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BUNDESTAG/5806: Heute im Bundestag Nr. 320 - 01.06.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 320
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 01. Juni 2016, Redaktionsschluss: 15.18 Uhr

1. Wilderei-Krise von biblischen Ausmaßen
2. Einwände gegen neues Wegenutzungsrecht
3. Gesetz zur Atomhaftung vertagt
4. Anhörung zu CETA beschlossen


1. Wilderei-Krise von biblischen Ausmaßen

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Die Eindämmung der Wilderei, die Bekämpfung des illegalen Handelns mit Wildtieren und die Regulierung legaler Handelsmöglichkeiten waren am Mittwochmittag Thema eines öffentlichen Fachgespräches im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Hintergrund des Fachgespräches waren ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Wildtierhandel (18/5046) und der EU-Aktionsplan zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels.

Insbesondere die kritische Wilderei-Situation in Teilen Afrikas und Asien trieb die Sachverständigen dabei um. So verwies Jörg-Andreas Krüger vom WWF Deutschland darauf, dass Wilderer in Afrika pro Jahr zirka 30.000 Elefanten töteten. Auch Nashörner seien durch Wilderei besonders bedroht. Mit 19 Milliarden US-Dollar Umsatz jährlich sei der illegale Wildtierhandel nach Drogen- und Menschenhandel sowie Produktpiraterie der viertgrößte Bereich im illegalen Handel, führte Krüger in seiner schriftlichen Stellungnahme dazu aus.

Die Bedeutung krimineller, hochgerüsteter, paramilitärisch organisierter Gruppen hob auch Dietrich Jelden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) während des Fachgespräches hervor. Bereits vor 30 Jahren habe es eine Wilderei-Krise gegeben. Diese sei aber "armutsgetrieben" gewesen und konnte überwunden werden. Die aktuelle Wilderei-Krise habe inzwischen "biblische Ausmaße" angenommen, sagte Jelden.

Auch John E. Scanlon, Generalsekretär der Sekretariats des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen (Cites), hob das "furchtbare Ausmaß" der kriminellen Wilderei hervor. Diese habe nicht nur Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und das Ökosystem, sondern auch auf die Lebensgrundlage der Menschen und den politisch-wirtschaftlichen Zusammenhalt der betroffenen Regionen. Die "gute Nachricht" sei aber, dass die internationale Gemeinschaft aufgewacht sei und das Problem nun angehe. Dazu gehöre, den Vollzug des Cites-Übereinkommens, das differenzierte Schutz- und Handelsregulationen für mehr als 35.000 Tier- und Pflanzenarten umfasst, durchzusetzen. Zudem müsse die Nachfrage reduziert werden. Dies könne unter anderem durch eine Verschärfung von Strafvorschriften erreicht werden. Scanlon lobte die Rolle Deutschlands bei der Unterstützung von Cites. Die Bundesrepublik hatte das grundlegende Washingtoner Artenschutzübereinkommen vor 40 Jahren, am 20. Juni 1976, ratifiziert.

WWF-Vertreter Krüger betonte, dass neben der Bekämpfung der Wilderei und des illegalen Handels auch Infokampagnen und Umweltbildung notwendig seien, um gerade in Asien die Nachfrage über ein verändertes Kaufverhalten zu reduzieren. In Hinblick auf Deutschland und die Europäische Union sei zudem wichtig, Vollzug, Vernetzung und Kontrollen zu stärken. So würden auch in Europa immer wieder etliche Funde von etwa Elfenbein, wie zuletzt am Flughafen Schönefeld, gemeldet.

Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, sagte, dass Deutschland sich bei der anstehenden Cites-Konferenz für eine Erhaltung des hohen Schutzniveaus für Afrikanische Elefanten einsetzen werde. Zudem sei die Bundesrepublik in der EU das erste Land gewesen, das sich für ein Verbot des Wiederverkaufs von sogenannten "pre convention"-Elfenbein einsetze. Auch eine im vergangenen Jahr verabschiedete UN-Resolution habe Deutschland auf den Weg gebracht. Ein "Herzensanliegen" sei es ihr, auf EU-Ebene eine Regelung nach Vorbild des in der USA geltenden "Lacey Act" einzuführen. Demnach dürften Arten, für die in deren Ursprungsländern ein Exportverbot gilt, nicht in die EU eingeführt werden.

BfN-Vertreter Jelden verwies zudem darauf, dass sich Deutschland bei der Cites-Konferenz für Veränderungen in Bezug auf sogenannte Jagdtrophäen einsetzen werde. Aktuell hätten die Behörden Kontrollprobleme bei der Einfuhr von Arten des Anhangs II des Cites-Abkommens. Die Bundesrepublik setze sich daher dafür ein, dass bei allen Einfuhren nach Anhang II eine Legalitäts- und Nachhaltigkeitsprüfung ermöglicht wird. Dafür setze sich Deutschland auch seit vielen Jahren innerhalb der EU ein. Es sei inzwischen gelungen, für sechs Arten des Anhangs II die Notwendigkeit einer Einfuhrgenehmigung zu etablieren, sagte Jelden.

Sandra Altherr von Pro Wildlife ging vor allen auf die Entwicklungen des Lebendtierhandels in Deutschland ein. Hier zeichne sich aktuell ein Trend zu exotischen Säugetieren ab. Insgesamt sei das Spektrum aber sehr breit. Bei einigen Arten würden auch Wildfänge importiert. Dies muss nach Ansicht von Pro Wildlife verboten werden. Problematisch sei zudem, dass ein Käufer im Umgang mit gefährlichen Tierarten keine Vorkenntnisse haben müsse. Denkbar sei deshalb, durch Positivlisten die Privathaltung von Wildtieren einzuschränken. Altherr forderte zudem ein Verbot von gewerblichen Wildtierbörsen, die oft "Flohmarkt-Charakter" hätten. Diese seien aus "Tier- und Artenschutzgründen" sehr bedenklich. Altherr kritisierte, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zwar angekündigt hatte, den Handel bundeseinheitlich zu regeln, Wildfang-Import zu verbieten und gewerbliche Tierbörsen zu untersagen, aber noch nichts davon umgesetzt habe.

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2. Einwände gegen neues Wegenutzungsrecht

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Vertreter mehrerer Anwaltskanzleien haben zum Teil erhebliche Einwände gegen die von der Bundesregierung geplanten Änderungen am Wegenutzungsrecht erhoben. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem von der Regierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung (18/8184) erklärte Professor Dominik Kupfer (Wurster Weiss Kupfer) am Mittwoch, es gebe ein "deutliches Spannungsverhältnis" zum deutschen Verfassungsrecht und zum europäischen Recht.

Die Bundesregierung will mit dem Entwurf das Verfahren zur Vergabe sogenannter Wegenutzungsrechte für Verteilnetze (Gas, Strom) in den Kommunen verbessern. Die Wegenutzungsrechte zur leitungsgebundenen Energieversorgung (auch "Konzessionen" genannt) müssen in vergabeähnlichen Verfahren alle 20 Jahre neu vergeben werden. Nach Angaben der Bundesregierung ist es beim Wechsel der Inhaber dieser Wegenutzungsrechte vermehrt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen. Die damit verbundenen Verfahrensverzögerungen würden der Allgemeinheit schaden, da wichtige Netzausbau- und Verstärkungsmaßnahmen zum Erliegen kommen könnten. Der Wettbewerb um das Netz bedürfe klarer Regeln: "Er muss diskriminierungsfrei ausgestaltet werden und sicherstellen, dass dasjenige Unternehmen zum Zuge kommt, welches die Aufgabe des Netzbetriebs zum Wohle der Allgemeinheit am besten wahrnehmen kann", schreibt die Regierung.

Mit dem Gesetzentwurf werden mehrere Instrumente eingeführt beziehungsweise erweitert. So wird der Auskunftsanspruch der Gemeinde gegenüber dem Inhaber des Wegenutzungsrechts im Hinblick auf relevante Netzdaten konkretisiert. Um das Ausschreibungsverfahren transparent und diskriminierungsfrei durchführen zu können, müssen der Gemeinde möglichst ausführliche und belastbare Informationen zur wirtschaftlichen und technischen Situation des Netzes zur Verfügung gestellt werden. Der Wettbewerb um das Netz erfordere einerseits Vorgaben an die Gemeinden, die das Verfahren durchführen. Andererseits müsse es strenge Regeln gegenüber den aktuellen Inhabern des Wegenutzungsrechts geben, "denen trotz eines drohenden Netzgebietsverlustes aufgegeben werden muss, an einem fairen Verfahren mitzuwirken".

Der Sachverständige Kupfer erklärte, der örtliche Verteilernetzbetrieb sei eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Indem der Gesetzentwurf den Gemeinden Gestaltungskompetenzen entziehe, verstoße er gegen die in Artikel 28 des Grundgesetzes geregelte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Auch die Rechtsauffassung der Regierung, dass die EU-Konzessionsrichtlinie nicht gelte, sei unzutreffend. "Sie haben es mit einer Konzession im Sinne der Richtlinie zu tun", sagte Kupfer in der Anhörung.

Auch für Professor Christian Theobald (Becker Büttner Held) ist nicht nachvollziehbar, dass die Konzessionsrichtlinie in dem Entwurf nicht umgesetzt wird. Entgegen der Auffassung der Regierung sei von der Anwendbarkeit der Richtlinie grundsätzlich auszugehen. Philipp Boos (Boos Hummel & Wegerich) betonte, der deutsche Gesetzgeber gehe über die europarechtlichen Anforderungen an die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen weit hinaus. Der Ausschluss einer sogenannten Inhouse-Vergabe (ohne Ausschreibung) an ein kommunales Unternehmen ("Stadtwerk") erscheine rechtspolitisch problematisch. Auch der Deutsche Städtetag forderte in seiner Stellungnahme, den Kommunen eine rechtssichere Inhouse-Vergabe zu ermöglichen. Anderer Auffassung war Karl-Ludwig Böttcher (Brandenburgischer Städte- und Gemeindebund), der sich in seiner Stellungnahme gegen Inhouse-Vergaben aussprach: "Die immer wieder aufflackernden Forderungen der Inhouse-Vergabe stünden gerade einer flächendeckenden ausgewogenen Energieversorgung entgegen und würden gerade ländlich geprägte Regionen weiter benachteiligen. Aber gerade diese haben die Hauptlast der Energiewende zu tragen."

Als weitere Maßnahme soll allen Unternehmen eine "Rügeobliegenheit" auferlegt werden. Der Gesetzesentwurf sieht abhängig von der Art der Rechtsverletzung gestaffelte Rügefristen vor, innerhalb derer ein beteiligtes Unternehmen etwaige Mängel im Verfahren zwingend geltend machen muss. "So wird vermieden, dass Verfahrensfehler noch Jahre nach der Entscheidung erstmals geltend gemacht werden und sich der neue Wegenutzungsinhaber sowie die Gemeinde in einem fortdauernden Schwebezustand der Rechtsunsicherheit befinden", argumentiert die Regierung. Stefan Kapferer (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) bezeichnete diese Rügeobliegenheit als grundsätzlich sinnvoll, mahnte aber Veränderungen am Entwurf an, weil sonst eine Überfrachtung mit rechtlichen Verfahren zu erwarten sei. Auch Andreas Zuber (Verband kommunaler Unternehmen) sprach sich für Nachbesserungen an dieser Stelle aus

Mit dem Entwurf soll die bestehende Verpflichtung zur Übereignung der Netze "gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung" konkretisiert werden. Der Wechsel des Wegenutzungsrechtsinhabers dürfe nicht an einem "prohibitiv hohen Kaufpreis" scheitern. Die Klarstellungen zum angemessenen Netzkaufpreis wurden von Theobald ebenso wie von Boos begrüßt.

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3. Gesetz zur Atomhaftung vertagt

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat den Beschluss über einen Gesetzentwurf, mit dem die Stromkonzerne für atomare Rückbau- und Entsorgungskosten in Nachhaftung genommen werden sollen, vertagt. Für die Absetzung der Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (18/6615, 18/6671) stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Mit dem Gesetz sollen Energiekonzerne zukünftig langfristig und umfassend für die von den Betreibergesellschaften zu tragenden Kosten für die Stilllegung und den Rückbau von Kernkraftwerken und die Entsorgung des von ihnen erzeugten radioaktiven Abfalls haften. Selbst noch nicht bekannte Zahlungspflichten, die erst in Zukunft eingeführt werden, sollen erfasst werden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte die Vertagung und machte sich Sorgen um die Rechtssicherheit. Die Fraktion Die Linke erklärte, die Absetzung spiele den Stromkonzernen in die Hände, die dabei seien, sich umzustrukturieren. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wiesen die Vorwürfe zurück und erklärten, man müsse die Empfehlungen der "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs" abwarten. Die Empfehlungen der Kommission sollen nach Angaben der Koalitionsfraktionen in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden.

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4. Anhörung zu CETA beschlossen

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das geplante europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA wird Thema einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie. Der Ausschuss beschloss am Mittwoch mit den Stimmen aller Fraktionen, zu zwei Oppositionsanträgen den Rat von Sachverständigen einzuholen. Es geht dabei um den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6201) mit dem Titel "Dem CETA-Abkommen so nicht zustimmen" und um einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/8391), in dem sich die Fraktion gegen die vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens ausspricht. Die öffentliche Anhörung soll am Mittwoch, den 6. Juli 2016, stattfinden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 320 - 1. Juni 2016 - 15.18 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2016

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