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BUNDESTAG/6151: Heute im Bundestag Nr. 665 - 10.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 665
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 10. November 2016, Redaktionsschluss: 10.29 Uhr

1. Experten uneins über Stalking-Gesetz
2. Linke setzen auf Klimagerechtigkeit
3. Antrag gegen Zulassung von Gen-Mais
4. Transport von Tieren soll besser werden
5. Friedens- und Konfliktforschung stärken


1. Experten uneins über Stalking-Gesetz

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Nur in einem waren sich die Sachverständigen einig bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Schutz vor Stalking: Dass der geltende Stalking-Paragraf 238 des Strafgesetzbuches oft keinen wirksamen Schutz bietet. Ob aber der Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/9946) "zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen" die richtige Antwort darauf ist, darüber gingen die Meinungen auseinander. Derzeit führen nur ein bis zwei Prozent der Anzeigen nach Paragraf 238 zu einer Verurteilung. Denn kaum ein Stalking-Opfer kann gerichtsfest nachweisen, dass "seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt" wurde, wie es das Gesetz für eine Strafbarkeit der Tat voraussetzt. Der oder die Betroffene müsste dazu typischerweise seinen Wohnort gewechselt oder die Arbeit aufgegeben haben. Die Bundesregierung schlägt daher vor, dass es für die Strafbarkeit ausreichen soll, wenn eine Tat "geeignet ist", die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen.

Diese Umwandlung von einem "Erfolgsdelikt" zu einem "Eignungsdelikt" begrüßten fast alle Teilnehmer der Anhörung. So sagte die Vertreterin der Hilfsorganisation SOS-Stalking, die ehemalige Kriminalkommissarin Sandra Cegla, für die Strafwürdigkeit müsse "die kriminelle Energie des Täters entscheidend" sein und nicht die Reaktion des Opfers darauf. Der Bamberger Generalstaatsanwalt Thomas Janovsky berichtete von einem Fall, in dem das Opfer "einer Vielzahl von massiven Stalking-Handlungen ausgesetzt" gewesen sei. Weil es aber "stark war" und seine Lebensgestaltung nicht geändert habe, sei die Tat als nicht strafbar gewertet worden. Als Eignungsdelikt könnten solche Taten verteilt werden.

Lediglich die ehemalige Leitende Oberstaatsanwältin Birgit Cirullies bezweifelte die erhoffte Wirkung der Umwandlung in ein Eignungsdelikt. Auch die Eignung betreffe immer ein besonderes Opfer. Auch dann hänge die Entscheidung eines Richters davon ab, ob dieses beispielsweise leicht oder schwer zu beeindrucken ist. Cirullies schlug daher vor, es beim Erfolgsdelikt zu belassen, aber das Wort "Lebensgestaltung" durch "Lebensverhältnisse" zu ersetzen und dadurch die Schwelle der Strafbarkeit zu senken.

Im geltenden Gesetz sind vier typische Verhaltensweisen aufgeführt, die zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen führen, und in einem fünften Punkt heißt es dann, dass sich ebenfalls strafbar macht, wer "eine andere vergleichbare Handlung vornimmt". Diese sogenannte Generalklausel ist umstritten, weil sie dem Verfassungsgebot der Bestimmtheit von Strafnormen widersprechen könnte.

In der Anhörung rückte aber Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund von einer früheren Forderung ihrer Organisation ab, die Generalklausel ersatzlos zu streichen. Dies würde dazu führen, dass "viele Handlungen, die das Opfer in erheblichem Umfang psychisch beeinträchtigen, nicht mehr strafbar" seien, argumentierte sie. Steinl schlug stattdessen vor, weitere "typische Handlungen in den Katalog" aufzunehmen. Die Vorsitzende der Opferschutz-Organisation Weißer Ring und ehemalige nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter hielt dem entgegen: "So kreativ kann man gar nicht sein, dass man alle Handlungen ins Gesetz schreibt." Beate M. Köhler vom Anti-Stalking-Projekt des Berliner FRIEDA-Frauenzentrums pflichtete dem bei: "Sie können sich nicht vorstellen, welche Phantasie Stalker oft haben." Müller-Piepenkötter wies darauf hin, dass Generalklauseln auch an anderer Stelle "dem Strafgesetz nicht fremd" seien.

Gül Pinar vom Deutschen Anwaltsverein bezweifelte grundsätzlich, dass sich ein besserer Schutz vor Stalking vor allem über das Strafrecht erreichen lässt, und fragte: "Warum wird nicht als erstes beim Gewaltschutzgesetz angesetzt?" Dieses könne den Opfern sehr schnell helfen, während das Strafrecht immer erst spät greife. Pinar schlug vor, ins Gewaltschutzgesetz zusätzliche Kriterien aufzunehmen, um Stalking-Opfer zu schützen.

Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund regte an, das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung auch für Stalking-Opfer einzuführen. Und Sandra Cegla von SOS-Stalking wies darauf hin, dass oft auch enge Angehörige von Stalking-Opfern erheblich betroffen seien. Deshalb solle auch ihr Schutz mit ins Gesetz aufgenommen werden.

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2. Linke setzen auf Klimagerechtigkeit

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Anlässlich der laufenden Weltklimakonferenz in Marokko fordert die Fraktion Die Linke die Bundesregierung auf, sich in Marrakesch für "eine gerechte, solidarische und schnelle Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens einzusetzen". Dies solle insbesondere für jene Teile gelten, die sich auf die "Klimagerechtigkeit gegenüber den Gesellschaften des globalen Südens" beziehen, heißt es in einem Antrag der Fraktion (18/10242).

Beim nationalen Klimaschutz fordern die Linken eine Intensivierung der Anstrengungen, etwa durch Einführung eines Klimaschutzgesetzes mit Mindestzielen für 2030 (60 Prozent Treibhausgasminderung) und 2050 (95 Prozent). Der Antrag wird am Donnerstag gemeinsam mit Anträgen der Koalition (18/10238) und Grünen (18/10249) beraten und abgestimmt.

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3. Antrag gegen Zulassung von Gen-Mais

Ernährung und Landwirtschaft/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnt die Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11 in der Europäischen Union ab. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung in einem Antrag (18/10246) dazu auf, die Vorschläge der Europäischen Kommission über die Zulassung für die Maislinien im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel abzulehnen. Darüber hinaus soll die Zulassung der Linien auch im Berufungsausschuss abgelehnt werden, wenn es zu einer Abstimmung in dem Gremium kommen sollte.

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4. Transport von Tieren soll besser werden

Ernährung und Landwirtschaft/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält die in Deutschland geübte Praxis von Tiertransporten für zum Teil tierschutzwidrig. Bei Kontrollen würden immer wieder schwerwiegende Verstöße festgestellt. Aus diesem Grund fordern die Abgeordneten in einem Antrag (18/10251) die Bundesregierung dazu auf, sich unter anderem EU-weit für eine Begrenzung der Transportzeit von Schlachttieren auf acht Stunden und für eine Überarbeitung der Transportverordnung einzusetzen. Außerdem sollen regionale Schlachthöfe und mobile Schlachtunternehmen gefördert werden, um die Transportzeit auf maximal vier Stunden und die Entfernung auf maximal 200 Kilometer zu beschränken. Des Weiteren sollen lange Wartezeiten an den EU-Außengrenzen vermieden werden. Sollte dies nicht möglich sein, müssen Einrichtungen zur Verfügung stehen, um die Tiere abladen, füttern, tränken und melken zu können. Die Grünen fordern außerdem, dass die nationale Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV) geändert wird, um Verstöße bei Nichtbeachtung der Transportfähigkeit von Tieren entsprechend der alten Fassung der Verordnung mit Geldbußen bis 25.000 Euro zu ahnden.

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5. Friedens- und Konfliktforschung stärken

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland soll gestärkt werden. Das fordern die Fraktionen CDU/CSU und SPD in einem Antrag (18/10239). Aufgrund der deutlich angestiegenen sicherheits- und friedenspolitischen Herausforderungen und der enormen Zerstörungswirkung von Konflikten und des daraus resultierenden menschlichen Leids sei eine größere Unterstützung des Spektrums der Friedens- und Konfliktforschung notwendig. Dabei müsse die stärkere Vernetzung untereinander wie auch mit anderen Forschungsfeldern vorangetrieben werden. In einem europäischen Forschungsraum und in Anbetracht vieler grenzüberschreitender Konflikte sei es nur konsequent, dass die Wissenschaftler der Friedens- und Konfliktforschung international und über Fächergrenzen hinweg noch enger zusammenarbeiten, heißt es im Antrag weiter. Deshalb müsse es ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung sein, in der europäischen Forschungsförderung den Bereich Friedens- und Konfliktforschung aufzuwerten und auszubauen.

In der Friedens- und Konfliktforschung würden wesentliche Beiträge zur Friedenssicherung, Gewalt- und Krisenprävention sowie zur Lösung von Konflikten erforscht, indem unter anderem Konfliktursachen und Gewaltdynamiken analysiert, Grundvoraussetzungen für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit definiert oder friedliche Lösungsansätze für Konflikte herausgearbeitet würden. Diese wissenschaftliche Expertise sei für Regierung, Parlament und Gesellschaft unverzichtbar, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu finden. Trotz zahlreicher politischer Erfolge im Bereich der Konfliktbewältigung in den letzten Jahrzehnten benötige die Politik kontinuierlich neue beziehungsweise fallspezifische wissenschaftliche Erkenntnisse zur friedlichen Krisen- und Gewaltprävention, Konfliktbearbeitung und Konfliktnachsorge, argumentieren die Abgeordneten.

Aktuelle Themen seien beispielsweise Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Zeiten des Wandels und der friedlichen Bewältigung großer inner- und zwischengesellschaftlicher Krisen und Konflikte, die Sicherung und Neugestaltung der gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung, Fragen der asymmetrischen Kriegführung oder der Umgang mit und die Abwehr von Angriffen im digitalen Raum und des Terrorismus. Insbesondere in der naturwissenschaftlichen Friedensforschung bestehe aktuell aufgrund eines Generationswechsels sowie des Fehlens einer kontinuierlichen finanziellen Förderung die Gefahr eines Verlustes von wissenschaftlichen Kompetenzen. Dabei werde diese sehr anwendungsbezogene und interdisziplinäre Forschung insbesondere von Bundesministerien als externe Expertise gern herangezogen.

Mit der "Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung" (HSFK) und mehreren Universitätslehrstühlen existierten in Deutschland exzellente und international anerkannte wissenschaftliche Einrichtungen. Darüber hinaus verfüge Deutschland mit der "Deutschen Stiftung Friedensforschung" (DSF) über eine Einrichtung mit spezialisiertem Know-how in der praxisrelevanten Forschungsförderung, der Vernetzung von Forschungsarbeiten und dem Transfer von Erkenntnissen sowie der strukturellen Entwicklung der einschlägigen wissenschaftlichen Kapazitäten.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstütze ebenfalls die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland. So werde zum Beispiel die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung institutionell über die Leibniz-Gemeinschaft mitfinanziert. Das BMBF leiste zudem über seine Projektförderung wesentliche Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung. Die bestehenden deutschen Institutionen der Friedensförderung und Friedensforschung wie das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF), der Zivile Friedensdienst, die Bundesakademie für Sicherheitspolitik und die Deutsche Stiftung Friedensforschung hätten sich bewährt und sollen nach Ansicht der Faktionen stärker in die Politikberatung einbezogen werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 665 - 10. November 2016 - 10.29 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2016

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