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BUNDESTAG/7345: Heute im Bundestag Nr. 495 - 09.07.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 495
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 9. Juli 2018, Redaktionsschluss: 11.00 Uhr

1. Gesetzentwurf zu Wahlrechtsänderung
2. Keine EU-Regeln zur Seeleute-Ausbildung
3. AfD gegen EU-Richtlinie zu Hinweisgebern
4. Zeit- undArbeitsplan der Kohlekommission
5. Verteilung von Stromnetzentgelten
6. Zinsen als Problem für das Finanzsystem
7. Experten empfehlen Krankenhausreform


1. Gesetzentwurf zu Wahlrechtsänderung

Inneres und Heimat/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Menschen, die unter vollständiger Betreuung stehen, sollen nach dem Willen der FDP-Fraktion nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Das geht aus einem von der Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf "für mehr Teilhabe im Wahlrecht" (19/3171) hervor. Die Teilnahme an Wahlen sei für viele Menschen mit Behinderungen "ein wichtiges Element ihrer Selbstbestimmtheit und ihrer Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben", schreiben die Abgeordneten in der Vorlage. Zwar knüpften die Wahlrechtsausschlüsse im Paragrafen 13 des Bundeswahlgesetzes nicht am Merkmal einer Behinderung an, doch würden in der Folge überwiegend Behinderte von Wahlen zum Bundestag und zum Europaparlament ausgeschlossen.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen zudem Menschen, die aufgrund einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, nicht mehr vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Diese Gruppe sei derzeit gegenüber Menschen mit Behinderungen benachteiligt, die in geschlossenen Einrichtungen leben und ihr Wahlrecht ausüben können, schreibt die Fraktion in der Begründung.

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2. Keine EU-Regeln zur Seeleute-Ausbildung

Europa/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die AfD-Fraktion lehnt den Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten ab und fordert den Bundestag auf, diesen zu rügen. Der Vorschlag stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Ausbildungsnotwendigkeiten von Seeleuten dar, schreibt sie in einem Antrag (19/3187).

Es gäbe keinen sachlichen Grund, warum die EU die Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten auf einzelnen, teilweise binnenstaatlichen Gewässern regeln müsse und die nationalen Gesetzgeber dies nicht könnten, heißt es in der Begründung. Auch diene es gerade nicht dem Gebot der Verbesserung der Sicherheit auf den europäischen Binnen- und Seegewässern, wenn Patente beziehungsweise Ausbildungen anderer Staaten, die für andere Gewässer erteilt worden seien, lediglich anerkannt, aber nicht geprüft würden. Eine ungeprüfte Anerkennung anderer Ausbildungspatente würde verkennen, "dass eine Einweisung in die Besonderheiten der jeweiligen Gewässer oftmals von Nöten und dringend geboten ist", warnen die Abgeordneten.

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3. AfD gegen EU-Richtlinie zu Hinweisgebern

Europa/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die AfD-Fraktion lehnt den Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ab und fordert den Bundestag in einem Antrag (19/3188) auf, eine entsprechende Entschließung zu verabschieden.

Mit der Richtlinie werde eine verbesserte Durchsetzung des Unionsrechts beabsichtigt, indem Hinweisgebern ein Schutz vor Repressalien gegeben werden soll. Es sei aber unklar, inwieweit der Bereich der Gerichtsbarkeit als Teil des öffentlichen Sektors von der Richtlinie erfasst werde. Würde sie von der Richtlinie erfasst, käme es nach Ansicht der Fraktion zu einer Vielzahl von Verwerfungen, insbesondere zu einer Kollision mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz. Die mit dem Richtlinienentwurf vorgeschlagenen Regelungen griffen so in einen Bereich ein, "der originär den Mitgliedsstaaten respektive den Bundesländern obliegt, da er im Bereich des öffentlichen Rechts vor allem Fragen des Organisations-, Verfahrens- und Verwaltungsvorschriften sowie des Beihilfe- und Dienstrechts berührt", schreiben die Abgeordneten.

Die EU habe gemäß den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit "keine ausreichenden Kompetenzen für den Rechtssetzungsakt", heißt es in dem Antrag weiter. Die AfD meint, die Durchsetzung des Unionsrechts könne auch auf nationalstaatlicher Ebene verbessert werden, soweit es überhaupt als unzureichend einzustufen sei.

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1. Zeit- und Arbeitsplan der Kohlekommission

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Die Bundesregierung hat den Zeitplan für die Arbeit der Kohlekommission bekräftigt. Die Kommission mit offiziellem Titel "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" sei eingesetzt und dabei, sich zu konstituieren, heißt es in der Antwort (19/3074) auf eine Kleine Anfrage (19/2575) der Fraktion Die Linke. Zu Fristen für Empfehlungen, die die Kommission erarbeiten soll, verweist die Bundesregierung auf den Kabinettsbeschluss. Der Abschlussbericht werde Ende 2018 der Bundesregierung übergeben.

Auf die Frage, bis wann im Anschluss daran ein verbindliches Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung festgesetzt wird, antwortet die Regierung, sie wolle der Arbeit der Kommission nicht vorgreifen. "Die Bundesregierung strebt ein Gesetz an, das die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet." Die gesetzliche Umsetzung werde gemäß Koalitionsvertrag im Jahr 2019 abgeschlossen.

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5. Verteilung von Stromnetzentgelten

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Um die Kostenverteilung bei den Entgelten für Stromnetze geht es in der Antwort (19/2757) auf eine Kleine Anfrage (19/2157) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Demnach haben die Haushalte etwa ein Viertel des 2016 insgesamt verbrauchten Stroms für sich verbucht. Welchen Anteil sie an den Netzentgelten übernehmen mussten, sei nicht präzise zu ermitteln, erklärt die Bundesregierung. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der Anteil von Haushalten an diesen Entgelten höher ist als der Anteil an der Gesamtstromabnahme. Unter Haushalten sind dabei nicht nur Privatkunden, sondern etwa auch Gewerbebetriebe erfasst.

In der Antwort geht die Bundesregierung auch auf regionale Unterschiede bei den Netzentgelten ein. Demnach lag die Spannweite für Haushaltskunden im Jahr 2017 zwischen 3,1 Cent pro Kilowattstunde und 13,6 Cent pro Kilowattstunde. Auf letzteres Netzgebiet seien nur wenige Kunden entfallen. Bei Kunden mit einem Verbrauch von 50.000 Kilowattstunden pro Jahr lag die Spannweite zwischen 2,8 Cent und 10,4 Cent pro Kilowattstunde. Für das Jahr 2018 liegen vorläufige Berechnungen vor, demnach schwanken die Entgelte für einen Haushaltskunden mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden pro Jahr zwischen 3,51 Cent und 10,89 Cent pro Kilowattstunde. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass sich die Analyse auf Netzbetreiber in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur beschränkt.

In der Antwort gibt die Bundesregierung desweiteren detailliert Auskunft über verschiedene Bestandteile von Strompreis, Stromverbrauch und deren Preisentwicklung.

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6. Zinsen als Problem für das Finanzsystem

Berlin: (hib/HLE) Schnell steigende Zinsen könnten sich zu einem Problem für das deutsche Finanzsystem entwickeln. Genauso würden aber dauerhaft nahe bei Null liegende Zinsen das das Finanzsystem unter Druck setzen. Derzeit begünstige das konjunkturelle Umfeld die Lage, heißt es in dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (19/3080) vorgelegten fünften Bericht des Ausschusses für Finanzstabilität zur Finanzstabilität in Deutschland. Es würden aber Stabilitätsrisiken bestehen. Marktteilnehmer sollten daher "die momentan günstigen Bedingungen nicht zu optimistisch fortschreiben und auch Szenarien berücksichtigen, die zu hohen Verlusten führen können", mahnt der Ausschuss. Insbesondere bestehe bei weiter niedrigen Zinsen die Gefahr, dass die Schuldentragfähigkeit von Marktteilnehmern überschätzt werde: "Insolvenzen und damit Kreditausfälle könnten steigen, wenn sich die Wirtschaftslage unerwartet verschlechtert."

Dem deutschen Bankensystem wird in der Unterrichtung bescheinigt, seine Widerstandsfähigkeit gesteigert zu haben. Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung seien verbessert worden. Das Niedrigzinsumfeld beeinträchtige aber die Ertragslage. Sparkassen und Kreditgenossenschaften seien aber "hohen Zinsänderungsrisiken" ausgesetzt. Der Ausschuss verlangt einen Abbau der Privilegierung von Staatsschuldentiteln, die Banken in großem Umfang vor allem von den eigenen Staaten halten würden. Solche Titel würden beim Eigenkapital einer Nullgewichtung unterliegen und seien von Großkreditgrenzen freigestellt. "Diese Privilegien stehen einem adäquaten Umgang mit den tatsächlichen Kreditausfall- und Konzentrationsrisiken entgegen", heißt es in dem Bericht. Nach Angaben des Ausschusses ist ein Abbau dieser Privilegien im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht aber "derzeit nicht mehrheitsfähig". Auch zu der auf europäischer Ebene diskutierten Bündelung von Staatsanleihen verschiedener Länder in einem Paket zu sogenannten "Sovereign Bond-Backed Securites (SBBS) nimmt der Ausschuss Stellung. Bei einer Umsetzung dieser Pläne gebe es "erhebliche Stabilitäts- und politische Risiken".

Eine erhöhte "Gefahr negativer Liquiditätsspiralen" sieht der Ausschuss durch die in letzter Zeit bei Anlegern immer beliebter gewordenen Investmentfonds. Wenn solche Fonds durch stark zunehmende Rückgaben von Anteilsscheinen ihre Vermögenswerte verkaufen müssten, könnte dies die Vermögenspreise weiter sinken lassen, wodurch Investoren noch mehr Anteile abgeben würden. In Deutschland stehe mit der Aussetzung der Rücknahme von Fondsanteilen nur ein Instrument zum Liquiditäts-Management zur Verfügung. Die Schaffung weiterer Instrumente könnte helfen, Liquiditätsrisiken bei Investmentfonds zu reduzieren.

Keine Gefahr wird hingegen durch die neuen Krypto-Währungen gesehen. Auch angesichts weiter stark steigender Preise für Immobilien werden bisher keine Risiken durch diesen Bereich für die Finanzstabilität gesehen. Es bestehe aber die Gefahr, dass der Wert von Kreditsicherheiten überschätzt werden könnte

Auch die deutschen Lebensversicherungsunternehmen würden durch die niedrigen Zinsen weiter erheblich belastet. Da die Marktzinsen deutlich unter den durchschnittlichen Zinsgarantien liegen würden, "stehen viele Lebensversicherer vor der Herausforderung, hinreichend Erträge zu erwirtschaften, um ihre langfristigen Verpflichtungen zu erfüllen". Zwar würde ein Zinsanstieg grundsätzlich positiv für die Versicherungen sein, doch könnte es bei abrupt steigenden Zinsen zu einer Kündigungswelle kommen, weil die Kunden von der höheren Rendite am Markt profitieren wollten. Die Versicherungen könnten in einem solchen "Extremfall" gezwungen sein, Kapitalanlagen zu deutlich gesunkenen Marktwerten zu veräußern.

Erwähnt wird in dem Bericht auch ein von der Deutschen Bundesbank entwickelter Frühwarnindikator für systemische Finanzkrisen, mit dem allerdings nur inländische Ungleichgewichte im Finanzsystem identifiziert werden können. Als Ergebnis wird festgehalten: "Der Gesamtindikator für Deutschland gibt derzeit kein Warnsignal, steigt seit Ende 2015 aber an." Ein großer Teil des Anstiegs wird auf die stark angestiegenen Wohnimmobilienpreise zurückgeführt.

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7. Experten empfehlen Krankenhausreform

Gesundheit/Unterrichtung

Berlin: (hib/PK) Die Planung und Finanzierung der Krankenhäuser muss nach Ansicht des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen grundsätzlich überdacht werden. In ihrem Gutachten 2018, das jetzt als Unterrichtung (19/3180) durch die Bundesregierung vorliegt, empfehlen die Experten umfassende Änderungen.

Die Fehlentwicklungen in der Krankenhausfinanzierung seien für Universitätskliniken und teilweise auch für Maximalversorger besonders gravierend. Die Experten empfehlen, die bettenorientierte durch eine leistungsorientierte Planung zu ersetzen. Bei der Nachfrageprognose sollten Daten zur demografischen Entwicklung berücksichtigt werden.

Die Sachverständigen schlagen ferner einen Übergang von der dualen Finanzierung durch Krankenkassen (Behandlungen) und Länder (Investitionen) zur monistischen Finanzierung (nur Krankenkassen) vor. Alternativ müssten andere Wege gefunden werden, "um der derzeitigen Unterfinanzierung in der Investitionsförderung entgegenzuwirken und die gegenwärtigen Überkapazitäten abzubauen".

Der Strukturfonds sei gut geeignet, um die Bereinigung der Krankenhausstrukturen zu beschleunigen und die Investitionsförderung der Länder zu ergänzen, heißt es weiter. Er sollte daher verstetigt werden, wobei der Bundesanteil aus Steuermitteln und nicht durch den Gesundheitsfonds zu tragen sei.

Für "mengenanfällige Eingriffe" sollte das Zweitmeinungsverfahren obligatorisch und eine Dokumentations- oder Begründungspflicht eingeführt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 495 - 9. Juli 2018 - 11.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2018

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