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BUNDESTAG/6341: Heute im Bundestag Nr. 093 - 15.02.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 093
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 15. Februar 2017, Redaktionsschluss: 13.42 Uhr

1. Zwei Anhörungen beschlossen
2. Bahn AG: Nachtzüge nicht profitabel
3. Bauexperten pochen auf Lärmschutz


1. Zwei Anhörungen beschlossen

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwoch die Durchführung von zwei öffentlichen Anhörungen beschlossen. So wird am Montag, den 6. März, eine öffentliche Anhörung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eins Finanzaufsichtsrechtsergänzungsgesetzes (18/10935) stattfinden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll mit dem Gesetz mögliche Gefahren für die Finanzmarktstabilität in Folge einer Immobilienblase abwehren können. Zum Beispiel können Mindeststandards für die Vergabe von Neukrediten festgelegt werden.

Eine weitere öffentliche Anhörung wird am Mittwoch, den 8. März, stattfinden. Dabei geht es um den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (18/10936). Damit sollen der Hochfrequenzhandel und der algorithmische Handel künftig stärker reguliert werden.

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2. Bahn AG: Nachtzüge nicht profitabel

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die Entscheidung der Deutschen Bahn AG (DB AG), mit Beginn des Jahres 2017 den klassischen Nachzugverkehr mit Schlaf- und Liegewagen einzustellen, geschah vor dem Hintergrund anhaltender wirtschaftlicher Verluste und einem Investitionsbedarf in das Wagenmaterial, der zu Lasten andere Investitionsvorhaben der DB AG gegangen wäre. Das erläuterte Berthold Huber, Vorstand Verkehr und Transport der DB AG, am Mittwoch während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses zu einem Antrag der Fraktion Die Linke (18/7904) mit dem Titel "Die Nachtzüge retten - Klimaverträglichen Fernreiseverkehr auch in der Zukunft ermöglichen".

Erfolgversprechender als das alte Nachzugkonzept ist nach Aussage Hubers der Einsatz von Zügen des Tagesverkehrs in der Nacht. "Wir bieten auf diesem Weg ein attraktives Angebot unter anderem für preissensible Kunden, das sehr gut angenommen wird", sagte der Bahn-Vorstand. Schon im vergangen Jahr habe sich gezeigt, dass vor allem im Sitzplatzbereich die Nachfrage gut sei. Dieses Angebot könne die DB AG "deutlich besser produzieren". Er gehe davon aus, künftig durch den Einsatz von weiteren IC- oder ICE-Zügen in der Nacht mehr Kunden zu erreichen, als in der Vergangenheit.

Kurt Bauer, Leiter Fernverkehr bei der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), erläuterte, warum es für die ÖBB profitabel ist, Nachtzüge zu betreiben. Die ÖBB, die 42 Schlafwagen, 15 Liegewagen und sechs Strecken aus dem DB AG Bestand erworben hat, habe eine andere Verkehrsbiografie als die DB AG. Anders als in Deutschland gebe es in Österreich kaum Hochgeschwindigkeitsstrecken, sagte Bauer. So könnten Nachtzüge profitabel betrieben werden, "ohne dass man dadurch reich wird". Um auch zukünftig ein europäischen Netz an Nachtzügen anbieten zu können, bedürfe es internationaler Kooperation, so der ÖBB-Vertreter. Problematisch seien die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Ländern. Eine europaweite Regelung bei der Mehrwertsteuer für Nachzugtickets und bei den Trassenpreisen für Nachtzüge werde benötigt, sagte Bauer.

Von dem Rückzug der DB AG aus dem Nachtzugverkehr seien etwa 500 Mitarbeiter betroffen, sagte Joachim Holstein, Betriebsrat bei der DB European Railservice GmbH. Ein Teil der Mitarbeiter sei in anderen Abteilungen des Konzerns untergekommen, ein anderer Teil habe die Abfindungsangebote angenommen, sagte er. Die Mitarbeiter, die bei der BD AG verblieben seien, würden jedoch einer ungewissen Zukunft entgegensehen, so Holstein, der auch einen Einbeziehung des Personals in die Kooperation der DB AG mit der ÖBB forderte.

ÖBB-Vertreter Bauer machte deutlich, dass jeder einzelne Mitarbeiter aus dem Nachzugbereich der DB AG ein Übernahmeangebot erhalten habe. Dieses habe sich allerdings am österreichischen Sozial- und Rentensystem orientieren müssen. Bedauerlicherweise habe man nur zwei Mitarbeiter für eine Übernahme gewinnen können. DB AG-Vorstand Huber betonte, es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Den Mitarbeitern seien Angebote gemacht worden, im Zugbegleitdienst des Tagesverkehrs zu arbeiten.

Aus Sicht von Marco Bellmann von der Technischen Universität Dresden müssten im Interesse des Erhalts eines Nachtzugnetzes Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es anderen Personentransportunternehmen ermöglichen, Nachtzüge zu betreiben. Neben vergünstigten Trassenpreisen für Nachtzüge und einem fairen und diskriminierungsfreien Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur gehört nach Aussage des Verkehrsexperten auch die Bereitstellung finanzieller Mittel für künftige Nachtreisezugbetreiber mit schlüssigen Geschäftsplänen durch den Bund oder die EU dazu.

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3. Bauexperten pochen auf Lärmschutz

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/SUK) Immer mehr Menschen wollen in Städten leben. Dort aber wird insbesondere bezahlbarer Wohnraum knapp. Die Bundesregierung reagiert darauf mit einer Novelle des Baurechts. Ein entsprechender Gesetzentwurf (18/10942) war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung am Mittwoch, 15. Februar 2017, bei dem die Sachverständigen die Möglichkeit, künftig in Innenstadtgebieten dichter zu bauen, grundsätzlich begrüßten.

Die Regierung plant die Einführung einer neuen Baugebietskategorie: In diesem "urbanen Gebiet" sollen Wohnen, Gewerbe sowie soziale und kulturelle Nutzung besser als bisher gekoppelt werden. Er würde es den Kommunen erlauben, auch in stark verdichteten städtischen Gebieten oder Gewerbegebieten Wohnungen zu bauen oder bestehende Gebäude als Wohnraum zu nutzen. Dies solle das "Miteinander von Wohnen und Arbeiten in den Innenstädten erleichtern und neue Möglichkeiten für den Wohnungsbau schaffen", so Bundesministerin Barbara Hendricks in einer Stellungnahme der Regierung.

Die geladenen Experten begrüßten diese Regelung grundsätzlich. Kritik gibt es allerdings an den Plänen der Regierung, für die "urbanen Gebiete" die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) so anzupassen, dass dort eine höhere Lärmbelastung gestattet ist als Kern-, Dorf- und Mischgebieten. So sollen dort höhere Immissionswerte von maximal 63 Dezibel am Tag und 48 Dezibel in der Nacht zulässig sein.

Für das Deutsche Institut für Urbanistik sagte Professor Arno Bunzel, der die Ergebnisse eines Planspiels von sechs Städten vorstellte, es gebe in diesen Städten "viel Zustimmung" für den Entwurf, man sehe aber auch noch Zustimmungsbedarf. So schieße der Gesetzentwurf möglicherweise im Fall von Kommunen, bei denen es eine stagnierende oder rückläufige Bevölkerungsentwicklung gebe, "übers Ziel hinaus". In den geplanten "urbanen Gebieten" dürfe zudem die zulässige Lärmbelastung nicht nur schlechteren Wohnbedingungen führen.

Diese Befürchtung teilte auch Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag: Mit den vorgesehen Lärmschutzgrenzen gehe man in Richtung Gewerbegebietslärm. Der Sachverständige kritisierte zudem die geplante Bekanntmachung der Bauvorhaben im Internet, dies greife in die "gemeindliche Planungshoheit" ein.

Für den Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen sagte Axel Gedaschko, die geplante Novelle sei ein "wesentlicher Beitrag", um die Vorhaben des Bündnisses für bezahlbares Wohnen in Gesetzesform zu bringen. Beim Lärmschutz habe man es mit einem "Dilemma" zu tun: "Mehr Stadt in der Stadt" sei ohne zusätzlichen Lärm nicht zu haben. Die geplante Erhöhung der Lärmschutzgrenzen um drei Dezibel sei richtig; damit habe man es in bestimmten Wohnlagen ohnehin faktisch schon zu tun.

Kai Warnecke vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, nannte die geplante Veröffentlichung der Bebauungspläne im Internet einen guten Schritt. Die geplante der Erhöhung der Lärmschutzgrenzen sei jedoch "zu hoch" und könnte für die betroffenen Bewohner "zu viel" sein. Hauptsächlich auf den passiven Lärmschutz etwa bei den Fenstern zu setzen, werde die Preise des Bauens und damit letztlich die Mieten verteuern.

Für den Bundesverband Feier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, betonte Andreas Ibel, derzeit würden in den Städten mindestens 100.000 neue Wohnungen gebraucht, von denen aber maximal 30.000 realisiert würden. Oft sei der Wohnungsbau nur über Ausnahmen möglich, davon müsse man wegkommen. die neue Baugebietskategorie sei daher sinnvoll, sie gebe Planungs- und Investitionssicherheit. Statt ein "Systemswechsel" im Schallschutz sei eine Erhöhung der Lärmgrenzen sinnvoll.

Für Eckhard Horwedel von der Bundesvereinigung der Landes- und Stadtentwicklungsgesellschaften ist eine Erhöhung der Dichte in den Innenstädten begrüßenswert, er begrüßte die geplante Neuregelung "ausdrücklich".

Für Professor Jürgen Aring vom Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung ist die geplante Neureglung eine längst überfällige des bisherigen städtebaulichen Paradigmas einer Trennung der Funktionen: Dies sei vor 100 Jahren eingeführt worden, nun sei die "Zeit reif für einen Wandel". Allerdings müsse die Lärmthematik unbedingt gelöst werden, sonst könnten "urbane Gebiete light" entstehen.

Es dürfe nicht sein, dass für Mieter in "urbanen Gebieten" die Lärmbelastung höher sei als in Mischgebieten; dies würde insbesondere bei Umwidmungen von Gebieten zu Problemen führten, sagte Stefan Bentrop vom Deutschen Mieterbund. Setze man nur auf den passiven Schallschutz, würde letztlich die Verantwortung für den Lärm vom Verursacher auf den Vermieter verlagert, der die Kosten wiederum auf den Mieter umlegen würde.

Professor Lamia Messari-Becker vom Sachverständigenrat wies in ihrer Stellungnahme auf den Zusammenhang von Lärm und Krankheiten hin. Sie sagte, der Sachverständigenrat empfehle eine Grenze von höchstens 55 Dezibel am Tag.

In der Union zeigte man sich erfreut über die grundsätzliche Zustimmung der Experten: dies zeige, dass die Novelle "richtig und notwendig" sei. Auch aus den Reihen der SPD wurde gelobt, dass man so dem Ziel bezahlbares Wohnen für alle Zielgruppen näher komme.

In der Linksfraktion wurde betont, dass man durchaus mögliche Konflikte beim Punkt des passiven Lärmschutzes sieht; dass die "urbanen Gebiete" eingeführt würden, sei allerdings "unstrittig". Die Bündnisgrünen machten deutlich, dass sie hoffen, dass die Kritik der Sachverständigen Eingang in den Gesetzentwurf findet.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 093 - 15. Februar 2017 - 13.42 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2017

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