Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/5720: Heute im Bundestag Nr. 234 - 25.04.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 234
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 25. April 2016, Redaktionsschluss: 16.45 Uhr

1. Disput um sichere Herkunftsstaaten
2. Steuervertrag mit den Niederlanden
3. Wege zu mehr Barrierefreiheit
4. Zentrales Transplantationsregister geplant
5. Polizei- und Zolleinsätze im Ausland
6. Rechtsextreme Demonstrationen


1. Disput um sichere Herkunftsstaaten

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/STO) Die von der Bundesregierung angestrebte Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten ist unter Sachverständigen umstritten. Dies wurde am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8039) deutlich.

Darin schreibt die Regierung, nur durch eine entsprechende gesetzliche Regelung könne für Behörden und Gerichte gleichermaßen verbindlich festgelegt werden, "dass - vorbehaltlich der Möglichkeit einer Widerlegung der Vermutung der Verfolgungsfreiheit im Einzelfall - ein von dem Staatsangehörigen eines solchen Staates gestellter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist". Bei einer solchen Ablehnung werde das Asylverfahren erheblich beschleunigt. Die Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsstaaten verbessere daher die Möglichkeit, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten rascher bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können.

Zugleich betont die Bundesregierung, sie sei nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, "dass in den genannten Staaten gewährleistet erscheint, dass dort generell, systematisch und durchgängig weder Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind".

In der Anhörung verwies Reinhard Boos vom sächsischen Innenministerium darauf, dass im ersten Quartal dieses Jahres die Schutzquote bei Asyl für Bewerber aus Algerien und Tunesien bei null Prozent und 0,2 Prozent bei Marokkanern gelegen habe. Beim Flüchtlingsschutz habe die Quote 0,3 Prozent bei Algeriern betragen, 0,6 Prozent bei Tunesiern und ein Prozent bei Marokkanern. Beim subsidiären Schutz habe die Quote für Bewerber aus allen drei Staaten bei null Prozent gelegen. Er erwarte von den Gesetzentwurf"die Signalwirkung, dass es sich nicht lohnt, Asyl zu beantragen, wenn man keinen Schutzgrund hat". Nach bisherigen Erfahrungen bewirke die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat durchaus einen Rückgang der Asylbewerberzugänge".

Auch Ursula Gräfin Praschma vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) begrüßte den Gesetzentwurf. Davon werde ein Signal ausgehen, das zu einer Verminderung der unberechtigten Asylantragstellungen führen werde. Sie verwies darauf, dass viele Migranten aus den drei Maghreb-Staaten nicht zur Antragsstellung beziehungsweise zur Anhörung erschienen. Dies habe Zweifel aufkommen lassen, "ob hier das Begehren nach internationalem Schutz tatsächlich im Vordergrund" stehe.

Wiebke Judith von der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagte demgegenüber, dass es in den drei Ländern staatliche Repression aufgrund politischen Überzeugungen gebe. Amnesty International habe sowohl in Tunesien als auch in Marokko die Anwendung von Folter dokumentiert. Auch werde in den drei Maghreb-Staaten Homosexualität kriminalisiert. Die "schweren Menschenrechtsverletzungen" in Algerien, Marokko und Tunesien widersprächen einer Bestimmung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten. Bereits die Anwendung von Folter und die Verfolgung von Homosexualität müssten einer solchen Einstufung entgegenstehen.

Auch Rechtsanwalt Reinhard Marx aus Frankfurt am Main verwies auf Berichte über Folter in Marokko und Tunesien. Mit Blick auf Algerien gebe es "eine große Vermutung", das es dort in Polizeihaft zu extralegalen Hinrichtungen gekommen sei. Auch sei festgestellt worden, dass nicht hinreichend vor sexueller Gewalt geschützt und homosexuelle Handlungen nicht nur in Einzelfällen strafrechtlich verfolgt würden.

Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz sagte, maßgeblich für sichere Herkunftsstaaten sei im Kern die Abwesenheit von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Maßstab dabei sind Thym zufolge laut Asylqualifikationsrichtlinie "schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte" und damit "mehr als eine einfache Menschenrechtsverletzung". Dabei bleibe jedoch eine Einzelfallprüfung auch nach einer Einstufung als sicherer Herkunftsstaat möglich.

*

2. Steuervertrag mit den Niederlanden

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden soll geändert werden. Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 11. Januar 2016 zur Änderung des Abkommens vom 12. April 2012 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (18/8208) vor. Bisher stand das Besteuerungsrecht für Vergütungen des Personals an Bord von Schiffen und Flugzeugen dem Vertragsstaat zu, in dem das Bordpersonal ansässig ist. In Zukunft können Vergütungen des Bordpersonals auch in dem Land besteuert werden, in dem sich die Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das das Schiff oder Flugzeug betreibt. Mit der Änderung werde das Doppelbesteuerungsabkommen an die Vorschriften des OECD-Musterabkommens angepasst, schreibt die Regierung.

*

3. Wege zu mehr Barrierefreiheit

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Die geplante Neufassung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) geht in die richtige Richtung, aber es gibt dennoch Grund zum Nachbessern. Zu diesem Fazit kamen die Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag. Gegenstand waren der Entwurf (18/7824) der Bundesregierung für eine Änderung des BGG, sowie zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke (18/7877; 18/7874), in denen sich beide Fraktionen für eine stärkere Verpflichtung der Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit stark machen. Der Entwurf der Bundesregierung enthält zahlreiche Vorgaben zum barrierefreien Bauen und barrierefreien Informationsangeboten für den Bereich des öffentlichen Rechts und der Bundesverwaltung.

Elisabeth Fix vom Deutschen Caritasverband begrüßte, dass im künftigen BGG Regelungen zur Leichten Sprache aufgenommen werden sollen. Kritisch sei jedoch, dass das Gesetz sich zu stark auf die Belange von Menschen mit Sinnesbehinderungen konzentriere und die Belange der Menschen mit geistiger oder seelischer Beeinträchtigung nicht genügend berücksichtige, sagte Fix.

Torsten Mertins, Vertreter des Deutschen Landkreistages, begrüßte das geplante Schlichtungsverfahren. Dieses soll künftig Verbandsklagen, die sich gegen einen Träger öffentlicher Gewalt richten, vorgeschaltet werden und auch für Einzelpersonen zur Verfügung stehen. Ihm fehle allerdings eine realistische Finanzierungseinschätzung für die Umsetzung der Vorgaben zur Leichten Sprache, so Mertins.

Andreas Bethke vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband kritisierte den Gesetzentwurf vor allem mit Blick auf die fehlende Verpflichtung der Privatwirtschaft. Es sei eine gesetzliche Regelung nötig, die gewerbsmäßige Anbieter von Produkten und Dienstleistungen im Internet dazu verpflichte, ihre Angebote so zu gestalten, dass sie grundsätzlich für alle Menschen nutzbar seien, merkte Bethke an. Ähnlich argumentierte Volker Sieger vom Sozialverband VdK Deutschland. Er bezeichnete den Entwurf als "Spartengesetz" für öffentliche Träger. Das Instrument der Zielvereinbarung tauge nicht dazu, Barrierefreiheit auch im Privatsektor durchzusetzen, sagte er. Positiv bewertet wurde dieses Instrument dagegen von Robert Richard, Vertreter des Arbeits- und Sozialministeriums Sachsen-Anhalt. Zielvereinbarungen könnten durchaus Impulse bei der Entwicklung von Barrierefreiheit auch bei den Privaten auslösen, sagte er. Klaus-Peter Wegge vom Siemens- Kompetenzzentrum für behindertengerechte Technologien, nannte es begrüßenswert, wenn das BGG neben der Zielvereinbarung auch eine Selbsterklärung der Unternehmen in Bezug auf die Konformität von Produkten und Dienstleistungen zu anerkannten Normen der Barrierefreiheit ermöglichen würde.

*

4. Zentrales Transplantationsregister geplant

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Mit der Errichtung eines bundesweiten Transplantationsregisters soll die Organspendenpraxis in Deutschland transparenter werden. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8209) liegt jetzt dem Bundestag zur Beratung vor. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Es soll in diesem Jahr in Kraft treten.

In dem Register sollen transplantationsmedizinische Daten zentral gebündelt werden. Die Novelle soll dazu beitragen, die transplantationsmedizinische Versorgung in Deutschland zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Derzeit werden die Daten zur Transplantationsmedizin dezentral gespeichert. Während des Verfahrens werden nach unterschiedlichen Vorgaben Daten zum Organspender, zum Spenderorgan, zum Organempfänger, zum Vermittlungsverfahren sowie zur Transplantation, Behandlung und Nachsorge des Empfängers und des lebenden Spenders gespeichert. Mit dem neuen Gesetz sollen diese Daten nun an einer Stelle zusammengeführt und überprüft werden.

Das Transplantationsregister soll künftig etwa Informationen darüber geben, welches Spenderorgan zu welchem Empfänger am besten passt und damit auch dazu beitragen, die Kriterien für Wartelisten und die Verteilung der Spenderorgane weiterzuentwickeln.

In einer unabhängigen Vertrauensstelle werden die personenbezogenen Daten pseudonymisiert, bevor sie an das Register gehen. Die Transplantationsregisterstelle und die Vertrauensstelle werden vom Datenschutzbeauftragten kontrolliert. Die Daten verstorbener Organspender werden im Register dauerhaft gespeichert. Die Daten der Empfänger und der lebenden Organspender dürfen nur dann übermittelt dauerhaft gespeichert werden, wenn Spender und Empfänger vorher eingewilligt haben.

Derzeit warten mehr als 10.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan, wobei die gespendeten Organe bei weiten nicht ausreichen, um allen Patienten zu helfen. Nach Skandalen mit manipulierten Wartelisten an einigen deutschen Kliniken soll mit dem Gesetz auch das Vertrauen in die Organspende wieder gestärkt werden. Infolge der Skandale war seit 2012 die Zahl der Organspender deutlich zurückgegangen.

*

5. Polizei- und Zolleinsätze im Ausland

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Polizei- und Zolleinsätze im Ausland" thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/8198). Unter anderem wollen die Abgeordneten wissen, wie die Bundesregierung die politische und militärische Gefährdungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten bewertet.

*

6. Rechtsextreme Demonstrationen

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Rechtsextreme Demonstrationen im ersten Quartal 2016 sind Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/8196). Unter anderem wollen die Abgeordneten wissen, wie viele öffentliche Auftritte der extremen Rechten in diesem Zeitraum stattfanden und bei welchen es zu Straftaten kam.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 234 - 25. April 2016 - 16.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang