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BUNDESTAG/7120: Heute im Bundestag Nr. 269 - 25.04.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 269
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 25. April 2018, Redaktionsschluss: 16.45 Uhr

1. Streit über Beiträge zu Betriebsrenten
2. Entlastung für das Haushaltsjahr 2015
3. AfD fordert Ende der kalten Progression
4. Umsatzsteuer bringt 226 Milliarden Euro


1. Streit über Beiträge zu Betriebsrenten

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Arbeits- und Sozialexperten sehen in doppelten Beitragszahlungen zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge eine korrekturbedürftige Fehlsteuerung. Zum wiederholten Mal befasste sich am Mittwoch der Gesundheitsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Expertenanhörung mit dem Thema. Zur Debatte stand ein Antrag (19/242) der Fraktion Die Linke mit der Forderung, die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Betriebsrenten zu beenden.

Einige Sachverständige machten, auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen, grundsätzlich deutlich, dass Initiativen für eine ergänzende Altersvorsorge neben der gesetzlichen Rentenversicherung nicht durch zusätzliche Beiträge konterkariert werden sollten.

Anlass für den Streit sind die Auswirkungen des GKV-Modernisierungsgesetzes von 2003, das 2004 in Kraft getreten ist. Seit 2004 müssen Versicherte auch auf Versorgungsbezüge, die aus Einmalzahlungen, etwa aus einer Direktversicherung als Kapitallebensversicherung, resultieren, Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Da die Zahlungen in der Ansparphase schon der Beitragspflicht unterlagen, ist von einer "Doppelverbeitragung" die Rede. Zudem führte die gesetzliche Änderung dazu, dass Versicherte seither den vollen GKV-Beitragssatz zu zahlen haben statt bis dahin den hälftigen. In der Folge fallen die Auszahlungen deutlich niedriger aus, als von den Versicherten ursprünglich erwartet.

Betroffene beklagen, dass die Gesetzesänderung sogar für Altfälle gilt, also die Vertragsbedingungen rückwirkend zu ihren Ungunsten verändert wurden. In höchstrichterlichen Entscheidungen wurden die geltenden Regelungen jedoch bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2010 fest, es gebe im Beitragsrecht der GKV kein Verbot, Einnahmen doppelt mit Beiträgen zu belasten. Dies hänge mit den Besonderheiten der Finanzierung des Krankenversicherungssystems zusammen und unterscheide sich von den Grundsätzen des Steuerrechts.

Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) von 2017 sind seit 2018 staatlich geförderte Betriebsrenten (Riester-Betriebsrenten) in der Auszahlungsphase beitragsfrei gestellt. Damit wurde die Doppelverbeitragung beendet.

Der Verein der Direktversicherungsgeschädigten sprach rückblickend von einer "Farce". Noch in den 1980er Jahren hätten Politiker die Bürger dazu aufgefordert, selbst etwas für die Altersvorsorge zu tun und damit geworben, dass dies ohne Sozialabgaben und mit Steuervorteilen möglich sei. 2003 habe der Bundestag dann "die Regeln mitten im Spiel geändert", ohne Bestandsschutz oder eine Übergangsregelung. Betroffen seien rund sieben Millionen Menschen.

Ein Sprecher des Vereins sagte in der Anhörung, die meisten Betroffenen wüssten noch gar nicht, was auf sie zukomme. Der Verein bekomme jeden Tag Anrufe von Leuten, die sich "abgezockt" fühlten. Das trage zur Politikverdrossenheit bei. Er betonte: "Wir wollen keine Lippenbekenntnisse mehr hören, sondern Taten sehen."

Die Sachverständige Barbara Sternberger-Frey forderte die Abgeordneten auf, verbraucherfreundliche Regelungen zu beschließen und Ungleichbehandlungen abzuschaffen. Sie monierte, im Sozialversicherungsrecht gebe es "unzählige Stolperfallen". Auch andere Experten wiesen auf die Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen hin.

Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) warb dafür, Betriebsrenten nicht in der Finanzierungs- und Leistungsphase mit Beiträgen zu belasten und wertete dies als "außerordentlich wirkungsvollen Fehlanreiz". Die mehrfache Verbeitragung habe es aber schon vor der Gesetzesänderung 2004 gegeben, etwa bei sogenannten echten Eigenbeiträgen, bei der privaten Fortführung von Pensionskassenzusagen oder bei Überschreitung der Versicherungsfreigrenze von vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze. Im Normalfall würden heute in der Finanzierungsphase keine Beiträge geleistet, in der Praxis träten aber abweichende Konstellationen auf. Dies sei "atypisch", jedoch keinesfalls die Ausnahme.

Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbandes ist die beklagte Doppelverbeitragung bereits weitgehend ausgeschlossen. Es seien zwar noch Einzelfälle denkbar, die meisten Bezieher von Versorgungsbezügen würden aber nur einmal mit GKV-Beiträgen belastet, in der Einzahlungs- oder Auszahlungsphase. Der Verband erklärte, eine Änderung der Bestimmungen zugunsten der Bezieher von Versorgungsbezügen würde zulasten der übrigen Beitragszahler gehen. Die Beitragsleistung der Rentner aus Versorgungsbezügen liege pro Jahr bei rund sechs Milliarden Euro.

Die Tarifpartner sind sich einig, dass die Doppelverbeitragung soweit möglich ausgeschlossen werden sollte. Der DGB erklärte, die Doppelverbeitragung sei "weder wirtschaftlich noch sozialpolitisch zu rechtfertigen". Vor allem die Geringverdiener hätten dadurch von den Sicherungssystemen der betrieblichen Altersvorsorge nur einen geringen Nutzen.

Der Arbeitgeberverband BDA fügte hinzu, Doppelverbeitragungen müssten vermieden werden, "weil sie der Attraktivität und damit der notwendigen Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge schaden". Eine Rückabwicklung sei gleichwohl kaum möglich, weil sich oft nicht mehr rekonstruieren lasse, in welchen Fällen und in welchem Umfang die ausgezahlten Betriebsrenten aus beitragspflichtigen Einzahlungen finanziert worden seien.

Mehrere Sachverständige plädierten dafür, zumindest die vor 2004 geltende hälftige Verbeitragung wieder einzuführen, um die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge zu stärken. Die Beitragsausfälle in der GKV könnten aus Steuermitteln ausgeglichen werden.

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2. Entlastung für das Haushaltsjahr 2015

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Der Haushaltsausschuss hat sich am Mittwochnachmittag mehrheitlich für eine Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2015 ausgesprochen. Für einen entsprechenden Antrag des Bundesfinanzministeriums aus der vergangenen Legislaturperiode (18/8833) stimmten Vertreter der CDU/CSU und SPD. Gegen den Antrag stimmten AfD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Eine Aussprache fand nicht statt.

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3. AfD fordert Ende der kalten Progression

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die AfD-Fraktion fordert die heimlichen Erhöhungen der Einkommensteuer durch die sogenannte kalte Progression künftig durch gesetzliche Maßnahmen auszuschließen. Die Bundesregierung soll gesetzgeberische Lösungsmodelle zur Beratung in den Bundestag einbringen, heißt es in einem Antrag der AfD-Fraktion, der an diesem Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht. In der Begründung des Antrages heißt es, die kalte Progression sei ein seit vielen Jahren bekanntes Problem, das häufig Gegenstand politischer Diskussionen gewesen sei, ohne dass es je einer angemessenen Lösung zugeführt worden wäre. "Der Verstoß dieser Praxis gegen elementare Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit zur Aufteilung des Volkseinkommens zwischen Bürger und Staat und die Tatsache, dass durch die Inflation der gesetzgeberische Wille des Steuergesetzgebers zur zumutbaren Belastung der Steuerpflichtigen durch Zeitablauf zunehmend verfälscht wird, verlangen eine dringende Korrektur dieses Missstandes", fordern die Abgeordneten.

Da Deutschland innerhalb der OECD ohnehin eines der Länder mit der höchsten Steuerlastquote, dem geringsten durchschnittlichen Vermögen der Privathaushalte und europaweit das Land mit der geringsten Wohnungseigentumsquote sei, sei es "höchste Zeit, dem guten legislativen Beispiel maßgeblicher vergleichbarer Länder zu folgen", fordern die Abgeordneten. Länder, die verdeckte Steuererhöhungen durch vorgeschriebene Indexierungen oder Überprüfungsklauseln kompensieren, sind nach Angaben der AfD-Fraktion neben der "urdemokratischen Schweiz, bei der eine entsprechende Regelung in der Verfassung verankert ist", unter anderem die USA, Großbritannien, Kanada, Schweden, Frankreich, die Niederlande und Finnland.

In ihrem Antrag beschreibt die AfD-Fraktion die Auswirkung der kalten Progression, die durch den schwindenden Geldwert entsteht. Freibeträge und Freigrenzen des Steuerrechts würden über viele Jahre konstant bleiben und damit wirtschaftlich immer kleiner werden. Dagegen erhöhe sich die Tarifbelastung für die insgesamt etwa 50 Millionen natürlichen Personen von Jahr zu Jahr, selbst wenn ein realer Einkommenszuwachs nicht stattfinde. Unter Bezugnahme auf Berechnungen des Ifo-Instituts beziffert die AfD-Fraktion das Volumen der heimlichen Progression von 2011 bis 2016 auf 33,5 Milliarden Euro. Von 2017 bis 2030 sollen diese Belastungen 315 Milliarden Euro betragen.

Dazu führt die AfD-Fraktion eine Beispielrechnung an: Wenn bei einer Inflationsrate von zwei Prozent die Löhne ebenfalls um zwei Prozent steigen würde, würde dies einem realen Ausgleich des Kaufkraftverlusts der Löhne entsprechen - vor der Besteuerung. "Da jedoch das Einkommensteuerrecht diesen nominalen Lohnzuwachs wie eine reale Lohnerhöhung behandelt, werden diese zwei Prozent wegen des Systems des linear-progressiven Steuertarifs mit circa 0,7 Prozent zusätzlicher Einkommensteuer belastet. Dies führt sonach zu einer realen Einkommenseinbuße von circa einem Drittel der vermeintlichen Lohnerhöhung und damit zu einer realen Lohneinbuße gegenüber dem Zustand vor der Lohnerhöhung", schreibt die Fraktion.

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4. Umsatzsteuer bringt 226 Milliarden Euro

Finanzen/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Das Aufkommen aus der Umsatzsteuer betrug im vergangenen Jahr 226,355 Milliarden Euro. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/1662) auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/1481) mit. Wie die Regierung erläutert, handelt es sich bei der Umsatzsteuer um eine allgemeine Verbrauchsteuer. Sie unterscheide sich damit wesentlich von den Ertragsteuern. "Das Prinzip der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist daher im Rahmen der Umsatzsteuer nicht anzuwenden", erläutert die Regierung. Über die Aufteilung des Aufkommens der Umsatzsteuer nach regulärem (19 Prozent) und ermäßigten (sieben Prozent) Satz gebe es nur Schätzungen. Danach beträgt der Anteil des Umsatzsteueraufkommens aus dem Regelsteuersatz derzeit 92,1 Prozent, was 208,5 Milliarden Euro entspreche. Eine Initiative, wonach nicht nur Lebensmittel, sondern auch Arzneimittel, Babynahrung und Energie nach dem ermäßigten und nicht mehr nach dem hohen Regelsteuersatz besteuert werden solle, gibt es nach Angaben der Bundesregierung nicht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 269 - 25. April 2018 - 16.45 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2018

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