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BUNDESTAG/5114: Heute im Bundestag Nr. 315 - 17.06.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 315
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 17. Juni 2015, Redaktionsschluss: 13.00 Uhr

1. Ausschuss beschließt Präventionsgesetz
2. Wahlalter wird nicht auf 16 Jahre gesenkt
3. Nobelpreisträger: Es geht um die Köpfe


1. Ausschuss beschließt Präventionsgesetz

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/PK) Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat das Präventionsgesetz der Bundesregierung (18/4282) beschlossen. Für die in den Ausschussberatungen an einigen Stellen veränderte Vorlage votierten am Mittwoch die Regierungsfraktionen von Union und SPD. Die Opposition von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen votierte dagegen. Am Donnerstag (18. Juni) soll der Entwurf im Bundestag verabschiedet werden.

Mit Hilfe der Prävention sollen lebensstilbedingte "Volkskrankheiten" wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Schwächen oder Adipositas eingedämmt und die Menschen zu einem gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung gebracht werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Gesundheitsförderung und Prävention auf jedes Lebensalter und in alle Lebensbereiche auszudehnen, in die sogenannten Lebenswelten. Eingebunden sind neben der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung (GKV/PKV) auch die Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung.

Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung werden konkret mehr als verdoppelt, von 3,09 Euro auf 7 Euro jährlich für jeden Versicherten ab 2016. Somit könnten die Krankenkassen künftig jährlich mindestens rund 490 Millionen Euro im Jahr für den Zweck investieren. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen in Höhe von rund 21 Millionen Euro stehen damit künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für präventive und gesundheitsfördernde Leistungen bereit.

So sollen gerade kleine und mittelständische Betriebe über ausgeweitete Leistungen der Krankenkassen mehr für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun. Dazu soll die betriebliche Gesundheitsförderung stärker mit dem Arbeitsschutz verflochten werden. Wer im Beruf oder in der Familie besonders belastet ist, soll von Verbesserungen profitieren. So sollen etwa Schichtarbeiter oder pflegende Angehörige bestimmte Präventionsangebote leichter in Anspruch nehmen können. Um den Anreiz hierfür zu stärken, soll die Obergrenze des täglichen Krankenkassenzuschusses von 13 Euro auf 16 Euro für Versicherte sowie von 21 Euro auf 25 Euro für chronisch kranke Kleinkinder erhöht werden.

Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen zu präventiven Gesundheitsuntersuchungen weiterentwickelt werden, wobei individuelle Belastungen und Risikofaktoren, die zu einer Krankheit führen können, genauer überprüft werden. Zur Beratung gehört die Klärung des Impfstatus. Vorgesehen ist, dass bei der Aufnahme von Kindern in eine Kita die Eltern eine ärztliche Beratung zum Impfschutz nachweisen müssen.

Im Rahmen einer Nationalen Präventionskonferenz sollen sich die Sozialversicherungsträger unter Beteiligung des Bundes, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände und Sozialpartner auf Ziele und ein Vorgehen verständigen. Die private Kranken- und Pflegeversicherung soll die Möglichkeit erhalten, sich an der Beratung zu beteiligen.

Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss hatten Experten die Vorlage im Grundsatz begrüßt, den Ansatz aber als nicht weitreichend genug bewertet. Gesundheitsförderung und Vorbeugung müssten als Querschnittsaufgabe verstanden und in allen Gesellschaftsbereichen gezielt verankert werden. Scharf kritisiert wurden die aus Expertensicht unzureichende Einbindung der PKV sowie die herausgehobene Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Ab 2016 sollen rund 35 Millionen Euro pro Jahr von den Krankenkassen an die BZgA fließen. Experten äußerten bei der Anhörung Zweifel, ob diese Konstruktion sinnvoll und rechtlich haltbar ist, handele es sich doch nicht um Steuergelder, sondern Beitragsmittel der Versicherten. Die Bundesregierung kann hingegen keine Quersubventionierung der BZgA erkennen. Eine Finanzierung der BZgA durch GKV-Mittel sei nicht vorgesehen. Auch aus der Beauftragung der BZgA durch den GKV-Spitzenverband ergäben sich "keine Anhaltspunkte für etwaige verfassungsrechtliche Bedenken", teilte die Regierung in ihrer Antwort (18/4945) auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion mit.

Die Opposition hat eigene Anträge zu dem Gesetzentwurf eingebracht, die im Ausschuss keine Mehrheit fanden. Ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/4322) zielt auf die "Verminderung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit" ab, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag (18/4327) "Gerechtigkeit und Teilhabe durch ein modernes Gesundheitsförderungsgesetz".

Vertreter von Union und SPD würdigten im Ausschuss den Lebenswelten-Ansatz im Gesetz. Die Menschen müssten mit den Vorsorgeangeboten dort erreicht werden, wo sie leben und arbeiten. Das Gesetz biete dazu eine gute Grundlage und könne in den nächsten Jahren hinsichtlich der Finanzierung und Inhalte auch noch weiterentwickelt werden.

Die Opposition sieht hingegen den Lebenswelten-Bezug nicht konsequent umgesetzt. Es sei gut, dass nun Geld für die Gesundheitsförderung und Prävention bereitgestellt werde, hieß es von Linken und Grünen. Jedoch sei fraglich, ob sozial benachteiligte Menschen von den neuen Angeboten überhaupt erreicht würden. Problematisch sei auch die lediglich freiwillige Einbindung der PKV.

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2. Wahlalter wird nicht auf 16 Jahre gesenkt

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist mit ihrer Forderung nach einer Senkung des Wahlalters auf 16 Jahren bei Bundestags- und Europawahlen sowie der Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz gescheitert. Den Antrag der Grünen für mehr Partizipationsrechte von Kindern und Jugendlichen (18/3151) lehnte der Familienausschuss am Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen das Votum der Grünen und der Linksfraktion ab.

Die Grünen fordern in ihrem Antrag zudem die Einrichtung einer unabhängigen Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und die Vorlage eines Nationalen Aktionsplanes für Kinder- und Jugendbeteiligung durch die Bundesregierung. Ebenso müsste die Realisierung kindgerechter Lebensbedingungen und jugendlicher Beteiligungsverfahren im Bundesbaugesetz verankert werden.

Die Linksfraktion unterstützte die Forderungen der Grünen und kündigte an, auch in Zukunft ähnliche Anträge zu stellen, um die Koalition zu einem Umdenken zu bewegen. Die SPD forderte sie auf, dem Antrag zuzustimmen, da sie in zurückliegenden Legislaturperioden die gleichen Forderungen erhoben habe.

Die SPD räumte zwar ein, dass sie die Forderungen nach einer Senkung des Wahlalters und nach Kinderrechten im Grundgesetz inhaltlich unterstütze. Aber mit dem Koalitionspartner CDU/CSU sei darüber derzeit keine Einigung herbeizuführen. Deshalb müsse die Fraktion den Antrag "leider" ablehnen.

Die Union kritisierte, dass der Antrag zum Teil in die föderale Ordnung eingreife und Forderungen erhebe, die nicht in der Regelungskompetenz des Bundes sondern der Länder und Kommunen liege. Der Antrag zeuge vom Misstrauen der Grünen gegenüber den Kommunen und den Verantwortlichen vor Ort. Verhandlungsbereitschaft signalisierte sie hingegen in der Frage einer Monitoringstelle oder eines Kinderbeauftragten. Darüber werde in der Koalition derzeit beraten. Diesen Beratungen wolle man nicht vorgreifen.

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3. Nobelpreisträger: Es geht um die Köpfe

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/HAU) Der Nobelpreisträger für Chemie 2014 und Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie Göttingen, Professor Stefan Hell, fordert mehr Flexibilität in der Wissenschaftsförderung um "jungen Wilden" eine Chance zu geben. In der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch plädierte Hell für einen Kompromiss zwischen dem Anspruch auf Planungssicherheit für Forscher und einer dringend benötigten Flexibilität.

Der Physiker, der den Nobelpreis für das von ihm entwickelte Verfahren zur Mikroskopie erhielt, mit dem kleinste Strukturen in lebenden Zellen sichtbar gemacht werden können, verwies auf seine eigene Entwicklung. So habe er viele Umwege gehen müssen, weil in den 1990-Jahren in der deutschen Wissenschaftslandschaft kaum Stellen für junge Forscher zur Verfügung gestanden hätten, da diese zumeist unbefristet besetzt gewesen seien. Anderseits habe es ihm auch viel Energie geraubt, "von Stipendium zu Stipendium hangeln zu müssen". Erst als er eine auf fünf Jahre befristete Stelle am Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie Göttingen erhalten habe, sei es ihm gelungen, nachzuweisen, dass das bis dahin bekannte Auflösungslimit für Lichtmikroskope zu umgehen sei.

Hell forderte die Abgeordneten auf "in Köpfe zu investieren". Es seien die Köpfe, die in der Wissenschaft den Unterschied ausmachen würden, nicht die Laborausstattungen. Die Forschungs-Infrastruktur sei in Deutschland hervorragend. "Was wir im Max-Planck Institut bieten, kann die Harvard-Universität partiell nicht zur Verfügung stellen", sagte er. Es gehe nun darum, dafür zu sorgen, "dass die fähigsten Leute diese Struktur auch nutzen können". Sie benötigten eine angemessene Frist, um Risiken eingehen zu können. In Göttingen, so Hell, biete man den jungen Wissenschaftlern auf mindestens fünf Jahre befristete Verträge an. Zementieren dürfe man in der Forschung aber nichts. Stattdessen benötige man für den Fall, dass die Forschung nicht das erhoffte Ergebnis gezeigt hat, einen "ehrbaren Abbruch". Die Politik könne helfen dafür zu sorgen, dass denjenigen, die nicht die ganz großen Entdeckungen schaffen, aber dennoch wichtige "Know-how-Träger" seien, leichter eigene Unternehmungen ausgründen oder ihren Weg in die Wirtschaft finden können. In keinem Falle dürfe in solchen Fällen von "gescheiterten Existenzen" geredet werden, befand er.

Was die Exzellenzinitiative der Bundesregierung angeht, so sagte Hell, aus seiner Sicht sind Exzellenzforscher jene, die fundamentale Entdeckungen machen. "Das sind eher wenig Leute die früh identifiziert und gefördert werden müssen", sagte er. Das sei im Übrigen auch von hoher Bedeutung für die Wirtschaft, die der Nobelpreisträger als "zunehmend wissenschaftsgetrieben" bezeichnete. Angesichts fundamentaler Entdeckungen in vielen Bereichen, müssten ganze Wirtschaftszweige um ihre Existenz fürchten, wenn sie sich den wissenschaftlichen Entwicklungen verweigerten, prognostizierte Hell.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 315 - 17. Juni 2015 - 13.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2015

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