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BUNDESTAG/6096: Heute im Bundestag Nr. 610 - 20.10.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 610
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 20. Oktober 2016, Redaktionsschluss: 09.19 Uhr

1. Genügend Geld für Investitionen
2. Keine Sonderrechte für Nachrichtendienste
3. Digitalisierung der ländlichen Räume
4. Regeln für Elternschaft bei Samenspende


1. Genügend Geld für Investitionen

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat ein Problem: Geld für Investitionen ist genügend vorhanden, es fehlt aber an baureifen Projekten - sowohl bei der Straße als auch bei der Schiene und den Wasserstraßen. Grund dafür ist unter anderem, dass es zurzeit zu wenig Ingenieure gibt. Dies wurde am Mittwochabend im Haushaltsausschuss bei der Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Haushalt 2017 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (18/9200, Einzelplan 12) deutlich.

Trotzdem sollen im kommenden Jahr im Verkehr und bei der digitalen Infrastruktur laut Regierungsentwurf mit 15,86 Milliarden Euro mehr investiert werden als jemals zuvor. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wurden darüber hinaus die Ausgaben für Maßnahmen für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals um zehn Millionen Euro auf 13,8 Millionen Euro erhöht und die Zuschüsse an private Unternehmen für Investitionen in den Kombinierten Verkehr sollen gegenüber dem Regierungsentwurf um 20 Millionen Euro auf 92,7 Millionen Euro steigen.

Zur Gegenfinanzierung wurden 39,18 Millionen Euro bei den Investitionen in die Bundesfernstraßen gestrichen. Dafür sollen jetzt im kommenden Jahr 7,17 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Für den Computerspielpreis soll der Bund 2017 statt 950.000 Euro nur noch 525.000 Euro zuschießen. Hier soll sich die Wirtschaft mindestens zur Hälfte an der Finanzierung des Preises beteiligen.

Insgesamt mehr 40 Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen blieben erfolglos. So forderten die Abgeordneten unter anderem mehr Geld für die Förderung der Elektromobilität und die Radwege, um die Verkehrswende möglich zu machen.

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2. Keine Sonderrechte für Nachrichtendienste

Kultur und Medien/Anhörung

Berlin: (hib/AW) Die geplante Novellierung des Bundesarchivgesetzes wird von Experten zwar prinzipiell begrüßt, zugleich warnen sie vor Sonderrechten, die den Nachrichtendiensten eingeräumt werden sollen. Dies wurde in der öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses über den entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung (18/9633) am Mittwoch deutlich.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die Schutzfristen für personenbezogenes Archivgut von 30 auf zehn Jahre nach dem Tod der betroffenen Person gesenkt werden. Bei Amtsträgern und Personen der Zeitgeschichte soll die Schutzfrist komplett entfallen, wenn der schutzwürdige Privatbereich nicht betroffen ist. Zudem sollen in Zukunft alle Stellen des Bundes ihre Akten nach 30 Jahren dem Bundesarchiv anbieten.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, monierte, dass die Nachrichtendienste nach dem vorliegenden Gesetzentwurf Akten nur dann an das Bundesarchiv übergeben sollen, wenn "überwiegende Gründe des Nachrichtenzugangs oder schutzwürdige Interessen der bei ihnen beschäftigten Personen einer Abgabe nicht mehr entgegenstehen". Sollte dies so umgesetzt werden, kritisierte Voßhoff, dann könnten die Nachrichtendienste zukünftig allein darüber entscheiden, ob sie Akten dem Bundesarchiv zu Archivierung anbieten. Die Bundesdatenschutzbeauftragte forderte, den Passus ersatzlos aus dem Gesetzestext zu streichen. Dieser Forderung schlossen sich auch der Vorsitzende des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare, Ralf Jacob, die Vorsitzende des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands, Eva Schlotheuber, sowie Clemens Rehm von der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltung des Bundes und der Länder und der Rechtswissenschaftler Eric W. Steinhauer von der FernUniversität Hagen an.

Kritisch bewerteten die Experten zudem, dass Akten von einer Anbietungspflicht an das Bundesarchiv ausgenommen werden sollen, die nach gesetzlichen Vorschriften vernichtet oder gelöscht werden müssen. Diese Regelung stehe dem Anspruch auf eine historische Überlieferung staatlichen Handelns entgegen, lautete das einhellige Urteil der Sachverständigen. Sie sprachen sich dafür aus, im Gesetz eine Regelung zu verankern, mit der die Archivierung im Bundesarchiv einer Löschung gleichgesetzt wird. Der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, schlug vor, die Übernahme von löschungspflichtigen Daten durch das Bundesarchiv im Bundesdatenschutzgesetz und nicht im Bundesarchivgesetz zu regeln.

Der Hauptabteilungsleiter der Wissenschaftlichen Dienste der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hanns Jürgen Küsters, kritisierte, dass durch die Gesetzesnovelle die amtlichen Akten aus den Archiven der politischen Stiftungen der Parteien an das Bundesarchiv übergeben werden müssten. In den Nachlässen von Politikern, die von den politischen Stiftungen archiviert werden, würden sich jedoch regelmäßig persönliche und amtliche Akten befinden. Es sei nicht hinzunehmen, dass diese Aktenbestände auseinandergerissen werden. Dieser Ansicht widersprachen Michael Hollmann und Clemens Rehm. Amtliche Akten in den Nachlässen von Politikern gehörten ihnen nicht, argumentierten Rehm und Hollmann. Bei der Archivierung von Aktenbeständen gelte das Herkunftsprinzip: Entscheidend sei, wo die Akten ursprünglich angelegt worden sind.

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3. Digitalisierung der ländlichen Räume

Ausschuss Digitale Agenda/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die Digitalisierung bietet für Kommunen in ländlichen Räumen im Hinblick auf eine bessere Vernetzung und eine Leistungssteigerung der Verwaltung große Chancen. In dieser Einschätzung herrschte Einigkeit unter den zu einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses Digitale Agenda geladenen Experten. Ebenso einig waren sie sich in der Feststellung, dass der Breitbandausbau im ländlichen Raum an Tempo zunehmen müsse und die in der Digitalen Agenda der Bundesregierung als Minimum aufgeführte Übertragungsrate von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) nicht ausreichend sei.

Das Ziel einer 50Mbit/s Strategie erscheine zu wenig ambitioniert, sagte Thomas Kerkhoff, Bürgermeister der 17.000-Einwohner Stadt Gescher (Nordrhein-Westfalen). Zudem fungiere die Subventionierung von Vectoring-Leistungen als Investitionsbremse für den Glasfaserausbau und sei daher zu überdenken. Kerkhoff verwies darauf, dass durch die Digitalisierung die Möglichkeit bestehe, die Effizienz der Verwaltung zu steigern. Durch die Möglichkeit der Partizipation an Verwaltungsprozessen könne zugleich die Zufriedenheit beim Bürger erhöht werden.

Entscheidend sei es, durch die Digitalisierung das Lebensumfeld der Bürger zu verbessern, urteilte Christoph Meineke, Bürgermeister der 14.000 Einwohner zählenden Gemeinde Wennigsen (Niedersachsen). Für ihn sei beispielsweise klar, dass erfolgreiche Beteiligungsverfahren stets hybrid stattfinden müssten. Wolle man Politik für die Menschen vor Ort machen sei es wichtig, die Online-Kanäle zu nutzen, permanent verfügbar zu machen und Informationen dauerhaft abrufbar zur Verfügung zu stellen, sagte Meineke. Der Bürgermeister machte deutlich dass man die Diskussionen über Störerhaftung und Breitband zwar als wichtig erachte, zugleich aber auch den Blick in Richtung Internet der Dinge und den damit verbundenen Anforderungen richte.

Mario Trapp vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) sagte, es habe sich gezeigt, dass in Städten erfolgreiche Ansätze - wie Smart City - in ländlichen Regionen nicht funktionieren würden. Auf dem Land stellten sich andere Herausforderung, so Trapp. Vielfach stelle sich die Frage, wie die Abwanderung gestoppt werden könne. Dabei gehe es um Arbeitsmöglichkeiten, Bildungsangebote, medizinische Versorgung und eingeschränkte Verkehrsinfrastrukturen. Für all diese Problematiken könne die Digitalisierung Lösungen bieten, so der Experte. Um voranzukommen müsse man handeln statt reden. "Und zwar Kommunen und Experten gemeinsam", sagte Trapp. Die Kommunen wüssten "wo der Schuh drückt". Die Experten könnten wiederum einschätzen, was technisch möglich ist. Außerdem sei es wichtig, konkret vor Ort zu handeln, "aber das große Ganze im Blick zu behalten". Viele Kommunen, so Trapp neigten dazu, nur ihren eigenen Bereich zu betrachten.

Nach wie vor gebe es zu wenig digitale Prozesse in der Verwaltung, beklagte die Publizistin und Unternehmensberaterin Anke Domscheit-Berg. Viele Kommunen wollten bei der Digitalisierung vorankommen, schafften dies aber aus Mangel an Kompetenz nicht. "Wir müssen mehr Kompetenz in die Fläche bekommen", forderte Domscheit-Berg. Das Hauptproblem bei der Digitalisierung ist jedoch ihrer Ansicht nach die schwache Infrastruktur. Lediglich Griechenland sei in Europa beim Glasfaserausbau noch schlechter als Deutschland, bemängelte die Expertin. Grund dafür seien unter anderem falsche Investitionsentscheidungen. "Jeder einzelne Euro, der in Vectoring investiert wird ist eine absolute Fehlinvestition und behindert den Glasfaserausbau", sagte Domscheit-Berg.

Das in der Digitalen Agenda genannte Ziel, bis 2018 flächendeckend ein Ausbauziel von 50 MBit/s zu erreichen, sei angesichts kommunikativer Notwendigkeiten insbesondere in Bereichen wie Mobilität, Gesundheit und Bildung nicht ausreichend, befand Franz-Reinhard Habbel, Vertreter des Deutscher Städte- und Gemeindebundes. Zudem sei zweifelhaft, ob diese Zielmarke überhaupt erreicht werde. Um den Breitbandausbau voranzubringen wäre aus Sicht Habbels ein Zusammenschluss in Zweckverbänden oder Genossenschaften zu begrüßen. "Gerade das Genossenschaftsmodell eröffnet neue Wege, verschiedene Stakeholder in den Ausbauprozess vor Ort mit einzubinden", sagte er. Wichtig sei außerdem, den Breitbandausbau als Führungsaufgabe von Bürgermeistern und Landräten zu verstehen.

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4. Regeln für Elternschaft bei Samenspende

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Das Bundesverfassungsgericht habe aus dem Grundgesetz das Recht auf Kenntnis der biologischen Eltern abgeleitet, bei Samenspenden gebe es hierfür aber einige Regelungslücken. Dies erklärte die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Bündnis 90/Grüne), bei einer öffentlichen Anhörung ihres Gremiums. In dieser begutachteten sechs Sachverständige einen Antrag der Grünen-Fraktion über "Elternschaft bei Samenspende und das Recht der Kenntnis eigener Abstammung" (18/7655). Der Antrag fordert die Einrichtung eines Melde- und Auskunftssystems, in dem die Identität des Samenspenders festgehalten ist. Ein Vermerk im Geburtsregister soll darauf verweisen. Wenn gewünscht sollten durch Samenspende gezeugte Kinder eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem Samenspender und gegebenenfalls auch Halbgeschwistern erhalten.

Im Grundsatz begrüßten alle Sachverständigen diesen Vorstoß. Bedenken gab es aber teilweise gegen den Vermerk im Geburtsregister. Dieses habe alleine den Zweck, den Personenstand festzuhalten, sagte Eva Becker, Fachfrau für Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein. Helga Müller von der Deutschen Vereinigung von Familien nach Samenspende sowie der Marburger Rechtsprofessor Tobias Helms pflichteten ihr bei. Beide verwiesen auf Datenschutz-Probleme. Das Geburtenregister könnten unter bestimmten Voraussetzungen auch Dritte einsehen und so diese sensible Information erhalten.

Dagegen hob die Bonner Jura-Professorin Nina Dethloff hervor: "Es muss sichergestellt werden, dass Kinder überhaupt von ihrer Zeugung aus einer Samenspende erfahren." Nur dann könnten sie nachfragen und das im Antrag geforderte Samenspender-Register überhaupt nutzen. Der Eintrag im Geburtsregister sei auch wichtig, damit Eltern ihre Kinder über ihre Abstammung aufklären, da sie damit rechnen müssen, dass diese irgendwann auf diesen Eintrag stoßen. Ein von Manchen postuliertes Recht des Kindes auf Nichtwissen gebe es nicht, sagte Dethloff; dies würde das Recht auf Kenntnis der Abstammung aushebeln. Dem pflichtete Christina Motejl vom Verein Spenderkinder bei. Adoptivkinder würden zu 90 Prozent über ihre Herkunft aufgeklärt, Kinder von Samenspendern dagegen nur zu 20 Prozent. "Der Zugang zur Wahrheit sollte vom Gesetzgeber geschützt werden", forderte sie. Tobias Helms regte daraufhin eine Regelung an, die sicherstellt, dass der Eintrag über die Samenspende im Geburtsregister bei der Anforderung eines Auszugs durch Dritte nicht erscheint.

Kontrovers äußerten sich die Sachverständigen auch über verbindliche Elternschaftsvereinbarungen, mit denen sich ein Paar, das mithilfe einer Samenspende zu einem Kind kommt, schon vor der Befruchtung zur Übernahme der Elternpflichten bereit erklärt. Frank Klinkhammer, Richter am Bundesgerichtshof, verwies darauf, dass nach dem Grundgesetz "nichteheliche Kinder" nicht benachteiligt werden dürfen. Da Samenspender aber von der Verantwortung für das gezeugte Kind freigestellt würden, müsse in diesem Fall der "Wunschvater" zur Vaterschaft verpflichtet sein. Dagegen gab es keinen Widerspruch. Doch zu der Frage, ob dafür eine bestimmte Form vorgeschrieben und die Erklärung beispielsweise im Jugendamt hinterlegt werden soll, gingen die Meinungen auseinander.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 610 - 20. Oktober 2016 - 09.19 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2016

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