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BUNDESTAG/3621: Heute im Bundestag Nr. 021 - 16.01.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 021
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 16. Januar 2013 Redaktionsschluss: 13:00 Uhr

1. Experten ziehen Bilanz zu islamischen Studiengängen
2. Sozialausschuss lehnt statistische Erhebung von Leiharbeit und Werkverträgen ab



1. Experten ziehen Bilanz zu islamischen Studiengängen

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Öffentliches Fachgespräch)

Berlin: (hib/ROL) In Deutschland leben etwa vier Millionen Muslime. Inwieweit ihre Religion und ihre Kultur zu Deutschland gehören, führt immer wieder zu kontroversen Diskursen. Seit gut einem Jahr gibt es an fünf deutschen Hochschulen das Fach Islamische Studien. "Das tröstet über die Debatte hinweg, ob der Islam nun ganz, ein wenig oder gar nicht zu Deutschland gehört", sagte Professor Katajun Amirpur von der Universität Hamburg, Akademie der Weltreligionen bei dem Öffentlichen Fachgespräch "Erfahrungen mit der Einrichtung islamischer Studien an deutschen Hochschulen". Zu dem Fachgespräch, das am Mittwochvormittag im Berliner Paul-Löbe-Haus stattgefunden hat, hatte der Ausschuss für Bildung und Forschung eingeladen.

Mathias Rohe, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg vom Fachbereich Rechtswissenschaften machte deutlich, wie schwer es sei, die verschiedenen Professorenstellen auch adäquat zu besetzen. Die Personaldecke sei in Deutschland dünn, aber an der Qualität dürfe man keine Abstriche machen.

Auf einen weiteren wichtigen Punkt machte Reinhard Schulze, Universität Bern, Institut für Islamwissenschaften aufmerksam. Schulze, der selbst Mitglied in der Runde des Wissenschaftsrates war, die die Empfehlungen zur Einführung einer islamischen Theologie vorgelegt hatte, machte deutlich, dass es zunächst gar nicht um die Begründung einer islamischen Theologie in Deutschland gegangen sei. Der Forschungsauftrag an den Wissenschaftsrat sei die Fortschreibung der Theologien insgesamt gewesen. Aus den Diskussionen, die sich drei Jahre hingezogen hätten, habe sich dann konsequenterweise die Einführung der islamischen Studien ergeben.

Bülent Ucar, Universität Osnabrück, Institut für Islamische Theologie, hob hervor, dass Deutschland in Westeuropa mittlerweile federführend in den islamischen Studien sei. "Das entscheidende Element ist, dass nicht über den Islam gelehrt und geforscht wird, sondern aus seiner Mitte heraus.", so Ucar. In Osnabrück habe man das Projekt mit dem theologischen Profil "Innovation in Tradition" beschrieben. Dieser Kurs der "Theologie der Mitte" stoße bei den Studenten auf großes Interesse.

Die Doktorandin Anne Schönfeld von der Freien Universität Berlin, Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies, machte auf das Spanungsfeld aufmerksam, in dem sich das neuen Studienfach bewegt und auch bewähren muss. Einerseits solle mit der Hinterfragung und gegebenenfalls sogar Relativierung tradierter Glaubensgrundsätze und -praktiken in Teilen ein theologischer Paradigmenwechsel vollzogen werden und gleichzeitig solle in den muslimischen Gemeinden eine breite Akzeptanz für diese Reformansätze hergestellt werden.

Aber nicht nur Professoren und Doktoranden kamen in diesem Fachgespräch zu Wort, auch ein Student von der Universität Osnabrück trug vor dem Ausschuss seine Beweggründe für die Aufnahme des Studiums vor. "Die Einführung des Studienfachs habe ich als Antwort auf meine Bittgebete empfunden, da es für mich als Muslim identitätsfördern ist", sagte Enes Erdogan. Am Anfang habe es unter den muslimischen Studenten Zweifel gegeben, ob die Auslegung eine vom deutschen Staat aufoktroyiert sei. Doch diese Zweifel seien schnell ausgeräumt worden und verflogen.

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2. Sozialausschuss lehnt statistische Erhebung von Leiharbeit und Werkverträgen ab

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Berlin: (hib/VER) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales will den Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen in Unternehmen nicht statistisch ermitteln. Einen entsprechenden Antrag (17/9980) der Fraktion Die Linke hat der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwochvormittag abgelehnt.

Die Antragsteller verlangen eine gesetzliche Meldepflicht für Werkverträge, Leiharbeitsbeschäftigte und Honorarverträge, heißt es in der Vorlage. Die Betriebe müssten Werkverträge melden, sofern diese nicht nur eine gelegentliche Inanspruchnahme von Leistungen vorsehen. Im Anschluss an eine kurze Aussprache wurde der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Antragsteller und bei Enthaltung von SPD- und Grünen-Fraktion abgelehnt.

Zur Begründung ihres Antrags nannte eine Abgeordnete der Linksfraktion folgendes Beispiel: Etwa 90 Prozent der Beschäftigten von Schlachthöfen arbeiteten auf Basis eines Werkvertrags - mit der Konsequenz, dass die Stammbelegschaft ersetzt werde. Die neuen Arbeiter seien zumeist keine deutschen Arbeitnehmer, sondern beispielsweise Rumänen, die zu schlechten Bedingungen arbeiten würden. Doch leider sei das Problem derzeit statistisch nicht zu erfassen. Es bestehe aber dringender Handlungsbedarf.

Eine Abgeordnete der Grünen-Fraktion betonte, dass Werkverträge die Belegschaft zersplittern würden. Deshalb sei die Befassung mit dieser Problematik gut und wichtig. Dennoch lehne ihre Fraktion die Meldepflicht ab. Die Forderungen des Antrags gingen ihrer Meinung nach zu weit, sagte sie. Aus diesem Grund enthalte sich ihre Fraktion bei der Abstimmung.

Der Antrag sei nur begrenzt nützlich, kritisierte eine Rednerin der SPD-Fraktion. Es mangele an der Umsetzung und biete nicht viel Neues. Es gehe vielmehr darum, die Betriebe zu listen, in denen Lohndumping betrieben werde. Doch wegen der insgesamt guten Idee honoriere ihre Fraktion den Antrag mit einer Enthaltung.

Werkverträge seien in vielen Branchen üblich, erklärte der Redner der FDP-Fraktion. Die Bandbreite reiche aber von der legalen bis zur illegalen Gestaltung. In manchen Branchen gebe es gar keine Probleme, deshalb sei die Forderung der Linksfraktion vollkommen überzogen. Es gebe seines Erachtens nur wenige negative Fälle. Diese müsse man im Blick halten, ebenso wie die Zeitarbeit. Dazu bedürfe es jedoch keiner Statistik. Vielmehr müsse man die Situation beobachten und in den konkreten Fällen handeln. Deshalb lehne die FDP-Fraktion den Antrag ab.

Ähnlich argumentierte eine Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion. Ihre Fraktion lehne den Antrag ab, weil er eine Diffamierung der Werkverträge zur Gänze sei. Das sei eine unberechtigte Verallgemeinerung. Auch Handwerker beispielsweise würden auf Basis von Werkverträgen arbeiten. Es gebe diese Vertragsform bereits seit mehr als 100 Jahren und in vielen Bereichen habe sie sich bewährt. Es sei zwar auch wichtig, Missbrauch aufzuspüren, aber das habe die Koalition bereits in der Gesetzgebung zur Arbeitnehmerüberlassung geregelt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 021 - 16. Januar 2013 - 13:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2013