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BUNDESTAG/6147: Heute im Bundestag Nr. 661 - 09.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 661
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 09. November 2016, Redaktionsschluss: 16.15 Uhr

1. Kein Vetorecht des Bundestages
2. Fernstraßengesetz ist umstritten
3. Familiennachzug zu Flüchtlingen
4. 27 Millionen Euro für Behinderte
5. Datenschutz im Straßenverkehr
6. Kein konkreter Zeitplan


1. Kein Vetorecht des Bundestages

Berlin: (hib/HLE) Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat sich dagegen ausgesprochen, dem Deutschen Bundestag ein Vetorecht gegen die sogenannte Ministererlaubnis bei Unternehmensfusionen zu geben. Eine in einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8078) erhobene entsprechenden Forderung wurde in der Sitzung des Ausschusses am Mittwoch von der Koalitionsmehrheit aus CDU/CSU- und SPD-Fraktion abgelehnt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte dafür, die Fraktion Die Linke enthielt sich

In der Begründung ihres Antrages, der sich auf den versuchten Zusammenschluss von Edeka und Kaiser's Tengelmann bezieht, bezeichnet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Ministererlaubnis als "Fremdkörper in der wettbewerbsrechtlichen Konzeption" des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. In ihrer Ausgestaltung sei die Ministererlaubnis intransparent und missbrauchsanfällig. Dem Minister werde es ermöglicht, die Fusion zweier Unternehmen zu genehmigen, die vom Bundeskartellamt untersagt worden sei. Dabei habe der Minister großen Spielraum und könne die Erlaubnis auch im Alleingang erteilen. Das mache das Instrument "anfällig für die Durchsetzung von Klientelinteressen oder bestimmter Vorstellungen von Industriepolitik". Das aktuelle Ministererlaubnisverfahren zum Zusammenschluss von Edeka und Kaiser's Tengelmann offenbare die Schwächen des Verfahrens. So habe der Minister zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens seine Entscheidung erläutert, kritisieren die Abgeordneten.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion erklärte, die lange Dauer des Verfahrens beim Zusammenschluss von Edeka und Kaiser's Tengelmann sei unbefriedigend. Er kündigte einen eigenen Vorschlag der Union an, der in Kürze vorgelegt werde. Die Verfahren müssten straffer und politische Entscheidungen sicherer werden.

Die SPD-Fraktion zeigte sich erschrocken, wie die Debatte geführt werde. Mit keinem Wort sei auf die rund 16.000 Arbeitsplätze eingegangen worden, um deren Sicherung es in dem Verfahren gehe. Zuvor hatte die Bundesregierung über das Schlichtungsverfahren von Edeka, Tengelmann und Rewe unter Leitung von Altbundeskanzler Gerhard Schröder berichtet. Die erfolgreiche Einigung in der Schlichtung auf Grundlage der Ministererlaubnis sichere die Arbeitsplätze von über 15.000 Beschäftigten. Genau das habe Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel immer erreichen wollen.

Die Linksfraktion bezeichnete die Ministererlaubnis von Gabriel als richtig. Ein Problem sei der Gerichtsentscheid gegen die Erlaubnis gewesen. Diese Entscheidung sei von "Weltfremdheit und Einseitigkeit" geprägt gewesen. Nach Angaben der Bundesregierung haben die Kläger Norma und Markant ihre Klagen inzwischen zurückgezogen. Es werde erwartet, dass die Firma Rewe, die einen Teil der Kaiser's-Filialen übernehmen werde, ihre Klage gegen die Ministererlaubnis in den nächsten Tagen zurücknehmen werde.

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2. Fernstraßengesetz ist umstritten

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Novellierung des Fernstraßenausbaugesetzes (18/9523) wird von Experten unterschiedlich bewertet. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Mittwoch deutlich. Der Entwurf listet die Aus- und Neubauprojekte bei Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen sowie deren Priorität auf, die im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) (18/9350) umgesetzt werden sollen.

Sowohl der BVWP als auch das Ausführungsgesetz für den Straßenbereich sind aus Sicht des Vereins Pro Mobilität sehr positiv zu bewerten. Wie im BVWP vorgesehen setze das Ausführungsgesetz einen Schwerpunkt bei großräumig wirkenden Vorhaben. Dies zeige sich auch daran, dass 69 Prozent der Investitionen für Autobahnen und 31 Prozent für Bundesstraßen geplant seien, sagte Vereinsvertreter Stefan Gerwens. Der größte Teil des Verkehrswachstums habe in der jüngeren Vergangenheit schließlich auf der Autobahn stattgefunden, sagte Gerwens. Autobahnen hätten jedoch auch deshalb einen hohen Stellenwert, weil die Staulängen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hätten. "Von daher ist es sehr sinnvoll den Schwerpunkt auch auf das Thema Engpassbeseitigung zu legen", sagte der Experte.

Henryk Bolik von der Ingenieurgruppe IVV, die an der Erstellung des BVWP beteiligt war, gab vor den Abgeordneten Auskünfte über die Methodik der Bewertung von Straßenbauprojekten. Untersucht würden die verkehrlichen Wirkungen des Projektes sowie sein möglicher Nutzen. Eine entscheidende Rolle spielten dabei die Faktoren Fahrleistung, Fahrzeiten und Unfallrisiko. Wichtig für die Qualitätssicherung bei der Bewertung, so Bolik, sei auch die geschaffene Transparenz "Alle Verfahrensschritte sind öffentlich dokumentiert worden und waren einsehbar", sagte er. Weiter sagte der Verkehrsforscher, im Verlauf der Bewertung eines Projektes "werden keine Alternativen untersucht". Optimistisch zeigte er sich was die Zukunftsfähigkeit der Planungen angeht. Wenn alle Maßnahmen zur Engpassbeseitigung realisiert würden könne die Hälfte des derzeitigen Staus aufgelöst werden.

Kritik am Berechnungsverfahren für den Nutzen/Kosten-Faktor übte Tobias Schönefeld vom Verkehrsplanungsbüro SVU Dresden. Der Nutzen aus Zeitgewinn habe bei der Berechnung eine dominierende Rolle gespielt, sagte Schönefeld. Bei der Bevölkerung vor Ort spielten hingegen Nutzen für die Umwelt, Entlastung von Lärm und Schadstoffen und die Verbesserung der örtlichen Rahmenbedingungen eine wichtigere Rolle. Der Verkehrsplaner wies zudem daraufhin, dass beispielsweise im Bundesland Sachsen bei einer Vielzahl realisierter Projekte im Bundesstraßen- und Autobahnnetz die im Vorfeld getroffenen Prognosen deutlich über dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen gelegen hätten. Daher sei die Betrachtung eines zusätzlichen Grundszenarios zu empfehlen.

"Gravierende methodische Mängel" des Verfahrens kritisierte auch Verkehrsgutachter Wulf Hahn vom Unternehmen RegioConsult. Der sehr hoch angesetzte Nutzen der Reisezeitverkürzung führe - wie schon bei bisherigen Bedarfsplänen - zu einer Bevorteilung der Straße gegenüber der Schiene. Umweltnutzen, die durch die Verlagerung auf ein Schienenprojekt entstehen könnten, seien hingegen auch bei diesem BVWP relativ niedrig angesetzt worden. Hahn bemängelte zudem, dass Alternativenprüfungen teilweise gar nicht oder auf der Grundlage veralteter Daten durchgeführt worden seien. Außerdem sei in vielen Fällen der Flächenverbrauch nicht richtig berechnet worden. Für das Projekt des Ausbaus der A20 sei beispielsweise ein Flächenverbrauch angenommen worden, der genau dem Straßenquerschnitt entspreche. Nicht berücksichtigt seien aber sämtliche Nebenanlagen.

Die Nutzen/Kosten-Analyse sei kein guter Parameter für einen Entscheidung unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit, bemängelte Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. Der Kommunalvertreter sagte außerdem, das Kriterium der städtebaulichen Auswirkung sei zwar verbal gestärkt worden. "Im Ergebnis sehen wir das aber nicht", fügte er hinzu. Vielmehr sei eine Abschottung gegenüber regionaler Planung zu erkennen. Es gebe Beispiele im Ausführungsgesetz, wo genau das Gegenteil dessen, was man auf kommunaler Ebene geplant hat, umgesetzt werden soll, sagte Lojewski und forderte, miteinander in den Diskurs zu treten.

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3. Familiennachzug zu Flüchtlingen

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Deutschland soll nach dem Willen der Fraktion Die Linke den "Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen uneingeschränkt gewährleisten". In einem Antrag (18/10243), der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, "schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten wieder zurückgenommen wird". Im Vorgriff auf diese Gesetzesänderung müssten "ab sofort entsprechende Visumanträge zur Familienzusammenführung wieder entgegengenommen und bearbeitet werden", verlangt die Fraktion.

In der Vorlage hält sie der Regierungskoalition vor, den Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen "massiv beschränkt" zu haben. Mit dem Asylpaket II sei der Nachzug zu sogenannten subsidiär Schutzberechtigten - vor allem Bürgerkriegsflüchtlingen - bis März 2018 ausgesetzt worden. Diese Trennung von Familien über Jahre hinweg sei "unmenschlich und menschenrechtswidrig".

Im Gesetzgebungsverfahren zum Asylpaket II sei der Eindruck erweckt worden, die "Aussetzung des Familiennachzugs würde nur wenige Personen betreffen", schreibt die Fraktion weiter. Mit dem Tag des Inkrafttretens der Neuregelung sei indes die Entscheidungspraxis im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geändert worden. Seitdem stiegen "der Anteil und die Zahl subsidiären Schutzes massiv an, obwohl sich an der Lage in den jeweiligen Herkunftsländern nichts Grundlegendes geändert hat beziehungsweise sogar eher eine Verschlechterung festzustellen ist". Betroffen seien vor allem Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan. Bis Ende September 2016 hätten bereits knapp 90.000 Menschen einen nur subsidiären Schutzstatus erhalten.

Dem Antrag zufolge soll die Bundesregierung zudem das Bamf anweisen, zur Entscheidungspraxis vor dem Inkrafttreten des Asylpaketes II zurückzukehren. Das heiße, bei syrischen Asylsuchenden wegen der Gefahr politischer Verfolgung im Regelfall einen Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu erteilen und wieder von der Möglichkeit beschleunigter, schriftlicher Anerkennungsverfahren Gebrauch zu machen "in Fällen, in denen keine persönliche Anhörung aufgrund von Zweifeln an der Herkunft, dem individuellen Vorbringen oder wegen Sicherheitsbedenken erforderlich ist". Auch soll die Bundesregierung laut Vorlage kurzfristig personelle Aufstockungen und räumliche Erweiterungen in den maßgeblich betroffenen deutschen Visastellen sowie organisatorische Erleichterungen im Visumverfahren vornehmen, um einen zeitnahen Familiennachzug zu anerkannten Schutzberechtigten zu gewährleisten.

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4. 27 Millionen Euro für Behinderte

Haushalt/Unterrichtung

Berlin: (hib/MIK) Einer überplanmäßigen Ausgabe bis zu einer Höhe von 27 Millionen Euro für Zuschüsse zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der in Werkstätten und Integrationsprojekten beschäftigen behinderten Menschen hat der Bundesfinanzminister zugestimmt. Dies geht aus einer Unterrichtung durch die Bundesregierung (18/10195) hervor. Die Höhe der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen des Bundes ergebe sich aus der gestiegenen Anzahl der in Werkstätten und Integrationsprojekten tätigen behinderten Menschen, heißt es zur Begründung.

Nach einer weiteren Unterrichtung (18/10194) hat der Bundesfinanzminister ebenfalls einer überplanmäßigen Ausgabe bis zu einer Höhe von 14 Millionen Euro zur Erstattung von Aufwendungen der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgrund der Überführung von Zusatzversorgungssystemen in die Rentenversicherung zugestimmt. Diese überplanmäßige Ausgabe ergebe sich daraus, dass der Anstieg der Rentenanpassung im Beitrittsgebiet zum 1. Juli 2016 deutlich höher war als zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung erwartet.

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5. Datenschutz im Straßenverkehr

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bereitet einen Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im Hinblick auf hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen vor. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/10192) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor (18/9897) zum Datenschutz bei digitalisierten und vernetzten Fahrzeugen hervor. An diesem Entwurf sei auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beteiligt, heißt es weiter.

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6. Kein konkreter Zeitplan

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Ein Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist weder ein konkreter Zeit- noch ein Finanzierungsplan. Dies schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/10171) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/9899) zu "nicht berücksichtigte Schienenprojekte im Bundesverkehrswegeplan 2030". Für den Bundesverkehrswegeplan 2030 erfolge keine Fortschreibung hinsichtlich der Kategorisierung der Projekte und des Projektumfangs, heißt es weiter. Die Bewertung der im potentiellen Bedarf enthaltenen Schienenprojekte erfolge derzeit sukzessive.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 661 - 9. November 2016 - 16.15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2016

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