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BUNDESTAG/5805: Heute im Bundestag Nr. 315 - 01.06.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 319
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 01. Juni 2016, Redaktionsschluss: 14.00 Uhr

1. Störerhaftung für WLAN entfällt
2. Eisenbahngesetz unterschiedlich bewertet
3. Antrag zu Entwicklungszielen gescheitert


1. Störerhaftung für WLAN entfällt

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat am Mittwoch den Weg für die Abschaffung der sogenannten Störerhaftung für Betreiber von offenen Funknetzwerken (WLAN) freigemacht. Der Ausschuss stimmte mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (18/6745) zu. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Zuvor hatten die Koalitionsfraktionen mit ihrer Mehrheit noch zwei Änderungsanträge zu dem Gesetzentwurf beschlossen, mit denen unter anderem klargestellt wird, dass Betreiber von WLAN-Internetzugängen Zugangsprovider wie andere Internet-Diensteanbieter Provider sind.

Bisher sei das Angebot von WLAN in Deutschland weniger ausgeprägt als in anderen Ländern, schreibt die Bundesregierung. Grund hierfür sei das Haftungsrisiko, dem Betriebe, Cafes, Restaurants, Hotels, Einzelhändler, aber auch öffentliche Einrichtungen ausgesetzt seien. Denn die Kunden könnten über den Hotspot zum Beispiel Rechtsverletzungen (Verstöße gegen Urheberrecht durch zum Beispiel illegale Downloads) begehen. WLAN-Betreiber würden Gefahr laufen, insbesondere mit Abmahnungen von Urheberrechteinhabern konfrontiert zu werden. Die Rechteinhaber würden sich besonders auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs stützen, aufgrund dessen der Endnutzer für Rechtsverletzungen Dritter als Störer verantwortlich ist, wenn er seinen WLAN-Zugang nicht gegen Nutzung durch Dritte sichert. Das Urteil habe zu einer starken Verunsicherung und in vielen Fällen zum Verzicht auf WLAN-Angebote geführt.

Die CDU/CSU-Fraktion erwartet von der Gesetzesänderung eine flächendeckende Verbreitung offener Netze. Das Urheberrecht müsse aber gewährleistet werden, erklärte die Fraktion. Urheber hätten auf Grund des europäischen Rechts einen Anspruch auf Unterlassung. Die CDU/CSU-Fraktion sprach sich dafür aus, die Auswirkungen der Gesetzesänderung nach zwei Jahren überprüfen zu lassen. Für die SPD-Fraktion bedeutet die Gesetzesänderung einen "großen Schritt nach vorn". In Europa, vielleicht sogar auch weltweit, sei Deutschland das einzige Land, das an der Störerhaftung festgehalten habe. Das habe zum Beispiel bei Gästen aus dem Ausland großes Unverständnis ausgelöst. Zum möglichen Missbrauch des freien Zugangs zum Internet erklärte die SPD-Fraktion, ein Blick auf die anderen Länder zeige, dass die Vorteile einer Lösung ohne Störerhaftung überwiegen würden. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten übereinstimmend, dass auch in Zukunft Abmahnungen von WLAN-Betreibern wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen möglich sein würden. Die Fraktion Die Linke zeigte sich aber erfreut, dass die Rechtslage jetzt insgesamt auf das international übliche Niveau umgestellt werde. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wies darauf hin, dass sie schon lange für offenes WLAN eintrete.

In einem Entschließungsantrag fordern die Fraktionen von CDU/CSU und SPD, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene alles unternehmen soll, damit Maßnahmen entwickelt werden, "mit denen die Finanzströme von Plattformen, die gewerbsmäßig Rechte des geistigen Eigentums verletzen, ausgetrocknet werden können". Dazu sollen Maßnahmen entwickelt werden, um Werbeeinnahmen von Plattformen, die im Wesentlichen auf Rechtsverletzungen aufgebaut sind, wirksam und dauerhaft zu unterbinden. Urheber, Kreative und Rechteinhaber müssten angemessen an der Wertschöpfung im Internet beteiligt werden, fordern die Fraktionen von CDU/CSU und SPD in ihrem Entschließungsantrag, der mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Linksfraktion bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen wurde.

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2. Eisenbahngesetz unterschiedlich bewertet

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/MIK) Unterschiedlich bewerten Experten den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich (18/8334). Dies wurde am Mittwoch bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur deutlich.

Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums in deutsches Recht umsetzen. Die Regelungen betreffen die Struktur der Eisenbahn, den Zugang zu Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen und die Erhebung von Entgelten für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Ebenfalls angepasst werden soll der Bereich der Genehmigungen für Eisenbahnverkehrsunternehmen, die wie bisher im Allgemeinen Eisenbahngesetz geregelt werden sollen.

Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bezeichnete in der Anhörung den Gesetzentwurf als Fortschritt gegenüber dem jetzigen Status. Dies gelte insbesondere für die Schaffung höherer Rechtssicherheit bei der Prüfung der Trassenpreise. Es verblieben jedoch einige Bereiche, in denen der Entwurf Verbesserungspotenzial und Korrekturbedarf aufweise. So forderte er unter anderem eine generelle Befreiung kleiner und mittelgroßer Eisenbahnen von den Vorschriften über die Struktur der Eisenbahnen und von der Erhebung von Entgelten für den Zugang zu Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen. Auch sollten nach seiner Auffassung Schmalspurbahnen vom Anwendungsbereich des Eisenbahnregulierungsgesetzes ausgenommen werden.

Frank Miram von der Deutsche Bahn AG setzte sich für die "Eins-zu-eins-Umsetzung" der EU-Richtlinie in deutsches Recht ein. Überschießende Regulierungsvorhaben sollten vermieden werden, um die ohnehin schwierige Wettbewerbsposition der Schiene nicht zusätzlich zu belasten. Entscheidend sei, dass der Regulierungsrahmen verlässlich und mit unternehmerischen Investitionen vereinbar sei. Diesem Anspruch werde der vorherige Gesetzentwurf doch nur zum Teil gerecht. In der Summe werde er zu einer erheblichen Stärkung des Regulierungsrahmens aber auch zu mehr Rechtssicherheit führen, sagte er.

Für Michael Köhler von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) muss der Entwurf "nachgebessert" werden. Die EVG lehne wichtige Passagen ab, da insbesondere die vorgeschlagene Anreizregulierung im Ergebnis den Verkehrsträger Schiene insgesamt zu schwächen drohe, betonte er. Zwar sei der grundsätzlichen Orientierung an den Vorgaben der EU zuzustimmen. Mit der konkreten Ausgestaltung einzelner Regulierungsthemen schieße der deutsche Gesetzentwurf aber über das durch die europäische Gesetzgebung vorgegebene Ziel ausgerechnet in den Kernfragen der Sicherung von Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit der Infrastrukturnetze hinaus. Eine Beseitigung der bestehenden Wettbewerbsnachteile der Schiene finde weiterhin nicht statt, heißt es in seiner Stellungnahme. Stattdessen würden zurückliegende Entscheidungen der Bundesregierung etwa auf dem Gebiet der Lkw-Maut zu einer weiteren zusätzlichen Schwächung der Schiene führen.

Peter Westenberger, Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), begrüßte die grundsätzliche Zielrichtung von mehr Wettbewerb im Schienengüterverkehr. Es seien aber "erhebliche" Nachbesserungen nötig. So müsse mehr Zuverlässigkeit in das System gebracht und der Preisauftrieb gestoppt werden. Trotzdem solle das Gesetzgebungsverfahren schnell abgeschlossen werden, um die lange überfälligen Verbesserungen in Kraft zu setzen und den Blick frei zu machen für weitergehende Reformen.

Für Claus Weselsky von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist der Gesetzentwurf weniger geeignet, die aktuellen und erheblichen Probleme des Verkehrsträgers Schiene zu lösen. So werde vor allem das wesentliche Ziel "Gewährleistung eines sicheren, leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs der Eisenbahninfrastruktur" nur unzureichend berücksichtigt. Nach seiner Auffassung wird das System Eisenbahn in Deutschland zunehmend vernachlässigt. Die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur müsse erhalten und nicht reduziert werden, forderte Weselsky.

Bernhard Wewers, Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV) sah einige gute Ansätze, deren Auswirkungen jedoch häufig nicht vollständig durchgeprüft wirkten. Dreh- und Angelpunkt bleibe die bisherige Prämisse des Bundes, den Vollkostenansatz weiter zu verfolgen. Mehr Verkehr könne jedoch nur mit einem Grenzkostenansatz auf die Schiene gebracht werden.

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3. Antrag zu Entwicklungszielen gescheitert

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/EB) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist am Mittwoch im Entwicklungsausschuss mit einem Antrag (18/7649) gescheitert, in dem sie eine konsequente und kohärente Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele ("Sustainable Development Goals", SDGs) in Deutschland fordert. Die Linksfraktion stimmte der Initiative zu, die Fraktionen von CDU/CSU und SPD lehnten sie ab.

Mit der Umsetzung der insgesamt 17 Ziele (auch "Agenda 2030" genannt) müsse zu Hause angefangen werden, begründete eine Grünen-Vertreterin den Vorstoß ihrer Fraktion. Alle Politikfelder müssten einbezogen und konkrete Handlungsoptionen deutlich gemacht werden. Sie verwies auf die 17 Anträge, die ihre Fraktion bereits im September 2015, kurz nach der Verabschiedung der SDGs in New York durch die Vereinten Nationen, in den Bundestag eingebracht hatte. Darin hätten die Grünen für alle politischen Bereiche dargelegt, wie die Ziele zu erreichen seien und was national dazu beigetragen werden könne.

Eine Vertreterin der Linksfraktion sagte, die Umsetzung der SDGs erfordere einen Politikwechsel, da unter anderem Rüstungsexporte und internationale Handelspolitik den Zielen der Agenda 2030 entgegenstünden. Sie kritisierte zudem, dass die Ausgaben für das Militär zuletzt deutlich gestiegen seien, obwohl das Geld für die Entwicklungszusammenarbeit, Klimaschutz und Bekämpfung der sozialen Ungleichheit gebraucht werde.

Die Sozialdemokraten lehnten den Antrag unter anderem mit der Begründung ab, dass er unzutreffende Aussagen enthalte, etwa der, "dass die Bundesregierung das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung regelmäßig untergräbt". Zudem sei die Umsetzung der SDGs eine ganzheitliche Aufgabe, mit der sich alle Bundestagsausschüsse und Fachgremien beschäftigen müssten.

Die Unionsfraktion betonte ebenfalls, dass alle Ressorts am Agenda 2030-Prozess beteiligt werden müssten. Im Antrag der Grünen fehlte ihr aber der entwicklungspolitische Bezug. Darüber hinaus vertrat eine Sprecherin der Fraktion die Auffassung, dass die Umsetzung der SDGs nur erfolgreich sein könne, wenn die Bevölkerung daran mitwirke. Erforderlich sei eine große Kampagne, um die nötige Öffentlichkeit herzustellen,

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Thomas Silberhorn (CSU), verwies im Ausschuss auf die von der Bundesregierung geplante Weiterentwicklung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf Grundlage der Agenda 2030. Einen ersten Entwurf habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 31. Mai auf der Jahrestagung des Rates für Nachhaltige Entwicklung vorgestellt. Bis Ende Juli hätten Vertreter der Zivilgesellschaft nun Zeit, sich mit Vorschlägen und Stellungnahmen einzubringen. Zudem sei Deutschland eines der ersten Länder, das dem Hochrangigen Politischen Forum zu nachhaltiger Entwicklung (HLPF) im Juli in New York über seine Nachhaltigkeitsstrategie berichten werde. In diesem Zusammenhang forderte ein Vertreter der Grünen die Bundesregierung auf, den Bundestag vorab über den Bericht zu informieren.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 315 - 1. Juni 2016 - 14.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2016

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