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BUNDESTAG/6204: Heute im Bundestag Nr. 718 - 02.12.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 718
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 02. Dezember 2016, Redaktionsschluss: 13.04 Uhr

1. Atom-Kompromiss überwiegend begrüßt
2. Linke thematisiert Falldatei Rauschgift
3. Curriculum für Orientierungskurs
4. Teilnehmerzahl bei Integrationskursen


1. Atom-Kompromiss überwiegend begrüßt

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die geplante Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung der atomaren Zwischen- und Endlagerung ist in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Freitagmorgen überwiegend begrüßt worden. An der konkreten Ausgestaltung des von der Bundesregierung sowie von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung (18/10353, 18/10469, 18/10482) gab es jedoch auch Kritik und Änderungswünsche.

Der Entwurf sieht vor, dass Betreiber von Kernkraftwerken für den Rückbau ihrer Anlagen zuständig bleiben sollen. Sie werden aber gegen Einzahlung in einen Fonds von der Pflicht zur Zwischen- und Endlagerung befreit. "Für die Durchführung und Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung wird hingegen künftig der Bund in der Verantwortung stehen", heißt es in dem Entwurf. Die finanziellen Lasten der Zwischen- und Endlagerung müssen die Betreiber übernahmen. Dazu sind von ihnen 17,389 Milliarden Euro in einen Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung einzuzahlen. Entrichten die Betreiber noch zusätzlich einen Risikoaufschlag in Höhe von 35,47 Prozent, können sie ihre Verpflichtung zum Nachschuss weiterer Beträge an den Fonds beenden.Außerdem wird die Betreiberhaftung neu geregelt. Herrschende Unternehmen müssen für die Betreibergesellschaften die Nachhaftung übernehmen.

Der frühere Hamburger Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) zusammen mit dem ehemaligen Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und dem früheren Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) geleitet hatte, erinnerte an den einstimmig beschlossenen Abschlussbericht der Kommission. Man habe einen Schlussstrich ziehen wollen. Es sei für die Unternehmen wichtig, keine Milliarden-Risiken mehr zu haben, die sie nicht abschätzen könnten. Auch für den Staat und die Steuerzahler würden die Risiken minimiert.

Professor Georg Hermes (Goethe-Universität Frankfurt am Main) erklärte, der Gesetzgeber habe die Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) umsetzen wollen. Diesem Anspruch werde der Entwurf nach seiner Einschätzung gerecht. "Prinzipielle Einwände gegen den vorläufigen Gesetzentwurf sind aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht erkennbar", führte Hermes in seiner Stellungnahme aus. Das gelte insbesondere für die Berücksichtigung des Vertrauensschutzes der betroffenen Unternehmen. Die großen deutschen Energieversorgungsunternehmen seien gut weggekommen, sagte er. Das Verursacherprinzip hätte man auch strenger durchsetzen können.

Rechtsanwältin Ines Zenke (Becker Büttner Held) erklärte: "Der Gesetzentwurf darf - gerade auch angesichts der Bedeutung und Komplexität des Themas - als ausgesprochen gelungen eingeordnet werden." Dass es einen Begleitvertrag zwischen Staat und Betroffenen zu dem Gesetz geben soll, nannte Zenke ungewöhnlich, aber erforderlich. "Vor dem Hintergrund seiner weitreichenden Bedeutung, der Komplexität der zu regelnden Materie und des historischen Antagonismus zwischen den Betreibern und großen Teilen der Bevölkerung ist der Gesetzentwurf eine historische Zäsur und darf im Grundsatz als geglückt bezeichnet werden", stellte Rechtsanwalt Olaf Däuper (Becker Büttner Held) fest. Er empfahl noch Korrekturen an einigen Stellen. Auch Lothar Brandmair (Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen) äußerte sich positiv über den Entwurf. Dieser gelungene, von der Kommission vorgezeichnete Kompromiss, trage dem Verursacherprinzip in vollem Umfang Rechnung.

Thorben Becker vom Bund für Umwelt und Naturschutz begrüßte die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds. Allerdings habe seine Organisation den Fonds immer als Ergänzung zu einer fortgeltenden Haftung der Atomkraftwerksbetreiber gesehen. Obwohl bislang gesetzlich klar geregelt gewesen sei, dass die Betreiber die Folgekosten der Atomkraftnutzung zu tragen hätten, sollten sie jetzt gegen Zahlung eines Risikoaufschlags entlassen werden. "Damit kommen unabsehbare Risiken auf den Staat und damit die Steuerzahler zu", warnte Becker.

Technische Fehler bei der Umsetzung sah Gert Brandner (Haver & Mailänder). Er führte aus, dass die Nachhaftungsregelung jedes herrschende Unternehmen neben dem Kernkraftbetreiber für dessen Verbindlichkeiten haften lasse. Damit würden nicht nur die Energiekonzerne neben dem Betreiber für die Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung aufzukommen haben, sondern auch deren beherrschende Gesellschafter, "obwohl diese als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nach bisheriger Gesetzeslage für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haften". Dies sei ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass Anteilsinhaber nicht für die schulden der Gesellschaft haften würden. Die Neuregelung könne zum Beispiel dazu führen, dass das Land Baden-Württemberg für den Energiekonzern EnBW haften müsse. "Die rückwirkende Aufhebung dieses Trennungsprinzips verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei verfassungswidrig, warnte Brandner.

Auch Marc Rutloff (Gleiss Lutz) formulierte verfassungsrechtliche Zweifel und "Bedenken im Lichte des Gleichheitsgebots, da faktisch ein singuläres und punktuelles gesellschaftsrechtliches Sonderregime geschaffen wird, hingegen vergleichbare Risiko- und Gefahrenpotenziale anderer Wirtschaftsbranchen nicht in annähernd vergleichbarer Weise einem Haftungsverbund unterworfen werden, das ein herrschendes Unternehmen einschließt".

Die Kommission habe nicht verstanden, was der Unterschied zwischen Rücklagen und Rückstellungen sei und wie Rückstellungen in der Bilanz funktionieren würden, kritisierte Professor Heinz Bontrup (Westfälische Hochschule) den Entwurf. Er ging davon aus, dass die Kraftwerksbetreiber ein Geschäft gemacht hätten. Die Politik habe ihnen einen Festpreis gemacht, "und da hätte ich als Kraftwerksbetreiber sofort zugeschlagen". Dabei sei niemand in der Lage, die Kostenentwicklung abzuschätzen. Es fehle ihm "jedes Verständnis", wie man da einen Festpreis machen könne. Bontrup bezeichnete den Entwurf als "hundertprozentiges Politikversagen".

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2. Linke thematisiert Falldatei Rauschgift

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Mit der "Falldatei Rauschgift" (FDR) befasst sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/10396). Wie die Fraktion darin ausführt, handelt es sich bei der FDR um eine bundesweite Verbunddatei, in der Polizeibehörden aus Bund und Ländern personenbezogene Daten speichern. Es dürften nur Straftaten mit länderübergreifender oder erheblicher Bedrohung gespeichert werden, um zukünftige Ermittlungen im Betäubungsmittelbereich zu erleichtern.

Nach einer unabhängigen Datenschutzkontrolle kritisierten Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder der Fraktion zufolge "die rechtswidrige Speicherung von personenbezogenen Daten" in der FDR. "Die Datenschutzbehörden kritisieren, dass die Speicherung von Daten zum Teil ohne ausreichende Begründung stattfand", heißt es in der Vorlage weiter. Außerdem seien in der FDR "rechtswidrig auch Bagatelldelikte gespeichert worden, wie der Besitz und Konsum eines einzelnen Joints". Zudem seien Personen gespeichert worden, bei denen kein hinreichender polizeilicher Tatverdacht festzustellen war.

Wissen wollen die Abgeordneten, wer "für die Behebung der datenschutzrechtlichen Mängel in der FDR" zuständig ist. Auch erkundigen sie sich unter anderem danach, inwiefern die Bundesregierung bestätigen kann, dass personenbezogene Daten im Zusammenhang mit dem "Konsum eines Joints" als Bagatelldelikt aufgelistet wurden.

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3. Curriculum für Orientierungskurs

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Das vorläufige Curriculum für einen bundesweiten Orientierungskurs im Rahmen der Integrationskurse" thematisiert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/10439). Wie die Fraktion darin schreibt, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Oktober 2016 ein vorläufiges Curriculum für den erweiterten Orientierungskurs vorgelegt. Wissen wollen die Abgeordneten unter anderem, warum nach Kenntnis der Bundesregierung "in dem vorläufigen Curriculum Diskriminierung nur nur in Bezug auf Frauen thematisiert" wird.

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4. Teilnehmerzahl bei Integrationskursen

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will von der Bundesregierung wissen, wie viele Menschen im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 an einem Integrationskurs teilgenommen haben. Ferner erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (18/10438) unter anderem danach, wie viele Menschen in diesem Zeitraum an der Prüfung der jeweiligen Kompetenzstufe beziehungsweise des Orientierungskurses teilgenommen haben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 718 - 2. Dezember 2016 - 13.04 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2016

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