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BUNDESTAG/5703: Heute im Bundestag Nr. 217 - 15.04.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 217
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 15. April 2016, Redaktionsschluss: 11.54 Uhr

1. Keine dritte Person bei NSU-Selbstmorden
2. Linke für sanktionsfreie Mindestsicherung
3. Grüne wollen Grundsicherung vereinfachen


1. Keine dritte Person bei NSU-Selbstmorden

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

Berlin: (hib/rik) Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich an oder in dem Wohnmobil, in dem sich die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Mittag das 4. November 2011 durch Kopfschüsse das Leben nahmen, noch eine weitere Person aufgehalten hat. Das sagten in der jüngsten Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses (NSU II) unter Vorsitz von Clemens Binninger (CDU) ein Kriminalbeamter und eine Kriminalbeamtin aus Thüringen. Kriminaloberkommissar Michael Lotz und Kriminalhauptkommissarin Sylvia Michel, die damals mit der Spurensicherung am Tatort befasst waren, gaben als Zeugen an, dass eine solche dritte Person aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht unerkannt hätte entkommen können. Auch im Wohnmobil selbst, dessen Innenraum aufgrund eines von Böhnhardt und Mundlos gelegten Feuers stark zerstört war, hätten sich keine Hinweise auf die Anwesenheit einer weiteren Person gefunden.

Etwas unterschiedliche Einschätzungen gab es vor dem Ausschuss zu der Frage, ob durch den umstrittenen Abtransport des Wohnmobils noch am 4. November 2011 in eine Wagenhalle der Eisenacher Polizei Spuren beeinträchtigt wurden. Während Lotz und Michel sagten, dass sie diese Lösung nicht für optimal gehalten hätten, es aber kaum sinnvolle Alternativen gegeben hätte, bestritt der damals aus Gotha zur Spurensicherung nach Eisenach abgeordnete Kriminaloberkommissar Gerd Sopuschek, dass durch den Transport in größerem Umfang Spuren verwischt worden sein könnten. Er betonte, dass der Transport durch ein von der Polizei lizensiertes Abschleppunternehmen erfolgt sei. Sopuschek räumte ein, dass er bei der Spurensicherung in dem ausgebrannten Wohnmobil, mit der er am 5. November 2011 beauftragt war, vermutlich einige Bekenner DVDs des "Nationalsozialistischen Untergrunds" übersehen hat. Sie waren in zwei Rucksäcken verstaut und wurden vom Bundeskriminalamt erst einige Wochen später entdeckt. Gefunden habe er aber größere Mengen Bargeld, die sowohl aus dem Banküberfall am 4. November 2011 in Eisenach als auch aus früheren Banküberfällen von Böhnhardt und Mundlos stammten. Es gehört zu den vielen noch immer ungeklärten Fragen im NSU-Komplex, warum die beiden NSU-Täter so große Mengen Bargeld in dem Wohnmobil verstaut hatten, das von ihnen für den Überfall in Eisenach angemietet worden war.

Als letzter Zeuge des Tages wurde bis 21.40 Uhr Prof. Dr. Christian Hummert gehört, der 2011 IT-Experte des Thüringer Landeskriminalamtes war. Er berichtete davon, dass es bei der Auswertung von Computern aus dem NSU-Umfeld zu Unstimmigkeiten zwischen dem Thüringer LKA und dem Bundeskriminalamt gekommen sei. So habe man ihn zunächst mit der Entschlüsselung dieser Computer beauftragt. Nach kurzer Zeit und noch vor Abschluss seiner Arbeit sei aber die Anweisung erfolgt, dass er die Computer an das BKA abgeben müsse, da man sich dort um die Geräte kümmern wolle. Auf Nachfrage von Peter Pau (Linke) sagte Hummert, dass in der rechtsradikalen Szene Computer sehr professionell verschlüsselt würden, um sie auf diese Weise "bullensicher" zu machen, wie es im Jargon hieße. Auch bei einigen Computern von Personen aus dem NSU-Umfeld sei es bis heute nicht gelungen, die gespeicherten Daten zu entschlüsseln.

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2. Linke für sanktionsfreie Mindestsicherung

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Die Linke möchte die Gewährung des Existenzminimums verbessern und verlangt, dass eine Rechtsvereinfachung bei der Grundsicherung nicht auf Kosten der Betroffenen stattfindet. Dazu hat sie einen Antrag (18/8076) vorgelegt, in dem sie von der Bundesregierung verlangt, einen Gesetzentwurf vorzubereiten, mit dem das Hartz-IV-System abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden soll.

Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Regelung zu Ersatzansprüchen bei "sozialwidrigem Verhalten" und die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaften abzuschaffen. Nötig sei eine Orientierung am Individualprinzip, heißt es in dem Antrag. Abgesenkte Regelbedarfsstufen für Partner, Kinder und Jugendliche sollen abgeschafft und durch einen einheitlichen Regelsatz der Stufe 1 ersetzt werden. Außerdem soll es nach dem Willen der Linken keine Sonderregeln für unter 25-Jährige geben. Die Systeme der Ausbildungsförderung sollten so umgestaltet werden, dass ein ergänzender SGB-II-Anspruch nicht nötig ist. Bei getrennt lebenden Eltern soll ferner ein Mehrbedarf für den umgangsberechtigten Elternteil neu eingeführt werden. Zu weiteren Forderungen zählen die Abschaffung der Zwangsverrentung von SGB-II-Leistungsberechtigten und ein Ende des Sonderverwaltungsrechts im SGB II wie auch eine Erhöhung der Verwaltungsetats der Jobcenter.

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3. Grüne wollen Grundsicherung vereinfachen

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte die Grundsicherung einfacher gestalten und die Jobcenter entlasten. Sie hat dazu einen Antrag (18/8077) vorgelegt, in dem sie beklagt, dass staatliche Leistungen zur Mindestsicherung in zu vielen verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelt seien und diese Unübersichtlichkeit die Mitarbeiter in Jobcentern, Beratungsstellen und Gerichten zu stark belaste.

Die Grünen verlangen deshalb einen Gesetzentwurf, der das Leistungsrecht im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vereinfacht. Zum einen sollen die der Grundsicherung vorgelagerten Sicherungssysteme gestärkt werden, um zu verhindern, dass bestimmte Gruppen gar nicht erst in den Bereich des SGB II fallen, die dort nach Ansicht der Grünen nicht hingehören. Dazu zählen die Grünen unter anderem Familien, die nur bedürftig werden, weil sie Kinder haben, Erwerbstätige, deren Wohnkosten zu hoch sind oder Auszubildende, deren Bafög nicht ausreicht.

Die Grünen verlangen darüber hinaus, dass die Einkommensanrechnung von Partnern in Paarhaushalten wie bei der Sozialhilfe oder der Grundsicherung im Alter erfolgt und dadurch nur noch die Person vom Jobcenter betreut wird, die für sich kein existenzsicherndes Einkommen erzielt. Sonderregeln bei den Sanktionen für unter 25-Jährige sollen abgeschafft und die Kosten für Unterkunft und Heizung von Sanktionen ausgenommen werden. Das Bildungs- und Teilhabepaket soll nach Ansicht der Grünen abgeschafft und durch Leistungen im Regelsatz oder kostenlose Sachleistungen ersetzt werden. Ferner fordern die Grünen eine Bagatellgrenze für Rückzahlungs- und Ersatzansprüche. Bei Kindern, die zwischen den getrennt lebenden Haushalten ihrer Eltern wechseln, soll eine unbürokratische und bedarfsdeckende Lösung für ihre Bedarfe eingeführt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 217 - 15. April 2016 - 11.54 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2016

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