten einer Neuausrichtung des sozialen Wohnungsbaus informieren. Die Abgeordneten beschlossen bei ihrer Sitzung am Mittwoch, für den Vormittag des 10. Oktober 2018 Experten zum Thema "Situation und Perspektiven des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland" einzuladen.

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4. Neuregelung der Eingliederungshilfe

Arbeit und Soziales/Unterrichtung

Berlin: (hib/CHE) Der Abschlussbericht zu den rechtlichen Wirkungen einer Neuregelung der Eingliederungshilfe gemäß den Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) liegt nun als Unterrichtung (19/4500) durch den Bundestag vor. Hintergrund der Untersuchung ist, dass die bisherige Definition des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe als Menschen mit "wesentlicher" Behinderung zum 1. Januar 2023 von einer Neudefinition abgelöst werden soll. Die Untersuchung macht Vorschläge dazu, wie die im BTHG noch bewusst offen gehaltenen Kriterien zur Definition des leistungsberechtigten Personenkreises konkretisiert und in einer anwendungsfreundlichen Form operationalisiert werden können.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 704 - 26. September 2018 - 15.22 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2018

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