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BUNDESTAG/3678: Heute im Bundestag Nr. 078 - 18.02.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 078
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 18. Februar 2013 Redaktionsschluss: 17:15 Uhr

1. Gesetzentwurf zu stärkerer Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung von Großvorhaben umstritten 2. Aufruf zur Senkung des Rohstoffverbrauchs



1. Gesetzentwurf zu stärkerer Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung von Großvorhaben umstritten

Innenausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/STO) Die Pläne der Bundesregierung zur stärkeren Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Planung von Großvorhaben stoßen bei Experten auf gegensätzliche Einschätzungen. Dies wurde am Montag bei einer öffentlichen Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zum Gesetzentwurf der Regierung "zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren" (17/9666) deutlich. Ziel des Gesetzentwurfes ist es laut Bundesregierung, "durch die Einführung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung die Planung von Vorhaben zu optimieren, Transparenz zu schaffen und damit die Akzeptanz von Genehmigungs- und Planfeststellungsentscheidungen zu fördern".

Vorgesehen ist dem Gesetzentwurf zufolge, im Verwaltungsverfahrensgesetz allgemeine Vorschriften über die "frühe Öffentlichkeitsbeteiligung" einzuführen. Sie soll vor dem eigentlichen Verwaltungsverfahren - also vor der förmlichen Antragstellung - erfolgen und eine "frühzeitige Unterrichtung über allgemeine Ziele des Vorhabens, die Mittel der Verwirklichung und die voraussichtlichen Auswirkungen" ebenso umfassen wie die Gelegenheit zur Äußerung für die Öffentlichkeit, Erörterung und Mitteilung der Ergebnisse an die zuständige Behörde. Diese soll verpflichtet werden, bei dem Vorhabenträger auf eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung hinzuwirken. Eine Verpflichtung des Trägers zu ihrer Durchführung soll indes nicht eingeführt werden.

Ferner sollen "verallgemeinerungsfähige Regelungen" zum Planfeststellungsverfahren, die mit dem sogenannten Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz von 2006 eingeführt wurden, aus verschiedenen Fachgesetzen in das Verwaltungsverfahrensgesetz übertragen werden. In den betroffenen Fachgesetzen sollen die überflüssig gewordenen Regelungen gestrichen werden.

Nach einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP soll das Ergebnis der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur der Behörde, sondern auch der "betroffenen Öffentlichkeit" mitgeteilt werden. Zudem will die Koalition mit dem Änderungsantrag erreichen, dass "öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachungen parallel auch immer im Internet erfolgen".

Ulf Domgörgen, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, sagte, es handele sich um "kein sensationelles Gesetz". Zur Öffentlichkeitsbeteiligung sei eine "sehr schmale" und unverbindliche Regelung vorgesehen, was je nach Sichtweise beklagt oder begrüßt werde.

Tilmann Heuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland nannte den Gesetzentwurf "sehr enttäuschend". Bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung werde nichts grundlegend geändert, kritisierte er.

Matthias Möller-Meinecke, Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main, sagte, die Erwartungen an die vorgezogene Öffentlichkeitsbeteiligung würden "maßlos enttäuscht". Möller-Meinecke plädierte zugleich dafür, die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung verbindlich einzuführen und "sie nicht der Freiwilligkeit des Vorhabenträgers zu überlassen".

Professor Ulrich Ramsauer, Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hamburg, bewertete den Regierungsvorschlag einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung als "durchaus gelungen". Er vermeide bürokratischen Aufwand und sei wirksam. Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung liege auch im Interesse des Vorhabenträgers.

Professorin Andrea Versteyl, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, sprach sich dafür aus, das Gesetz "in der Minimalversion" zu verabschieden. Man sollte nicht mit einer weitergehenden Regelung "Enttäuschungen produzieren", mahnte sie.

Professor Jan Ziekow vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer sagte, der Gesetzentwurf genüge den Anforderung. So sorge er für den erforderlichen gesetzgeberischen Impuls, "ohne momentan überzuregulieren", und setze ein "Schwergewicht auf Information und Kommunikation".

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2. Aufruf zur Senkung des Rohstoffverbrauchs

Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität"

Berlin: (hib/KOS) Einen eindringlichen Appell zur spürbaren Reduzierung des Ressourcenverbrauchs hat am Montagnachmittag die unter Vorsitz von Matthias Zimmer (CDU) tagende Enquetekommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" einstimmig verabschiedet. Künftig müsse der Wohlstand mit einem geringeren Energie- und Materialeinsatz erzeugt werden. Bei der Debatte über den Abschlussbericht der Projektgruppe 3 betonte deren Leiter Hermann Ott (Grüne), dass die "ökologischen Grenzen des Planeten bereits vielfach überschritten sind", vor allem beim Klimawandel, der Artenvielfalt und der Stickstoffbelastung natürlicher Kreisläufe. Eine Senkung des Rohstoffkonsums sei nicht allein durch technischen Fortschritt zu erreichen. Man dürfe auch "nicht alles dem Markt überlassen", gefordert sei das "Primat der Politik". In dem Bericht heißt es, angesichts der globalen Umweltbelastung könnten Deutschland und die EU den nötigen ökologischen Umbau der Wirtschaft nicht allein bewerkstelligen, doch komme der Bundesrepublik und der EU auf internationaler Ebene eine Pionierrolle zu. Eine Welt, die sich der neuen Herausforderung stelle, werde gerechter sein und enger zusammenrücken, sagte Ott. Insofern werde das Jahrhundert der Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum auch ein "Jahrhundert der Integration" sein.

Mit den Stimmen der Koalition abgelehnt wurden Änderungsanträge aus den Reihen der Oppositionsfraktionen, die einerseits einen weitreichenden "sozialökologischen Umbau" verlangten und andererseits mehr als 40 konkrete Maßnahmen zur drastischen Verminderung des Rohstoffkonsums auf nationaler Ebene vorschlugen. Die SPD-Abgeordnete Waltraud Wolff und der von der SPD benannte Sachverständige Dietmar Hexel kritisierten, dass Union und FDP zu einer Diskussion über solche Ideen nicht bereit seien. Im Forderungskatalog der Opposition werden unter anderem eine Streichung umweltschädlicher Subventionen, eine Eindämmung der Spekulation mit Ressourcen, eine Abgabe auf Stickstoff, die Festlegung konkreter Einsparziele beim Rohstoffverbrauch sowie Transferzahlungen an arme Länder der Dritten Welt im Gegenzug zum Verzicht auf Ressourcenausbeutung verlangt. Marc Oliver Bettzüge hingegen sagte, die Entwicklung konkreter Vorschläge zum jetzigen Zeitpunkt "überfordert die Enquetekommission". Der von der Union ausgewählte Sachverständige plädierte stattdessen dafür, die künftige Regierung solle auf der Basis der kritischen Bestandsaufnahme des Bundestagsgremiums Entkopplungsstrategien zur Ressourcenpolitik erarbeiten.

Kontrovers diskutiert wurde die Frage, welche Rolle einzelne Staaten und die internationale Gemeinschaft beim Bemühen um eine Senkung des Rohstoffverbrauchs spielen sollen. Die FDP-Abgeordnete Judith Skudelny wandte sich gegen "nationalen Aktionismus", angesichts der weltweiten ökologischen Belastungen seien vielmehr Fortschritte auf globaler Ebene geboten. Auch die Opposition setzt auf internationale Vereinbarungen, doch dürfe man "nicht unterschätzen", welche Bedeutung dem Nationalstaat in der Ressourcen- und Umweltpolitik zukomme, sagte der von den Grünen ernannte Sachverständige Martin Jänicke.

Der CSU-Parlamentarier Georg Nüßlein hielt der Opposition vor, hinter ihrem Ziel eines sozialökologischen Umbaus verberge sich "staatliche Gängelei", in den Änderungsanträgen finde sich sogar der Begriff des "grünen Sozialismus". Skudelny betonte, die Bürger wollten sich "nicht diktieren lassen", wie sie zu leben haben. Mit Blick auf die Reduzierung des Rohstoffverbrauchs plädierte die Liberale für eine "Weiterentwicklung" der sozialen Marktwirtschaft, lehnte aber deren "Transformation" ab. Der für die Linke in die Kommission entsandte Sachverständige Ulrich Brand konterte, "wir wollen nicht gängeln und nicht vorschreiben". Es gehe nicht um Planwirtschaft, doch reichten in der Rohstoffpolitik kleinere Veränderungen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten nicht aus, vielmehr müsse die Politik stärker steuern.

Geprägt war die Diskussion streckenweise von einer gewissen Schärfe nach einer Attacke Nüßleins auf die Oppositionsfraktionen. Er zeigte sich "maßlos enttäuscht und erschüttert" über die "Finte" der Opposition, die einerseits die Koalition auf den Weg eines "weichgespülten Konsenses" habe locken wollen, um dann eigene Positionen durchzusetzen. Dieses Vorgehen belege auch, dass die SPD den "Schulterschluss mit der Linken" praktiziere, sagte der CSU-Politiker. Oppositionssprecher wiesen diese Vorwürfe zurück: Nüsslein sei auf die "polemische Ebene ausgewichen" sagte Ott. Auch der von der Union benannte Sachverständige Hanns Michael Hölz ging auf Distanz: Er fühle sich "sehr unwohl", dass Nüßlein "diesen Ton" in die Debatte bringe, "so etwas gab es bisher nicht".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 078 - 18. Februar 2013 - 17:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2013