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BUNDESTAG/5102: Heute im Bundestag Nr. 303 - 12.06.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 303
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 12. Juni 2015, Redaktionsschluss: 09.50 Uhr

1. Fall Edathy: Neue Widersprüche
2. Umweltausschüsse beraten über COP 21
3. Stärkung der Kultur im ländlichen Raum
4. Menschenrechte in Aserbaidschan


1. Fall Edathy: Neue Widersprüche

2.Untersuchungsausschuss (Edathy)

Berlin: (hib/PST) Der 2. Untersuchungsausschuss stößt beim Versuch, die Informationsflüsse im Zusammenhang mit den Kinderporno-Ermittlungen gegen den einstigen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy aufzuklären, auf immer neue Ungereimtheiten. Das betrifft sowohl die Vorgänge in der niedersächsischen Justiz, zu denen am Donnerstag zwei Zeugen aussagten, als auch die Bundespolitik, zu der die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin (1. PGF) der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, sowie in nichtöffentlicher Sitzung der Büroleiter von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gehört wurde.

Bereits am Mittwochabend hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgesagt, ihn habe der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann am 10. Februar 2014 gegen 18 Uhr über die gerade erfolgte Durchsuchung der Wohn- und Büroräume Edathys in Niedersachsen informiert. Zu diesem Zeitpunkt war darüber noch nichts in der Öffentlichkeit bekannt. Am Donnerstagmorgen erhielt der 2. Untersuchungsausschuss vom Rechtsanwalt Hartmanns die Kopie eines Schreibens an die Berliner Staatsanwaltschaft, die Vorermittlungen wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat durch Hartmann führt. Darin schreibt der Anwalt, Hartmann habe am Rande der am 10. Februar 2014 um 16 Uhr tagenden Sitzung des erweiterten Fraktionsvorstands der SPD von der Durchsuchung erfahren. Er vermute, dass die Information aus der niedersächsischen SPD stammte, da auch ein Wahlkreisbüro Edathys durchsucht worden war.

Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses fragten nun Lambrecht, ob sie dort auch diese Information bekommen habe. Lambrecht antwortete, sie habe ein wichtiges Projekt für die neue Legislaturperiode vorgestellt und nichts von Gesprächen am Rande mitbekommen. Erst später sei sie vom Pressesprecher der Fraktion über die Durchsuchung informiert worden. Ausschussmitglieder mehrerer Fraktionen ließen in ihren Fragen Zweifel erkennen, ob es Lambrecht entgangen sein könnte, wenn auf der Sitzung eine solche Information kursiert hätte. Aufgrund früherer Zeugenaussagen halten sie es für nahezu sicher, dass Hartmann eine andere Quelle hatte, die ihn über Schritte der niedersächsischen Ermittler informierte.

Lambrecht berichtete dem Ausschuss, sie habe einen oder zwei Tage nach ihrer Wahl zur 1. PGF am 16. Dezember 2013 vom neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann unter dem Siegel der Vertraulichkeit erfahren, dass im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderporno-Vertrieb der Name Sebastian Edathy aufgetaucht sei. Zwar sei das von Edathy bestellte Material nicht strafbar, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass es dennoch zu einem Verfahren kommt, habe Oppermann ihr erläutert. Die Information sei über den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an SPD-Chef Sigmar Gabriel und weiter an den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und an ihn gelangt. Weiterhin habe Oppermann berichtet, dass der damalige innenpolitische Sprecher Michael Hartmann ihn auf den schlechten Gesundheitszustand Edathys angesprochen habe und er Hartmann daraufhin beauftragt habe, sich um Edathy zu kümmern. Auf Nachfrage sagte Lambrecht, für sie sei aus dem Zusammenhang klar gewesen, dass Oppermann Hartmann keinen Hinweis auf den Verdacht gegen Edathy gegeben hat. Oppermann selbst soll am Donnerstag, 18. Juni, vom 2. Untersuchungsausschuss gehört werden, ebenso wie Friedrich, Gabriel und Steinmeier.

Der 2. Untersuchungsausschuss vernahm am Donnerstag außerdem Generalstaatsanwalt Frank Lüttig aus Celle. Er hat die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft Hannover, welche gegen Edathy ermittelt hatte. Wie schon die früher vernommenen Hannoveraner Staatsanwälte rechtfertigte Lüttig die dreimonatige Dauer des Ermittlungsverfahrens damit, dass man wegen der dünnen Verdachtslage nicht vorschnell durchsuchen wollte, zumal dies angesichts der Prominenz Edathys leicht öffentlich werden und damit zur Vernichtung seiner Existenz hätte führen können. Man habe aber auch nicht, wie einige andere Staatsanwaltschaften bei vergleichbarer Verdachtslage, das Verfahren kurzerhand einstellen wollen. Deshalb habe man sich zu einer sorgfältigen Prüfung des Anfangsverdachts entschlossen.

Für große Überraschung sorgte die Aussage Lüttigs, er sei sich ziemlich sicher, dass er kurz nach Erhalt der Ermittlungsakte Edathy am 31. Oktober 2013 den zuständigen Referatsleiter im niedersächsischen Justizministerium, Thomas Hackner, unterrichtet hat. Hackner habe dann angekündigt, den Staatssekretär zu informieren. Allerdings habe er nur einen Vermerk über ein zweites Gespräch mit Hackner am 28. Januar 2014, nachdem der Entschluss zur Durchsuchung gefallen war. Er habe angeboten, zu einem Vortrag ins Ministerium zu kommen, was bei derartigen Verfahren üblich sei, aber zu seiner Überraschung habe Hackner das abgelehnt. In einem späteren Stadium des Verfahrens habe er dann festgestellt, dass es mehrere direkte Gespräche zwischen dem Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, und dem damaligen Staatssekretär im Justizministerium, Wolfgang Scheibel, gegeben habe, zu denen er nicht hinzugezogen und auch nicht darüber informiert worden sei. Auch von der Pressekonferenz am 14. Februar 2014 über das Verfahren gegen Edathy habe er erst nichts gewusst. Man habe ihn bewusst heraushalten wollen, sagte Lüttig und deutete parteipolitische Motive an.

Mit den Aussagen Lüttigs konfrontiert, zeigte sich die Niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Bündnis 90/Die Grünen) überrascht. Wenn es zutreffen sollte, dass Lüttig bereits Anfang November ihr Haus informiert hat, "würde mich das auch menschlich erschüttern", denn sie habe davon nie erfahren, sagte Niewisch-Lennartz. Sie habe erst am 29. Januar 2014 Kenntnis von dem Verfahren gegen Edathy bekommen und immer angegeben, unter anderem mehrfach vor dem Landtag in Hannover, dass das Justizministerium keine frühere Kenntnis gehabt habe. Einige Ausschussmitglieder überlegen nun, Hackner und Scheibel als zusätzliche Zeugen vor den Ausschuss zu laden. Vorhaltungen, niedersächsische Behörden könnten aus politischen Gründen die Ermittlungen gegen Edathy verschleppt haben, wies Niewisch-Lennartz zurück. Dafür gebe es "nicht den geringsten Anhaltspunkt", erklärte sie.

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2. Umweltausschüsse beraten über COP 21

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Berlin: (hib/AS) Sechs Monate vor Beginn des UN-Klimagipfels (COP 21) in Paris haben sich der Umweltausschuss des Bundestages und der Umweltausschuss der französischen Nationalversammlung in Berlin getroffen, um gemeinsam über die Energiepolitik in ihren Ländern und über Strategien für ein ambitioniertes UN-Klimaschutzabkommen zu beraten. "Die Voraussetzungen sind besser als vor (der UN-Klimakonferenz in, AdR) Kopenhagen", sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) vor Beginn der Sitzung. Ihr Amtskollege, der Vorsitzende des französischen Umweltausschusses, Jean-Paul Chanteguet (SRC), erklärte: "Wir sollten zweckoptimistisch sein" und verwies wie Höhn darauf, dass es ein stärkeres Bewusstsein für die Klimafrage gebe.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium (BMUB), Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) berichtete, dass auf dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau klare Botschaften für ein rechtlich verbindliches Klimaabkommen ausgegeben worden seien. "Diese Strahlkraft war nochmals wichtig", sagte sie. Mit Blick auf die UN-Klimakonferenz in Paris betonte sie, dass es sich um ein "zeitgemäßes und faires" Abkommen handeln müsse. Wichtig sei ein Rechtsinstrument mit verbindlichen Zielen, die auch überprüft werden könnten.

Eine Vertreterin der sozialistischen Fraktion (SRC) in der Assemblée nationale erinnerte daran, dass sich die entwickelten Nationen dazu verpflichtet hätten, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen. "Davon sind wir weit entfernt", sagte sie. Ihr Fraktionskollege berichtete, dass es in Frankreich Diskussion gebe, wie innovative Finanzinstrumente eingesetzt werden könnten. Außerdem verlangten viele Unternehmensbesitzer einen festen Preis für CO2-Zertifikate einzusetzen. Er stellte außerdem die Frage, ob das in Paris geplante Abkommen rechtlich, politisch oder ethisch verbindlich sein solle. Schwarzelühr-Sutter erklärte dazu, dass es wichtig sei, zu fragen, wie man die Staaten dazu bekomme, die dort vereinbarten Mechanismen zu akzeptieren. Auch der Vertreter der liberalen Fraktion (UDI) der französischen Nationalversammlung sagte, dass man zur Klimafinanzierung zusätzliche finanzielle Mittel benötige: "Wenn es keine signifikante Hilfe für arme Länder gibt, können sie nicht auf Kohle verzichten", sagte er.

Die CDU/CSU-Fraktion betonte, dass das deutsch-französische Treffen eine sehr gute Begleitung des Verhandlungsprozesses auf nationaler Ebene sei. Es sei zudem wichtig, dass das Emissionshandelssystem erhalten bleibe, wobei ein europäisches System nationalen Systemen vorzuziehen sei. Die SPD verwies darauf, dass in Deutschland und Frankreich im energiepolitischen Bereich eine andere Situation herrsche. In Deutschland sei Energiepolitik lange Strompolitik gewesen. Man habe sich entschieden, bis 2018 aus dem Steinkohlebergbau auszusteigen und es gebe momentan große Diskussionen über die Zukunft der Braunkohle in Deutschland. Es gehe jetzt um die Frage, wie man es schaffe, effektive Stromnetze zu realisieren und den Verkehrs- und Wärmebereich einzubeziehen.

Die Fraktion Die Linke sagte, sie sehe die Ergebnisse des G7-Gipfels weniger positiv, denn man müsse bedenken, dass es noch mehr als 80 Jahre bis zur Dekarbonisierung seien. Hinsichtlich des Emissionshandels sprach sich die Linke für höhere Preise für CO2-Zertifikate aus: "Ansonsten ist er gescheitert", warnte die Fraktion. Bündnis 90/Die Grünen erläuterten ihren französischen Kollegen, dass es nach der Diskussion um den Atomausstieg jetzt in Deutschland eine Debatte um den Kohleausstieg gebe. "Die Kohle gerät jetzt über die Klimadiskussion stärker in den Blick", sagten die Grünen. Sie verwiesen gleichzeitig darauf, dass der Klimawandel "Ungerechtigkeiten weiter verschärfen" werde. Der Klimawandel und der Atommüll seien Lasten für nachfolgende Generationen: "Dagegen sind die erneuerbaren Energien ein gutes Rezept".

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3. Stärkung der Kultur im ländlichen Raum

Kultur und Medien/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Förderung der Kultur im ländlichen Raum soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen weiterentwickelt werden. In ihrem gemeinsamen Antrag (18/5091) fordern CDU/CSU und SPD die Bundesregierung auf, besonders Regionen und Kommunen verstärkt zu unterstützen, die vom demographischen Wandel betroffen sind. Die vielfältigen sozialen, ökonomischen und finanziellen Probleme in diesen Regionen und Kommunen hätten unmittelbare Auswirkungen auf das kulturelle Leben und die Kulturpolitik.

Konkret fordern Union und Sozialdemokraten die Regierung unter anderem auf, ein Pilotprojekt zu den Herausforderungen des demographischen Wandels für die kulturelle Bildung zu konzipieren und finanziell zu unterstützen. Zudem soll die Regierung prüfen, inwiefern das Antrags- und Vergabesystem der Kulturförderung vereinfacht und Kulturakteure vor Ort bei der Beantragung öffentlicher Fördermittel unterstützt werden können. Ebenso soll der Deutsche Musikinstrumentenpreis verstetigt werden, der überwiegend an kleine Handwerksbetriebe abseits der großen Ballungsräume vergeben wird.

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4. Menschenrechte in Aserbaidschan

Menschenrechte/Antrag

Berlin: (hib/AS) Die Einhaltung der Menschenrechte in Aserbaidschan ist Thema eines Antrags (18/5092) der CDU/CSU und der SPD-Fraktion. Darin fordern die Koalitionsfraktionen, in bilateralen Gesprächen die systematische Verletzung der Menschenrechte in dem Land weiterhin anzusprechen und auf die Einhaltung von Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu drängen. Außerdem soll sich die Regierung für die Freilassung und für die menschenwürdige Behandlung politischer Häftlinge einsetzen. Die Regierung Aserbaidschans wird aufgefordert, Gesetze abzuschaffen, die die Zivilgesellschaft, insbesondere Nichtregierungsorganisationen einschränken. Außerdem soll Deutschland über den Europarat und die EU weiterhin auf Aserbaidschan einwirken, die Menschenrechte einzuhalten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 303 - 12. Juni 2015 - 09.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2015

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