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BUNDESTAG/6146: Heute im Bundestag Nr. 660 - 09.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 660
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 09. November 2016, Redaktionsschluss: 15.38 Uhr

1. 135 Millionen Euro für Holocaust-Opfer
2. Mögliche Einigung zum Klimaschutzplan
3. Wohnungsgemeinnützigkeit empfohlen


1. 135 Millionen Euro für Holocaust-Opfer

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Die Leistungen für die häusliche Pflege von Holocaust-Überlebenden (Homecare) wird im kommenden Jahr um 135 Millionen Euro erhöht. Dies beschloss der Haushaltsausschuss am Mittwochnachmittag bei den Beratungen des Regierungsentwurfs zum Haushalt 2017 des Bundesministeriums der Finanzen (18/9200; Einzelplan 08). Bisher waren im Regierungsentwurf dafür 544 Millionen Euro vorgesehen.

Zudem beschloss der Ausschuss auf Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Ersatzbeschaffung von drei Zollbooten. Dafür sollen im kommenden Jahr insgesamt 4,5 Millionen Euro ausgegeben werden. Für die technische Ausstattung des Zollfahndungsdienstes soll statt 19 Millionen Euro wie von der Regierung vorgesehen im kommenden Jahr 21 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Zur Gegenfinanzierung soll unter anderem der Zuschuss an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein um 2 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro gekürzt werden.

Bündnis 90/Die Grünen beantragten erfolglos, den Zuschuss an die Branntweinmonopolverwaltung um 12 Millionen Euro zu kürzen. Ebenso erfolglos blieb ihr Antrag, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit um 300 zusätzliche Planstellen aufzustocken. Dafür sollten 18 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

In diesem Bereich forderte die Fraktion Die Linke 500 zusätzliche Planstellen, um das Mindestlohngesetz wirksam umzusetzen. Dafür sollten 30 Millionen Euro mehr zur Verfügung gestellt werden. Auch dieser Antrag erhielt im Ausschuss keine Mehrheit.

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2. Mögliche Einigung zum Klimaschutzplan

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Der Klimaschutzplan 2050 könnte doch noch zur bereits laufenden Klimakonferenz im marokkanischen Marrakesch vorgelegt werden. Ziel sei es, die Abstimmung über den Plan bis Ende der Woche zu finalisieren, sagte ein Vertreter des Bundesumweltministeriums (BMUB) am Mittwoch in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Am Dienstagabend war bekannt geworden, dass innerhalb der Bundesregierung noch kein Einvernehmen über das bereits länger scharf diskutierte Vorhaben erreicht wurde. Eine für den Mittwoch vorgesehene Vorlage im Kabinett entfiel. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will nächste Woche nach Marokko reisen.

Der BMUB-Vertreter betonte weiter, man wolle einen "guten Klimaschutzplan" haben. Die Qualität sei wichtig, nicht der Zeitpunkt. Kritik, dass Hendricks gegebenenfalls mit leeren Händen nach Marokko reise, wies der Ministeriums-Vertreter entschieden zurück. So habe sich Deutschland für die zügige Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris eingesetzt, das bereits am 4. November in Kraft trat. Eine wichtige Rolle spiele Deutschland zudem bei der Klimafinanzierung.

Den "Leere Hände"-Vorwurf wiesen auch Vertreter der Koalitionsfraktion CDU/CSU und SPD zurück, stellten aber gleichzeitig ihre jeweiligen Forderungen an einen Klimaschutzplan dar. Deutschland trete weiter als Vorreiter auf, betonte eine Vertreterin der CDU/CSU. Wichtig sei aus ihrer Sicht, dass der Klimaschutzplan technologieoffen ausgestaltet werde, eine Kosten-Nutzen-Abwägung enthalte und in den europäischen Rahmen passe.

Ein Vertreter der Sozialdemokraten sagte, dass sich der Plan an den Inhalten messen lassen müsse. Dazu gehöre etwa die Einrichtung einer Kommission zum Kohleausstieg. Zudem sei das anvisierte Ziel einer Treibhausgasminderung von 80 bis 95 Prozent bis 2050 als Leitplanke "eigentlich zu schwach". Auch ein Zwischenziel von 55 Prozent bis 2030 müsse - ebenso wie Ziele für die Sektoren - formuliert werden, sagte der Sozialdemokrat.

Eine Vertreterin der Fraktion Die Linke warf der Koalition Schönrederei vor. Deutschland stehe in Marrakesch ob des Gelingens der Energiewende im Blickpunkt. Dafür brauche es klare Perspektiven und Ziele beim Kohleausstieg. Für den Klimaschutzplan sei zudem "soziale Akzeptanz" notwendig. Dafür müsse Geld "in den Plan", sagte die Linken-Abgeordnete. In Anbetracht des Wahlsieges von Donald Trump warnte sie zudem vor einem bereits spürbaren "Rollback" in der globalen Klimapolitik.

Eine Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagte, dass Deutschland international tatsächlich viel Tolles leiste. Klimaschutz werde aber nur noch als "Exportprodukt" behandelt, national stehe man blank dar. Zudem warnte sie davor, dass auch das Klimaziel 2020, eine Treibhausgasminderung von 40 Prozent, "krachend" verfehlt werde, wenn sich bei der Kohle nichts tut. Ein Antrag der Fraktion zum Klimaschutzplan 2050 (18/8876) scheiterte bei Zustimmung der Linken und Grünen an der Koalitionsmehrheit.

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3. Wohnungsgemeinnützigkeit empfohlen

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/EB) Eine Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit stößt bei Experten überwiegend auf eine positive Resonanz. Im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sprachen sich am Mittwoch vier von sechs Sachverständigen dafür aus, die Schaffung von dauergebundenen Sozialwohnungen durch steuerliche Entlastungen zu fördern. Sowohl Linke (18/7415) als auch Grüne (18/8081) haben Anträge zu einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit eingebracht.

Aus Sicht von Jan Kuhnert von der Kommunal- und Unternehmensberatung (KUB) GmbH ist die Wohnungsgemeinnützigkeit eines der Instrumente, um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zudem könne sie dazu beitragen, die Lebensqualität in Städten zu sichern und Integration zu bewältigen. Eine steuerliche Entlastung fördere, dass kleine und mittlere sowie neugegründete Unternehmen mit einer Eigenkapitalschwäche in den Bau von dauerhaft gebundenen Mietwohnungen investierten. Zusätzlich zum Bau neuer Wohnungen, müssten auch Bestandwohnungen in eine dauerhafte Sozialbindung gebracht werden, um die soziale Segregation zu verhindert, sagte Kuhnert.

Die derzeitigen Instrumente der Wohnungspolitik entfalten trotz eines relativ hohen Mitteleinsatzes nur beschränkte Wirkung, kritisierte der Sozialwissenschaftler Andrej Holm (Humboldt Universität Berlin). Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit beinhalte demgegenüber Maßnahmen für einen nachhaltigen sozialen Wohnungsbau. "Eine steuerliche Förderung im Bereich des Wohnens ist keinesfalls systemfremd", sagte er mit Verweis auf Steuerverzichte, die der Wohnungswirtschaft auch nach Abschaffung der Gemeinnützigkeit 1989 gewährt worden seien. Die Gefahr sozialräumlicher Segregation bestehe umso weniger, je größer der gemeinnützige Sektor sei, argumentierte er.

Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund wies darauf hin, dass seit Ende der 1980er Jahre etwa vier Millionen bezahlbare Wohnungen aus der gesetzlichen oder vertraglichen Bindung gefallen seien. "Wir müssen mit diesem Hase- und-Igel-Spiel aufhören", sagte er. In seiner schriftlichen Stellungnahme empfahl der Mieterbund, die Unternehmensbindungen durch Maßnahmen der Objektförderung, des Bodenrechts und des Planungsrechts flankierend zu ergänzen. Ropertz betonte, dass eine Wohnungsgemeinnützigkeit hinreichend Träger benötige. Neben den kommunalen Unternehmen seien hier auch Stiftungen und kirchliche Träger denkbar.

Um dauerhaft preisgünstigen und beleggebundenen Wohnraum zu sichern, müssten neue differenzierte Instrumente der Wohnungspolitik geschaffen werden, forderte Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. Eine öffentliche Förderung durch Steuererleichterungen, Steuergutschriften, Zuschüsse und Förderdarlehen sei wünschenswert. Darüber hinaus sollte jedoch auch das Bodenrecht in den Blick genommen werden, empfahl von Lojewski. Die Gewinne aus unverdienter Bodenwertsteigerung sollten zugunsten des gemeinnützigen Wohnungssektors umverteilt werden, forderte er.

Die Stärkung der Länderprogramme solle Vorrang vor einem neuen Großprojekt des Bundes haben, sagte Torsten Mertins für den Deutschen Landkreistag. Einige Bundesländer hätten erfolgreichen Programme im Bereich des sozialen Wohnungsbaus aufgelegt. Der kommunale Spitzenverband der Landkreise habe noch keine abschließende Haltung zum Thema der Wohnungsgemeinnützigkeit entwickelt, sagte Mertins.

Ablehnend steht der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit gegenüber. Die Wohnungsgemeinnützigkeit würde den Geschäftskreis der Unternehmen beschränken, argumentierte ihr Vertreter Axel Gedaschko. "Kein Marktversagen, sondern ein krasses Staatsversagen" liege aktuellen Engpässen auf dem Wohnungsmarkt zugrunde. Anstelle von dauerhaften Belegbindungen müsse ein Ausgleich des Mietmarktes geschaffen werden, da Miethöhen regional stark schwankten. Für viele Unternehmen bedeuteten die Steuerbefreiungen zudem keinen zusätzlichen Anreiz, etwa, wenn sie als Genossenschaften schon Steuerbegünstigungen genießen würden, sagte er.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 660 - 9. November 2016 - 15.38 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2016

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