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BUNDESTAG/5989: Heute im Bundestag Nr. 503 - 08.09.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 503
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 08. September 2016, Redaktionsschluss: 09.49 Uhr

1. Bundesrichterwahl unter der Lupe
2. Reform der psychiatrischen Versorgung
3. Bessere Pflegeberatung in den Kommunen
4. Steueroptimierung soll erschwert werden


1. Bundesrichterwahl unter der Lupe

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Muss das Verfahren zur Besetzung von Richterstellen an den Bundesgerichten verbessert werden und wenn ja, wie? Darüber gingen die Meinungen auseinander bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zu einem Antrag der Grünen (18/7548) mit dem Titel "Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte". Dabei wurde eines von keinem der sieben Sachverständigen in Frage gestellt: Die im Grundgesetz (Artikel 95, Absatz 2) vorgesehene Wahl dieser Richter durch einen Richterwahlausschuss, der je zur Hälfte von den zuständigen Länderministern und von Bundestagsabgeordneten besetzt ist.

In dem Antrag der Grünen heißt es, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen diesem Wahlverfahren und der nach Artikel 33, Absatz 2 vorgeschriebenen Besetzung öffentlicher Ämter nach fachlicher Eignung gebe. Diesem Grundsatz der Bestenauslese stehe entgegen, dass die Aufnahme auf die Vorschlagsliste für die Richterwahl in einem intransparenten Verfahren erfolge, heißt es in dem Antrag. Deshalb gebe es auch vermehrt Klagen nicht ausgewählter Konkurrenten, in deren Folge Stellen oft für lange Zeit nicht nachbesetzt werden könnten. Die beeinträchtige die Funktionsfähigkeit der Bundesgerichte erheblich.

Die Grünen beantragen, dass offene Stellen an den obersten Bundesgerichten ausgeschrieben werden. Zudem soll ein verbindliches Anforderungsprofil für Bewerber gesetzlich festgelegt werden. Zu den weiteren Forderungen des Antrags gehört eine Frauenquote für die Vorschlagslisten.

Ob öffentliche Ausschreibungen zu besseren Ergebnissen führen würden, darüber gingen in der Anhörung die Meinungen auseinander. Interessierte wüssten ohnehin, wenn an einem Bundesgericht Stellen neu zu besetzen seien und auch, wohin sie sich mit ihrem Interesse wenden müssen, wandte der Speyerer Rechtswissenschaftler Joachim Wieland ein. Das derzeitige Verfahren sei angemessen und er sehe keinen Reformbedarf. Der Richterwahlausschuss solle sein Verfahren in eigener Verantwortung ohne gesetzliche Vorgaben regeln, sagte Wieland. "Er ist so zusammengesetzt, dass man ihm das zutrauen sollte." Nach Ansicht des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, Andreas Heusch, "gewährleistet" das jetzige Verfahren "gerade eine besonders breite Bestenauslese".

Dem widersprach Carsten Löbbert, Präsident des Amtsgerichts Lübeck und Bundesvorstand der Neuen Richtervereinigung. Viele geeignete Juristen fänden heute keine Möglichkeit, ihr Interesse an einer Stelle an einem Bundesgericht zu bekunden. Deshalb sollten Ausschreibungen normal sein, und zwar auf Bundesebene. Eine Interessenbekundung auf Landesebene sei problematisch, denn im Falle einer Ablehnung erfahre der Richterwahlausschuss dann gar nicht von dem möglicherweise bestens qualifizierten Bewerben. Dadurch werde das Verfahren erst recht anfechtbar.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, Robert Seegmüller, wies darauf hin, dass es Konkurrentenklagen weniger bei Auswahlverfahren gebe als bei der Beförderung auf Führungspositionen an den Gerichten. Diese erfolge nach einem anderen Verfahren. Seegmüller sowie der Bonner Rechtsprofessor Klaus F. Gärditz regten an, die Spitzen der Gerichte ebenfalls durch den Richterwahlausschuss besetzen zu lassen, um die Zahl der Anfechtungsklagen zu verringern. Mehrere der Experten schlugen zudem vor, alle Anfechtungsklagen dem Bundesverwaltungsgericht als einziger Instanz zu übertragen, um die Verfahrensdauer und die damit verbundene Vakanz von Richterstellen zu verkürzen. Allerdings stieß dieser Vorschlag auch auf Widerspruch.

Kontrovers wurde die Rolle der Präsidialräte bewertet. Diese sind Gremien der jeweiligen Gerichtszweige, die beratend an der Richterwahl mitwirken. Während Eva Schübel, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof und Gleichstellungsbeauftragte, für eine stärkere Rolle der Präsidialräte plädierte, sah der Berliner Rechtsprofessor in deren Mitwirkung die "Gefahr einer Überrepräsentation standespolitischer Gesichtspunkte". Bewerbern, die keine klassische Gerichtskarriere absolviert hätten, werde so der Zugang erschwert.

Die Forderung der Grünen nach einer Frauenquote wurde vor allem von Eva Schübel nachdrücklich unterstützt. Während es Jahr für Jahr mehr hochqualifizierte Richterinnen gebe, sei die Zahl ihrer Berufungen an Bundesgerichte deutlich langsamer gestiegen. Schübel plädierte dafür, bei der Erstellung der Bewerberlisten Doppelvorschläge mit mindestens einer Frau vorzuschreiben. Dem hielt Joachim Wieland die Erfahrung mit Quoten bei der Besetzung von Professorenstellen entgegen. Frauen auf Vorschlagslisten seien noch lange keine Gewähr, dass diese auch gewählt würden. Andreas Heusch berichtete aus seiner langjährigen Erfahrung als Leiter eines großen Gerichts. Er habe viele hervorragende Richterinnen, doch diese lehnten den Aufstieg in ein höheres Gericht oft aus persönlichen Gründen, vor allem wegen des damit verbundenen Ortswechsels, ab. Einig zeigten sich die Sachverständigen allerdings darin, dass auch an den obersten Bundesgerichten Teilzeitstellen angeboten werden sollten. Dies könne Frauen die Entscheidung erleichtern, dorthin zu wechseln.

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2. Reform der psychiatrischen Versorgung

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Die Versorgung von Patienten mit psychischen Krankheiten soll verbessert werden. Der Entwurf eines "Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen" (PsychVVG) liegt dem Bundestag jetzt zur Beratung vor. Mit der Gesetzesnovelle der Bundesregierung (18/9528) soll die Versorgung psychisch kranker Menschen besser an die speziellen Erfordernisse der Kliniken und Patienten angepasst werden.

Das pauschalierende Entgeltsystem für Leistungen psychiatrischer und psychosomatischer Einrichtungen (Psych-Entgeltsystem) wird weiterentwickelt, wobei das jetzige System PEPP, das seit 2013 auf freiwilliger Basis eingesetzt wird, ein Jahr länger genutzt werden kann und auch künftig für die Kategorisierung genutzt werden soll.

Auf ein landeseinheitliches Preisniveau der Kliniken wird künftig jedoch verzichtet. Statt dessen können psychiatrische und psychosomatische Kliniken auch in Zukunft ihr Budget einzeln verhandeln, um regionale oder strukturelle Besonderheiten besser zu berücksichtigen. Basis für die Kalkulation in den Kliniken soll der jeweilige tatsächliche Aufwand sein, wobei künftig verbindliche Mindestvorgaben bei der Personalausstattung gelten sollen.

Um die sektorenübergreifende Versorgung zu stärken, wird eine psychiatrische Akutbehandlung im häuslichen Umfeld als Krankenhausleistung eingeführt. Umgekehrt sollen psychiatrische Kliniken mit psychosomatischen Fachabteilungen solche Patienten, die eine ambulante Versorgung brauchen, auch behandeln können.

Mit dem Psychiatrie-Gesetzentwurf soll zugleich die geplante zusätzliche Finanzspritze für die gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro beschlossen werden. Das Geld wird aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds entnommen und den Kassen zugeleitet. Eine Milliarde Euro sind vorgesehen, um Mehrbelastungen der Krankenkassen durch die Flüchtlinge auszugleichen. Weitere 500 Millionen Euro stehen bereit, um die Telematikinfrastruktur der Kassen aufzubauen.

Die meisten Regelungen sollen zu Jahresbeginn 2017 in Kraft treten. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

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3. Bessere Pflegeberatung in den Kommunen

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Mit dem dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) soll die Beratung von Pflegebedürftigen und Angehörigen in den Kommunen verbessert werden. Der Gesetzentwurf (18/9518), der nun im Bundestag zur Beratung vorliegt, umfasst auch schärfere Kontrollen, um Abrechnungsbetrug durch kriminelle Pflegedienste zu verhindern.

Die Novelle basiert auf Empfehlungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und soll Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine Beratung aus einer Hand ermöglichen. Mit den ersten beiden Pflegestärkungsgesetzen waren die Leistungen deutlich ausgeweitet sowie ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren beschlossen worden.

Mit dem PSG III soll nun die kommunale Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden. Konkret sollen die Kommunen für fünf Jahre das Recht bekommen, aus eigener Initiative Pflegestützpunkte einzurichten. Ferner sollen sie Gutscheine der Versicherten für eine Pflegeberatung einlösen können.

Darüber hinaus sollen in bis zu 60 Kreisen oder kreisfreien Städten für die Dauer von fünf Jahren als Modellprojekte Beratungsstellen eingerichtet werden. Den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen soll auf diese Weise eine umfassende Beratung über mögliche Hilfen gewährt werden, so etwa über Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe oder auch Altenhilfe.

Das Gesetz schafft zudem für Kommunen die Möglichkeit, sich am Auf- und Ausbau der Angebote zur Unterstützung im Pflegealltag auch in Form von Personal- oder Sachmitteln zu beteiligen.

Dem Entwurf zufolge soll auch im Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII/Sozialhilfe) der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden, um sicherzustellen, dass finanziell Bedürftige im Pflegefall angemessen versorgt werden. Schließlich sollen mit der Vorlage auch Abgrenzungsfragen zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung beziehungsweise Hilfe zur Pflege geregelt werden.

Nach der Aufdeckung von Betrugsfällen bei Pflegediensten soll künftig außerdem insbesondere die häusliche Krankenpflege stärker kontrolliert werden. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erhält dazu ein systematisches Prüfrecht. So sollen Abrechnungen und Leistungen häuslicher Krankenpflegedienste regelmäßig vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft werden.In der häuslichen Krankenpflege sollen zudem die Dokumentationspflichten der Pfleger an die in der ambulanten Altenpflege geltenden Pflichten angepasst werden.

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4. Steueroptimierung soll erschwert werden

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) International tätige Konzerne sollen nicht mehr so einfach durch Ausnutzung nationaler Steuersysteme ihre Steuerlast senken können. Diesem Ziel dient der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen (18/9536).

In Zukunft müssen multinationale Unternehmen Auskünfte über ihre Verrechnungspreise für Geschäftsvorfälle mit verbundenen Unternehmen gegeben. Damit sollen die Finanzverwaltungen Risikoeinschätzungen vornehmen können. Außerdem soll es einen automatischen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten geben. Ausgetauscht werden sollen Informationen zu grenzüberschreitenden Vorbescheiden und Vorabverständigungen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen. Dadurch erhalte die Bundesrepublik Deutschland "verlässlich und regelmäßig Kenntnisse über entsprechendes Verwaltungshandeln anderer Staaten, das sich auf die Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland auswirken kann", heißt es in der Begründung des Entwurfs, mit dem außerdem Änderungen am Steuerrecht vorgenommen werden sollen, um Unsicherheiten über die Auslegung einzelner Bestimmungen von Doppelbesteuerungsabkommen zu vermeiden

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 503 - 8. September 2016 - 09.49 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2016

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