Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/5275: Heute im Bundestag Nr. 475 - 24.09.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 475
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 24. September 2015, Redaktionsschluss: 15.36 Uhr

1. Zeuge berichtet über Selektoren-Pflege
2. Grüne: Mehr Rechte für Flüchtlingskinder
3. Linke: Kinderrechte ins Grundgesetz
4. Digitalisierung zum Vorteil der Patienten


1. Zeuge berichtet über Selektoren-Pflege

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Erst mit anderthalbjähriger Verspätung hat der Bundesnachrichtendienst (BND) die Kontrollen verschärft, um in der Kooperation mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) die Ausspähung europäischer Partner auszuschließen. Dies ergab sich am Donnerstag aus der Befragung eines Sachbearbeiters der Abteilung "Technische Aufklärung" durch den 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Der Zeuge K.M. hatte nach einer Dolmetscherausbildung im Oktober 1988 mit damals 26 Jahren beim BND angeheuert. Er bearbeitete hier zunächst fremdsprachliche Nachrichten und wechselte Anfang 1990 zur sogenannten "Wortbank-Gruppe", die den Bestand der bei der bei der Überwachung des Fernemeldeverkehrs benutzten Selektoren betreut.

Mittte März dieses Jahres, berichtete der Zeuge, habe sich sein Arbeitsalltag in einigen Punkten verändert. Unter anderem werde eine Liste mit Begriffen, die der Identifizierung politisch unerwünschter, weil deutschen und europäischen Interressen zuwiderlaufender Suchmerkmale dient, seither nicht mehr wöchentlich, sondern täglich aktualisiert. Bereits im August 2013 hatten BND-Mitarbeiter festgestellt, dass in der mit der NSA betriebenen Abhöranlage Bad Aibling auch Selektore eingespeist waren, die europäische Ziele betrafen. Doch erst im März 2015 hatten BND-Spitze und Kanzleramt davon Kenntnis erlangt; einen Monat später erfuhr es die Öffentlichkeit.

Seit 25 Jahren ist es die Aufgabe des Zeugen, neue Selektoren in den Datenbestand einzugeben und von Partnerdiensten zugelieferte Suchmerkmale auf ihre Vereinbarkeit mit der deutschen Rechtslage zu prüfen. Dem Ausschuss erklärte er den Unterschied zwischen "formalen" und "inhaltlichen" Selektoren. Die erste Kategorie umfasse Telefonnummern, Mail- oder IP-Adressen, die zweite bestimmte Schlüsselwörter, deren Erfassung dazu führt, dass eine überwachte Kommunikation gespeichert wird, etwa "Terror" oder "Bombe". Freilich: "Wir hatten schon mal das Wort 'Bombe' drin. Das war ein großer Reinfall, weil auch 'Sexbombe" getroffen hat."

Wichtigste Prüfaufgabe des Zeugen ist die "G10-Erkennung", die gewährleisten soll, dass bei der Überwachung des Datenverkehrs der Schutz des Fernmeldegeheimnisses unverdächtiger Deutscher gewahrt bleibt. Detailliert erläuterte er das dreistufige Verfahren. In einem ersten Durchgang werden alle Selektoren ausgeschieden, die auf den ersten Blick Deutschen zuzuordnen sind, etwa Festnetznummern mit der Vorwahl "49", Mobilfunknmmern mit der Kombination "262" oder Mailadressen mit der Kennung "de".

In der zweiten Stufe werden Suchmerkmale geprüft, die nicht so einfach zu identifizieren sind wie Mailadressen mit der Endung "com" oder "net". Der BND verfügt über eine Datenbank mit solchen Selektoren, die bei irgendeiner Gelegenheit als G10-relevant aufgefallen sind. Sie werde "anlassbezogen" ergänzt, also immer dann, wenn eine bisher unbekannte Adresse oder Nummer einem deutschen Grundrechtsträger zugeordnet werden kann. Bei der Einführung der automatischen Selektorenprüfung in der BND-Zentrale seien hier etwa 15.000 Begriffe gespeichert gewesen, heute seien es schätzungsweise 30.000.

Die dritte Stufe erfasst Selektoren, die durch ergänzende Kommentare des Partnerdienstes, der sie zuliefert, möglicherweise als G10-relevant zu identifizieren sind. Allerdings: "Eine G10-Erkennung kann nie allumfassend sein", räumte der Zeuge ein, Und europäische Ziele seien erst seit März 2015 in nenneswerter Anzahl in der Datenbank gespeichert.

*

2. Grüne: Mehr Rechte für Flüchtlingskinder

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gemäß der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen sichert (18/5932). Der bereits von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf (18/5921) komme den Prämissen der Kinderrechtskonvention bezüglich Versorgung, Unterbringung und Betreuung "nicht vollumfänglich" nach. Die Grünen monieren, dass die Überprüfung der Interessen und Bedürfnisse der Flüchtlingskinder nicht festgeschrieben sei, zudem gebe es keine Standards für Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten.

Die Grünen fordern die Regierung zudem auf, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen ein Netzwerk von Übersetzern und Therapeuten aufzubauen. Nur wenn Kinder sich in ihrer Muttersprache ausdrücken können, sei es möglich, sie auch angemessen zu beteiligen. Zudem regen sie den Aufbau von Schwerpunktjugendämtern an, in denen die Kompetenzen im Umgang mit Flüchtlingskindern gebündelt werden.

*

3. Linke: Kinderrechte ins Grundgesetz

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Die Linke will die Rechte von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gemäß der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen im Grundgesetz verankern. In ihrem Antrag (18/6042) fordert sie die Bundesregierung deshalb auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zudem soll das Amt eines unabhängigen Bundeskinderbeauftragten in die Verfassung aufgenommen werden. Dieser soll bei allen Gesetzesvorhaben und Entscheidungen, die Kinder betreffen, darauf hinwirken, dass die UN-Kinderrechtskonvention beachtet wird, auf Verletzungen der Kinderrechte aufmerksam machen und dem Bundestag einen jährlichen Bericht über seine Arbeit und ihre Ergebnisse vorlegen. Ihm soll zudem ein Akteneinsichts- und Anhörungsrecht gegenüber staatlichen Einrichtungen sowie ein Amtshilferecht eingeräumt werden, um Kinder mit ihren Beschwerden gegenüber Bundesbehörden, Bundesgerichten, dem UN-Kinderrechtsausschuss und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertreten zu können.

Nach Ansicht der Linksfraktion hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention bis heute noch nicht konsequent und vollständig umgesetzt. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes habe diesbezüglich wiederholt gravierende Mängel festgestellt.

*

4. Digitalisierung zum Vorteil der Patienten

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Die Digitalisierung im Gesundheitswesen muss nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sicher und im Dienste der Patienten gestaltet werden. In einem Antrag (18/6068) an den Bundestag heißt es, Patienten wünschten sich, dass moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt würden, um Fehlmedikationen oder Doppeluntersuchungen zu vermeiden.

Chronisch Kranke erhofften sich durch telemedizinische Verfahren eine bessere Versorgung. Die Patienten wollten zugleich einen selbstbestimmten Zugang zu ihren Gesundheitsdaten.

Deutschland hinke beim Aufbau einer sicheren Telematikinfrastruktur zur elektronischen Vernetzung der Gesundheitsberufe im internationalen Vergleich hinterher. Viel zu lange habe die Bundesregierung dabei zugeschaut, wie innerhalb der Selbstverwaltung der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) die Entwicklung mit oft fragwürdigen Argumenten verzögert worden sei.

Nötig sei ein gesetzlicher Rahmen, der den Aufbau einer zukunftsfähigen öffentlichen Infrastruktur zur digitalen Kommunikation im Gesundheitswesen ermögliche und über den E-Health-Gesetzentwurf der Bundesregierung hinausgehe.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag konkret mehr Mitgestaltungsrechte für Patientenvertreter, höchstmögliche Datensicherheit, eine Ausdehnung der Telematikinfrastruktur auf andere Gesundheitsberufe wie etwa die Pflege sowie ein Prüfsiegel für Gesundheits-Apps.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 475 - 24. September 2015 - 15.36 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang